Die Konferenz der mittel- und osteuropäischen Wikimedia-Organisationen, -Gruppen und -Communities (Wikimedia Central and Eastern European Meeting 2017, kurz CEE) fand vom 22. bis 25. September in Warschau statt. Vier Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter von Wikimedia Deutschland nahmen teil. Hier erzählen sie, warum sie dort waren und woran sie arbeiten.
Brücken zwischen Wikimedia-Veranstaltungen bauen
„Die mittel- und osteuropäischen Wikimedia-Gruppe ist derzeit DIE größte regionale Wikimedia-Gruppe: Die dort vertretenen Sprachgemeinschaften reichen von Finnisch bis zum Iran vertretenenen Südaserbaidschanisch, von Deutsch bis Baschkirisch. Sie ist auch die stärkste regionale Gruppe“, sagt Cornelius Kibelka, Program and Engagement Coordinator der Wikimedia Conference, der auch im Auswahlkomitee für das diesjährige CEE Meeting vertreten war.
Cornelius war auf dem CEE Meeting, weil er zum Teil die Aufgabe hat, die verschiedenen Wikimedia-Konferenzen besser zu verbinden, oder wie er sagt: “Wir wollen Brücken zu anderen Wikimedia Movement-Veranstaltungen bauen, wir wollen ein kontinuierliches Gespräch, einen Diskurs über bestimmte Themen führen.”
– Warum sollten diese Gespräche zwischen den Veranstaltungen stattfinden – warum ist es wichtig, Brücken zwischen Konferenzen zu bauen?
Ein Grund dafür ist, dass die Mehrheit der Menschen in der Wikimedia-Movement nicht-englische Muttersprachler sind, aber viele unserer wichtigen Gespräche finden immer auf Englisch und online statt. Das ist wirklich anstrengend, auch für mich: es ist einfacher, sich persönlich zu treffen, um zu verstehen, welche Herausforderungen die Menschen haben.“
In den Jahren 2015 und 2016 war Cornelius der einzige WMDE-Mitarbeiter, der das CEE-Meeting besuchte, aber in diesem Jahr gelang es ihm auch zwei Kolleginnen zur Mitfahrt zu überzeugen: Veronika Krämer, verantwortlich für internationale Aspekte der Freiwilligenförderungen; und Nikki Zeuner, die an Partnerschaften arbeitet und in der sog. „Partnerships and Resource Development group“ tätig ist. Beide Themen, Unterstützung der Freiwillige sowohl Partnerschaften, sind Teil der Programms der Wikimedia Conference und Cornelius hat u.a. daran gearbeitet, ein stärkeres internationales Netzwerk zu diesen Themen zu unterstützen.
Das Volunteer Supporters Network
– Veronika, warum warst du auf dem CEE Meeting?
„Ich bin Teil des sog. Volunteer Supporters Network, das Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter der Freiwilligenförderung der verschiedenen Wikimedia-Organisationen und -Gruppen die Möglichkeit zum Austausch, zum Lernen, zum Teilen und Nutzen von Ressourcen gibt – sich gegenseitig Fragen stellen und sich von anderen inspirieren lassen. Für das CEE-Meeting hat das Programmteam gezielt nach Beiträgen im Bereich der Freiwilligenförderung gesucht. Deshalb fragte ich meine Kollegin aus Polen, Natalia, ob sie mit mir zusammen eine Präsentation machen würde.“
Veronika war auch dort, um eine engere Beziehung zu anderen Wikimedia-Chaptern herzustellen, insbesondere dem Polnischen:
„Ich denke, dass unsere beiden Chapter trotz der unterschiedlichen Größe viel gemeinsam haben – zum Beispiel gibt es in Polen auch so etwas wie eine polnische WikiCon. Es gab auch Anfragen der deutschen Community danach, etwas mit der polnischen Community zu machen. Ich habe auch zum ersten Mal meine serbische Kollegin kennengelernt und von einigen interessanten Projekten in Serbien erfahren. Ich konnte sie auch davon überzeugen, an unserem Volunteer Support Network-Treffen im November teilzunehmen – das war auch ein Punkt für mich: Leute dafür interessieren zu können. ”
– In welchen Diskussionen über Freiwilligen-Unterstützung hast du teilgenommen? Gab es irgendwelche Highlights?
„Eine Diskussion, an der ich teils beteiligt war und die immer wieder auftaucht, ist die Frage nach Preisen für Wettbewerbe, zum Beispiel für Wiki loves Earth oder Schreibwettbewerbe. Ich finde es sehr interessant zu vergleichen, wie die Leute mit den Preisen umgehen. Zusammen mit Raimund Liebert von Wikimedia Österreich und Muriel Staub von Wikimedia Schweiz haben wir ein sog. Learning Pattern zur Wertschätzung von Freiwilligen geschrieben. Der Vortrag, den ich beim CEE-Meeting gehalten habe, beschäftigt sich allgemein mit Motivation. Und das Thema Preise hat mit beidem zu tun. Eine andere Sache, die ich mitgenommen habe, ist: Es ist sehr interessant, wie sie in Serbien mit ihren „Wikicamps“ neue Freiwillige gewinnen. – Es ist im Grunde ein 5-tägiger Wiki-Workshop und die Leute bleiben danach auch weiterhin sehr aktiv. Normalerweise ist ein Wiki-Workshop nur einen Nachmittag. Das gab mir ein paar Ideen, wie man das anders machen könnte. ”
– Das CEE-Meeting ist eine regionale Konferenz, aber eher allgemeiner gefragt: ist es überhaupt möglich, ein Volunteer Supporters Network zu haben, dass Länder von Schweden bis Indien einbezieht?
„Das CEE-Treffen ist die erste regionale Konferenz, an der ich teilgenommen habe, und tatsächlich gab es ein paar Dinge, die mir sehr gut gefallen haben. Eines war die Größe: dass es nicht so überwältigend war wie Wikimania. Bei weniger Leuten ist es besser möglich, Beziehungen zu knüpfen, und das ist wichtig für die Zusammenarbeit. Aber bei der Wikimedia Conference und Wikimania versteht man, was uns als Wikimedia-Movement auch definiert, und zwar: Es gibt viele Unterschiede! Deshalb sind beide Arten von Treffen wichtig. Etwas Regionales, wie CEE, ist praktischer angelegt und konzentriert sich eher auf einen bestimmten Inhalt. Treffen mit Nachbarländern sind also wahrscheinlich zumindest immer ein guter Anfang.”
Durch Partnerschaften zu Freiem Wissen
Wie Veronika erklärt Nikki, dass das CEE-Meeting für sie eine Gelegenheit war, mit Leuten aus anderen Wikimedia-Organisationen und -Gruppen zu sprechen, dazu hat sie auch ein Lernworkshop über die Partnerschaften angeleitet (Video):
„Anstatt von oben herab zu erzählen und zu erklären, wie man eine Partnerschaft gestalten sollte, wollte ich lieber eine Art Dialog in einem partizipativen Format gestalten, also habe ich einen Rahmen geschaffen, in dem die Leute über Partnerschaften sprechen und dann „Beratungsleistungen“ der anderen Anwesenden im Raum nutzen konnten. Das hat sehr gut funktioniert. Die Ergebnisse der Kleingruppen wurden dann zurück in die große Runde getragen, in der wir dann gemeinsam Erkenntnisse abgeleitet haben. Ich denke, dass Wikimedia Deutschland eine Rolle dabei spielt, diese Art von Gesprächen zu erleichtern und zu moderieren, eher als den Leuten beizubringen, wie man Partnerschaften macht. ”
– Und was bedeutet „Partnerschaften” eigentlich?
„Bei Wikimedia Deutschland verstehen wir darunter eine Partnerschaft mit anderen Wikimedia-Organisationen oder mit befreundeten Organisationen. Wenn Du das im weiteren Movement-Kontext verstehst, sind wir Teil einer Art „Ökosystem des Freien Wissens“, wir funktionieren nicht isoliert vom Rest der Welt. Wir können keinen Inhalte befreien, wenn wir nicht mit den Institutionen arbeiten, die darauf „sitzen“ – so einfach ist es. Oder, wenn du das Beispiel einer Schule annimmst: „Schule“ ist ein ganzes System, das man verstehen muss. Beginnt man mit den Lehrern, dem Schulleiter oder dem Schulbezirk? Freiwillige sind diejenigen, die in das Klassenzimmer gehen und Kindern Wikipedia beibringen können, während das Chapter mit Finanzierung, Werkzeugen und Materialien helfen kann, oder was auch immer nötig ist, um den Schulbezirk zu überzeugen und die Wirkung (Impact) zu erhöhen. Ich finde, dass es ein ganzen choreographierten Tanz geben könnte, an dem die Freiwilligen, die Partner und die Wikimedia Chapter beteiligt sind. So stelle ich mir das vor. ”
– Wie beziehen sich Partnerschaften auf die Community der Freiwilligen?
Es ist ein Frage von: wie choreographieren wir so einen Tanz? Was kann Wikimedia Deutschland tun, um die Freiwilligen, die mit externen Partnern arbeiten, bestmöglich zu unterstützen – und wir unsere Mission erreichen können? Wikimedianerinnen und Wikimedianern erzählen immer wieder, welche Partnerschaften sie aufbauen und pflegen, und immer lerne ich neue kleine interessante Details. Auf der anderen Seite machen sehr viele Wikimedia-Aktive sehr ähnlich oder gar gleichen Projekte, sodass sie von den Erfahrungen der Anderen lernen können. Barbara Fischer schrieb vor einigen Jahren zum Beispiel ein sog. Learning Pattern über die Arbeit mit GLAM-Institutionen – das Dokument ist immer noch sehr hilfreich.”
Nikki sagt über Partnerschaften auf internationaler Ebene: „Eine Dimension ist das Teilen und Lernen, wie man Partnerschaften macht – und die andere Dimension ist diese Partnerschaften tatsächlich zu schaffen. Es gibt die verschiedensten Möglichkeiten, die man sich vorstellen können, um solche Partnerschaften in Verbindungen mit Partnern und Freiwilligen auszugestalten – und sie würden am Ende alle mehr Wirkung bringen, als wenn wir alleine als Organisation versuchen etwas zu bewerkstelligen. Ich denke, es gibt viel mehr Raum, um als Wikimedia-Movement zu wachsen, und wir – Wikimedia Deutschland – können eine Rolle darin spielen.
Eine ehrliche Meinung zum Strategic Direction
Nicole Ebber war auch beim CEE-Treffen. Sie ist Referentin für Internationale Beziehungen bei WMDE und leitet den so genannten “Track A – Organized Groups” des internationalen Movement-Strategieprozesses. Gemeinsam mit Kaarel Vaidla organisierte Nicole drei Sessions und einen “Late-night Strategie-Salon”, um so viel Feedback wie möglich zu erhalten zur strategischen Ausrichtung – ähnlich wie beim Strategy Space auf der Wikimania 2017.
“Wir hatten nicht viel Feedback von Wikimedia-Organisationen und -Gruppen aus der CEE-Region bekommen, also wollten wir mehr darüber erfahren, was sie über die strategische Ausrichtung denken. Für uns im Strategieteam ist es natürlich sehr nützlich, persönlich mit den Menschen in Kontakt zu sein – denn persönliche Gespräche sind fruchtbarer. Die Leute neigen dazu, in persönlichen Gesprächen ehrlicher zu sein, aber wahrscheinlich auch freundlicher und konstruktiver. Manchmal geht es nämlich in Online-Gesprächen so: „Hör auf zu nerven, Strategie ist mir egal.“ Wenn ich jedoch die Menschen kennenlerne, kann ich sie direkt fragen, was dazu beitragen könnte, dass sie daran interessiert wird.
– Wie habt ihr die Beiträge der Organisationen und Gruppen aus der Wikimedia gesammelt?
“Ich habe die Sitzungen zusammen mit Karel Vaidla durchgeführt, der die ganze Zeit an diesem Prozess beteiligt war. Und wir koordinierten mit Katherine Maher, damit sie die ganze Zeit in den Sitzungen zur Verfügung stehen würde, weil sie ja irgendwie das Gesicht der Ausrichtung ist. Weil wir nicht täglich zusammenarbeiten, haben wir manchmal sogar Entscheidungen in den Sitzungen getroffen, so: “Werden wir das so machen? – Ja, wir werden so vorwärts gehen.” Also war nicht alles komplett festgelegt und behoben, es gab eine offene Atmosphäre.”
– In Bezug auf die strategische Ausrichtung wurde unter Wikimedianern diskutiert, wie man „Movement“ beziehungsweise „Community“ definiert. Wie würdest du die beiden unterscheiden?
Für mich bedeutet „Community“ die Gemeinschaft der Autorinnen und Autoren, Fotografinnen und Fotografen, allgemein der Beitragenden – obwohl ich auch weiß und sehe, dass die Wikimedia Foundation uns, die Wikimedia-Organisationen, auch als „Community“ bezeichnet. Die Wikimedia-Bewegung (Movement) wiederum ist das etwas, für das die strategische Ausrichtung (Strategic Direction) geschrieben wurde: das Konglomerat, das Netzwerk von Wikimedia-Organisationen, -Gruppen und -Communities (so wie es auch in der strategischen Ausrichtung ausdifferenziert wurde. Und dann gibt es noch diese größere Bewegung, die aus meiner Sicht auch unsere Verbündeten und Partner einschließen sollte. Das ist nicht das Wikimedia-Movement sondern etwas, was gelegentlich als „The Big Open“ oder „Free Knowledge and Open Internet Movement“ bezeichnet wird.”
– Wie Du schon gesagt hast, war es manchmal schwierig, Menschen zu motivieren, sich am Strategieprozess zu beteiligen. Aus deiner Sicht, warum ist diese Strategie für die einzelnen Wikimedianerinnen und Wikimedianer von Bedeutung?
„Wenn wir uns nicht um die Welt um uns herum kümmern, könnten wir irgendwann in der Lage sein, Wikipedia nicht mehr länger bearbeiten und nutzen zu können. Unsere Projekte bestehen nur dank der Gesetze, die freien Lizenzen erlauben. Aus diesem Grund ist die politische Arbeit absolut wichtig. Eine andere Sache ist, dass wenn wir eine zuverlässige, qualitativ hochwertige Wissensquelle sein sollen, müssen unsere Inhalte und unsere Autorinnen und Autoren vielfältiger, diverser sein. Ich denke, alle Menschen– das kann natürlich meine Voreingenommenheit sein – sollten in der Lage sein unsere Projekte zu bereichern und an ihnen teilhaben zu können – in welcher Weise auch immer sie wollen, und um jeder und jedem dieses Privileg zu ermöglichen, müssen wir die dem entgegenstehenden sozialen, politischen und technischen Hürden abbauen, wie es in der Ausrichtung steht.”
Einen Monat nach dem CEE-Meeting ist die erste Phase des Strategieprozesses jetzt zu Ende. Der 26. Oktober ist der sogenannte „Endorsement Day“, bei dem man die strategische Ausrichtung auf Meta unterstützen (also unterschreiben). Alle, die Lust haben, sind eingeladen eingeladen sich mit uns zu freuen, dass Wikimedia es so weit geschafft hat. Und wir freuen uns auf die zweite Phase!
Wenn Du mehr über das CEE-Meeting erfahren möchtest, gibt es im Meta-Wiki mehr Informationen (inkl. einer Dokumentation).