Interview mit Esra Karakaya
„Wir wollen marginalisierte Perspektiven in Deutschland sichtbar machen“
Hanna Klein
21. Dezember 2023
Im Interview erklärt die Journalistin und Moderatorin Esra, was genau KARAKAYA TALKS macht und wie die Teilnahme an re·shape bisher für sie läuft.
Hallo Esra, KARAKAYA TALKS ist die erste Video-Talkshow, die Deutschland aus einer Perspektive of Color diskutiert. Auf eurer Homepage schreibt ihr: „Wir machen unabhängigen, unterrepräsentierten und Community-orientierten Journalismus.“ Kannst du uns mehr über euch und eure Vision erzählen?
Esra: Wir produzieren News und Talkshows für Millennials und Gen Z of Color aus marginalisierten Communitys. Wir wollen marginalisierte Perspektiven in Deutschland sichtbar machen, da diese in den Medien oft vernachlässigt werden. Das Team von KARAKAYA TALKS besteht zu 100 % aus mehrfach marginalisierten BIPoCs. Wir nutzen hauptsächlich Social-Media-Plattformen wie Instagram, TikTok und YouTube.
27 % der Bevölkerung in Deutschland sind BIPoC, aber diese Communitys sind oft unterrepräsentiert oder stereotypisch dargestellt. Wie versuchen KARAKAYA TALKS, diesem Problem entgegenzuwirken?
Unser Fokus liegt darauf, konkrete Themen zu bespielen, die unsere Zielgruppen bewegen. Das bedeutet, dass wir gucken, welche News z. B. unterrepräsentiert sind, oder welche Perspektiven gerne im Mainstream vergessen werden.
Was hat KARAKAYA TALKS mit Freiem Wissen und Wikipedia zu tun? Warum habt ihr euch für re·shape beworben?
Esra: Ich möchte verstehen, welche Rolle Wikipedia für unsere Zielgruppen spielt und wie unsere Social-Media- und Videoproduktionen dazu beitragen können, Wissen und Wissensproduktion gerechter zu gestalten. Wir erkennen an, dass es unterschiedliche Quellen von Wissen gibt. Es gibt Wissen, das nicht als solches markiert und archiviert ist und solches, das als subjektiv und Meinung abgetan wird. Bei KARAKAYA TALKS nutzen wir unterschiedliche Quellen und versuchen, das Spannungsfeld zwischen archiviertem Wissen und migrantisch situiertem Wissen zu überbrücken. Wir wollen verzerrte Darstellungen im Netz über Menschen aus marginialisierten Communitys z. B. auf Wikipedia korrigieren. Unser Ziel ist, die Präsenz und Repräsentation von BIPoC-Communitys in den Medien zu stärken, deren Wissen zu dokumentieren und unter freier Lizenz zu verbreiten.
Was ist seit dem Start von re·shape konkret passiert? Wo steht ihr jetzt und was sind eure nächsten Schritte?
Esra: Beim Kick-Off-Event im September haben wir eine große Lernkurve hingelegt. Wir haben viel über Wikipedia und Wikidata gelernt und auch darüber, was es eigentlich bedeutet, wenn eine Person überhaupt Zeit hat, Wissen zu produzieren. Und was es bedeutet, wenn vorhandenes Wissen westlich zentriert ist.
Gemeinsam mit unserer Mentorin aus der Wikipedia-Community, Kritzolina, prüfen wir, wie Wikipedianer*innen unsere journalistischen Inhalte und Videos als Referenzen für Wikipedia-Artikel nutzen können. Wir sind außerdem dabei, uns mit anderen Teilnehmenden von re·shape zu vernetzen.
Wie läuft die Zusammenarbeit mit eurer Mentorin?
Esra: Sehr gut, wir passen gut zusammen! Kritzolina versteht unsere Bedürfnisse und dank ihrer Expertise haben wir verstanden, was eine Mitarbeit in Wikipedia bedeutet: Es ist nicht sinnvoll, auf Biegen und Brechen ganze Artikel zu schreiben, sondern erstmal mit kleinen Bearbeitungen anzufangen und sich mit anderen Wikipedianer*innen zu connecten und zusammenzuarbeiten. Das braucht Zeit und Geduld.
Welchen Herausforderungen seid ihr bisher bei eurer Arbeit begegnet und (wie) hilft euch re·shape bei der Bewältigung?
Esra: Unser Ziel ist, unsere journalistische Arbeit nachhaltig so aufzuarbeiten, damit sie von Wikipedianer*innen genutzt werden kann. Wir produzieren hauptsächlich Video-Content, was als Quelle schwierig auf Wikipedia zu nutzen ist. Brauchen wir Transkriptionen? Wie lässt sich Video-Content sonst übertragen? Das gilt es in den nächsten Monaten herauszufinden.
Vielen Dank für das Interview! Wir wünschen euch weiterhin viel Freude und Erfolg bei eurem Projekt.
re·shape
Ein Wikimedia-Programm zur Förderung von Wissensgerechtigkeit
Was Eingang in Wissensbestände und offizielle Erzählungen findet, ist in starkem Maße durch Fragen von Macht bestimmt. Das prägt, wie wir als Gesellschaft miteinander umgehen, welche Perspektiven und Interessen wir zentrieren und welche als weniger wichtig oder irrelevant deklariert werden.
Mit re•shape – Ein Wikimedia-Programm zur Förderung von Wissensgerechtigkeit möchte Wikimedia Deutschland in Zusammenarbeit mit den neuen deutschen organisationen – das postmigrantische netzwerk e.V. dazu beitragen, marginalisiertem Wissen mehr Raum und Sichtbarkeit zu verschaffen. Dabei wendet sich das Programm explizit an Menschen und Communitys, die Rassismus erfahren.
In der Bewerbungsphase haben sich fast 90 Projekte auf re·shape beworben. Das Kuratorium und je eine Vertreterin von den neuen deutschen organisationen e. V. und Wikimedia Deutschland e. V. haben daraus zehn Projekte ausgewählt.