WMDE allgemein
14. Februar 2018
Im Jahr 2012 postulierte Co-Organisator Jöran Muuß-Merholz, das EduCamp, damals im zarten Alter von fünf Jahren, sei nun erwachsen. EduPunks seien Mainstream und das EduCamp habe Platz für damals Neues, wie die Bewegung der OER-Camps, geschaffen.
So berichtete Elly Köpf im Wikimedia Blog schon 2012 davon, wie Ideen und Ansätze um Open Educational Resources von dem OERcamp in Bremen auf dem EduCamp in Ilmenau weiterentwickelt wurden. Wenig später, im September 2013, fand das OERcamp in Berlin unter dem Dach der OER-Konferenz der Wikimedia Deutschland statt.
Zum zehnjährigen Jubiläum unterstützt Wikimedia Deutschland den EduCamp e.V. bei der Durchführung des 21. EduCamps. Dieses #educampX findet vom 09. bis 11. März in Neuharlingersiel (Ostfriesland) statt. Zu diesem Anlass an dieser Stelle ein Interview mit Jöran und Kristin Narr, die Teil des Veranstalter-Teams des EduCampX sind. Das Interview führte Christian Friedrich, Referent für Bildung und Wissenschaft bei Wikimedia Deutschland.
Vielleicht sollten wir damit beginnen, in zwei kurzen Sätzen zu erklären, was ein Barcamp von anderen Veranstaltungen und Formaten unterscheidet. Was sind die Besonderheiten aus eurer Sicht?
Kristin: Bei einem Barcamp entsteht das Programm ja erst durch das, was vor Ort von den Teilnehmenden auf die Agenda gesetzt wird. Deswegen sprechen wir gerne von „Teilgebenden“ statt von „Teilnehmenden“.
Jöran: … und deswegen darf sich niemand danach beschweren, dass ihm oder ihr Themen gefehlt haben. Man hätte es ja selbst machen können.
Wie kam es 2008 zum ersten EduCamp? Wer war dabei, was war der Anlass? Gab es einen inhaltlichen Fokus?
Kristin: Es gab Ende 2007 eine Gruppe von Menschen, die sich mit Lernen und digitalen Medien beschäftigte. Man kannte sich vor allem aus der Kommunikation im Netz. Bei diesen Menschen war das Bedürfnis entstanden, sich auch in real life zu treffen und auszutauschen.
Jöran: Maßgeblich muss man im Rückblick auf jeden Fall Thomas Bernhardt, Marcel Kirchner und Steffen Büffel nennen, die quasi die Eltern des EduCamps sind.
Kristin: Im Vergleich zu heute gab es damals einen größeren Schwerpunkt auf das Lernen in Unternehmen und in der Hochschule. Mit der Zeit ist dann der Bereich Schule gewachsen.
In 2016 hat Kristin Narr das EduCamp die „Mutter der Bildungs-Barcamps” genannt. Was steht dahinter?
Kristin: Die Geschichte von 2016 beginnt eigentlich bei Jörans Anrufen …
Jöran: Ich habe eine kleine Podcast-Reihe und hatte dafür mal die Gastgeberinnen und Gastgeber von 10 Bildungs-Barcamps angerufen und sie um eine Vorstellung ihrer Barcamps gebeten. Und die haben fast alle gesagt, dass sie früher auf einem EduCamp waren und dort die Inspiration für ein eigenes Bildungs-Barcamp bekommen haben.
Kristin: … daher die Formulierung mit der „Mutter“: Das EduCamp ist immer da geblieben, aber die Leute haben ganz viele Abkömmlinge gegründet und in alle Richtungen getragen.
Jöran: Das ist schon interessant, weil das EduCamp selbst nicht stark gewachsen ist. Seit 10 Jahren gibt es das zweimal im Jahr, und es kommen immer zwischen 100 und 200 Menschen. Aber von dort aus gehen offenbar viele weitere Aktivitäten aus.
Hat sich die Struktur der Teilgebenden im Laufe der letzten Jahre merklich verändert? Welche Konstanten seht ihr in den behandelten Themen der EduCamps, was ist über die Jahre neu dazugekommen?
Kristin: Ich glaube, es gibt so Wellenbewegungen. In den letzten Jahren ist der Bereich Schule immer stärker geworden.
Jöran: Definitiv. Allerdings sind immer noch alle anderen Bildungsbereiche stark geblieben. Es kommen auch Leute aus Hochschule und Unternehmen, aus der politischen Bildung und der Medienpädagogik, in den letzten Jahren häufig mit Schwerpunkten wie Maker-Bewegung, Gaming, Outdoor etc.
In euren Beiträgen zum EduCamp aus den letzten Jahren schreibt ihr beide darüber, wie das EduCamp auch eine Art zentraler Knotenpunkt wurde, ein Vorbild und Orientierungspunkt für andere Ideen und Trends in der Bildung. Wie und wo seht ihr den Bezug des EduCamps und seiner Community etwa im Kontext der Öffnung von Bildung?
Kristin: Man kann schon ruhig so etwas wie „Avantgarde“ sagen. Bei den EduCamps werden manchen Themen diskutiert, die erst Jahre später in den Mainstream kommen. Es gibt offenbar ein experimentelles Umfeld.
Jöran: Ja, beim EduCamp treffen sich so etwas wie „Early Adopter“. Dazu gehört selbstverständlich, dass Freies Wissen und offene Bildung sehr früh diskutiert wurden. Und es hat wohl auch mit grundsätzlichen Einstellungen zu tun: Für die meisten Menschen beim EduCamp ist selbstverständlich, dass man das Web, Wissen und die Welt gestalten kann, nicht nur konsumieren. Und so ist es auch selbstverständlich, dass von Anfang an die Sessions öffentlich dokumentiert und seit Jahren auch mit freier Lizenz versehen werden.
Könnt ihr das konkreter beschreiben?
Jöran: Ich würde sagen, dass das EduCamp 2011 in Bielefeld einen entscheidenden Anstoß für die Bewegung rund um freie Bildungsmaterialien (Open Educational Resources, OER) gegeben hat. Damals hat netzpolitik.org gerade Planungen für einen „Schultrojaner“ aufgedeckt, der Schulrechner nach urheberrechtlich problematischen Materialien durchsuchen sollte. Viele Menschen hatten damals in Bielefeld gesagt: „Es reicht! Wir brauchen solche Verlage nicht, wir können das mit den Unterrichtsmaterialien selbst in die Hand nehmen.“ Es gab Planungen für eine gemeinsame Initiative zur Produktion und Verbreitung von OER in Deutschland.
Kristin: Ein Jahr später kam dann das erste OERcamp, das war 2012 an der Uni Bremen. Der EduCamps e.V. war sogar Mit-Veranstalter und sehr viele der Teilgebenden kamen aus der EduCamp-Community. Da hat das EduCamp sehr stark zur Geburt dieser Tochter (oder des Sohnes?) beigetragen.
Jöran: Die OERcamps sind dann zu einem wichtigen Kristallisationspunkt der OER-Bewegung in Deutschland geworden. Ohne das EduCamp hätte OER in Deutschland vielleicht nie so einen Schwung gewonnen.
Wenn alles wie erhofft läuft: was wäre aus eurer Sicht das ideale Teilgebenden-Feedback nach dem 21. EduCamp im März in Neuharlingersiel? Was würde euch nach dem EduCamp mit einem Lächeln einschlafen lassen?
Kristin: …dass die Leute eine gute Zeit zusammen hatten. „Wir fahren ans Meer“ ist ein bisschen zum Slogan für dieses EduCamp geworden. Und gemeint ist, dass möglichst viele Menschen, die ähnliche Sachen umtreiben, einmal ein paar Tage zusammen Urlaub machen. Die Location, das DJH Resort in Neuharlingersiel, und die Umgebung insgesamt bieten so viele (Gestaltungs)Möglichkeiten – tolle Räume, vielfältige Kinderangebote, Rundum-Essensversorgung, Spaziergänge auf den Dünen, Partys am Abend etc.
Wenn dieser Beitrag Interesse geweckt hat dabei zu sein: Wie geht das, was muss getan werden? Braucht es Vorbereitung und eine dicke Geldbörse?
Jöran: Alle sind willkommen. Die Teilnahme ist kostenlos bzw. wird über Kooperations-, Sponsoren- und Spendengelder abgedeckt. Unterkunft und Fahrt wird von den Teilgebenden selbst getragen.
Kristin: Alles zur Anmeldung findet man auf unserer Website: x.educamps.org
Weiter Infos zum EduCamp und Anmeldung: https://x.educamps.org/
Weiterführende Links:
https://www.joeran.de/das-educamp-die-mutter-unter-den-barcamps-im-bildungsbereich/
https://www.joeran.de/jra075-educampx/
http://pb21.de/2012/10/das-10-educamp-ein-barcamp-wird-erwachsen/