Das für uns Besondere ist dabei der Teil mit den Sachverständigen, denn das sind (inter alia) wir. Und das ist eine Premiere für Wikimedia Deutschland, über die wir uns freuen.
Da die Sitzung vermutlich nicht per Livestreaming übertragen werden wird, sollten alle Interessierten mit entsprechender Zeit sich heute noch beim Sekretariat des Bundestagsunterausschusses anmelden (Details siehe Einladung).
Von den Abgeordneten im Ausschuss gab es für uns im Vorfeld eine Sammlung von sechs Fragen zum Thema Open Data, die wir in einer schriftlichen Stellungnahme beantworten und Euch hier im Blog zur Verfügung stellen. Über Feedback und Anmerkungen (gerne auch vor Montag 13 Uhr) sind wir sehr dankbar.
Unsere Stellungnahme haben wir sowohl als PDF online gestellt, sie findet sich auch im Volltext in diesem Blogposting
Stellungnahme Wikimedia Deutschland e.V.
“Entwicklung und Stand Open Data Projekte”
Unterausschuss Neue Medien des Deutschen Bundestages
Anhörung vom 25. Juni 2012
Grundzüge:
- Wikimedia Deutschland unterstützt Open Government Data
- Wir unterstüzen eine klare Definition, ab wann Daten und sonstige Werke “open” sind, analog zu den Sebastopol Open Government Principles (siehe Glossar). Dazu gehört die freie Nachnutzbarkeit, auch zu kommerziellen Zwecken
- In Deutschland gibt es derzeit primär ein Defizit auf der Angebotsseite von Open Government Data: Zu wenige Datensätze sind frei verfügbar, von den wenigen verfügbaren Datensätzen sind viele unfrei lizenziert
- Behörden können schon jetzt eigene Daten nach Open Data-Prinzipien herauszugeben, es bedarf dazu keiner weiteren zusätzlichen Ermächtigung, sondern nur den entsprechenden Willen auf administrativer Ebene
- Wünschenswert ist eine gesetzliche Festlegung zur Veröffentlichung von allen Inhalten der Verwaltung nach Open Government Data-Prinzipien. Der Gesetzgeber kann dies über ein novelliertes Informationsfreiheitsgesetz, eGovernment-Gesetze oder über ein eigenes Open Data-Gesetz lösen.
- Wir sehen, dass Informationsfreiheit und Open Government Data sich gegenseitig ergänzen und aufeinander aufbauen können. Insbesondere der Übergang von Informationsfreiheit als einem “Pull”-Recht des Bürgers kann mit Open Government Data zu einer “Push”-Verpflichtung der Öffentlichen Verwaltung weiterentwickelt werden.
- Open Government Data kann nach seiner Freigabe in kollaborativen Umgebungen genutzt werden, dazu gehören auch Projekte wie Wikipedia. Seit 2005 haben wir dabei sehr positive Erfahrungen gemacht
Das Erdöl der Wissensgesellschaft
Die technologische Entwicklung bei der Speicherkapazität, der Rechenleistung und der Bandbreite entwickelt sich seit Jahrzehnten erstaunlich vorhersehbar. Es existieren weiter die technologischen Grundlagen für die Fortführung dieses Trends in der kommenden Dekade: Die Möglichkeit, große Datenmengen zu speichern, verarbeiten und visuell ansprechend umzusetzen, reizt üblicherweise heute nicht einmal mehr einen handelsüblichen Computer aus.
Viel weniger vorhersehbar sind die sozialen Implikationen dieser Möglichkeiten. Sie sind aber auch deshalb weniger vorhersehbar, weil wir sie alle mitgestalten können.
Open Government Data ist die geradezu zwingende Konsequenz aus gegen Null tendierenden Grenzkosten für die Verfügbarmachung von Informationen, Daten und Dokumenten, deren Erstellung und Pflege bereits schon einmal durch die Öffentlichkeit finanziert wurde. Open Government Data entspringt einem Staatsverständnis, an den Geschicken eines Landes mitzuwirken und sich auf der Grundlage von Wissen in das Gemeinwesen einbringen zu wollen.
Wikimedia Deutschland unterstützt Open Government Data.
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Welche Art von Daten werden nachgefragt? Welche Nachfrage nach zukünftigen Open Data Projekten sehen Sie?
Sofern wir die aktuelle Situation überblicken können, verteilen sich die angeforderten Daten über die komplette Palette der innerhalb der öffentlichen Verwaltung erstellten Daten. Ein sehr deutlich wahrnehmbarer Schwerpunkt bei den Nachfragen dreht sich um den Bereich von Daten aus Geoinformationssystemen. Ein zweiter Schwerpunkt sind Daten aus dem Bereich der behördlichen Statistik, hier kann es auch daran liegen, dass die Verfügbarkeit dieser Daten in Nuancen besser ist als bei anderen Behörden und darum Angebot und Nachfrage sich gegenseitig befruchten.
Einige Effekte erscheinen geeignet, um die Datenlage so schlecht werden zu lassen, dass eine konkrete Aussage über die “eigentliche” Nachfragesituation uns unseriös erscheint:
- Unklarheit darüber, welche Daten (ob nun frei oder unfrei lizenziert und verfügbar) existieren. Wer nicht weiß, welche Daten existieren, wird sie nicht nachfragen.
- Prohibitive Bedingungen bei der Verfügbarmachung
Wer bereits negative Erfahrungen mit dem Zugriff auf existierende – unfreie – Daten gemacht hat, beispielsweise Deutscher Wetterdienst – wird sie erst recht nicht als Open Government Data anfragen
- Ausweichen auf freie Angebote anderer Länder
Wer jahrelang nicht an die bibliographischen Daten der Deutschen Nationalbibliothek kam, wird einen Ausweg in den Datensätzen von anderen Nationalbibliotheken suchen und dort finden
- Definitorische Unschärfen, wo Open (Goverment) Data endet
Wikimedia Deutschland hat einen sehr weitgefassten Begriff von Open Government Data, der auch Fliesstext und Bilder aus staatlichen Archiven oder auch die Mitschnitte der Plenardebatten des Deutschen Bundestages umfasst.
Datenquellen für die Erfassung bestehenden Bedarfs an Open Governemen Data ist die tatsächliche Nutzung dieser Daten in Staaten, die bereits intensiv Open Data in Portalen bereitstellen, allen voran https://explore.data.gov/catalog/raw/. Dort erfasste Metriken wie Aufrufe, Bewertungen, Kommentierungen erlauben einen Überblick über die Beliebtheit *verfügbarer* Datensätze, aber keine Aussagen über die Natur nachgefragter Datensätze.
Für die Zukunft hoffen wir auf einen Mentalitätswandel, die selektive Freigabe einzelner Datensätze umzukehren in die pauschale Freigabe aller Daten, wenn nicht zwingende Ausschlussgründe (siehe Frage 2) vorliegen und auch keine Abhilfe durch Beschneidung der Inhalte möglich ist.
2008 unterzeichneten Wikimedia Deutschland und das Deutsche Bundesarchiv eine Kooperation über die Bereitstellung von knapp 100.000 Bildern aus den Beständen des Bildarchivs des Bundesarchivs unter dem Lizenzmodell Creative Commons cc-by-sa, sowie über die Anreicherung von Metadaten des Bundesarchivs mit Hilfe von Freiwilligen bei Wikimedia-Projekten. Im Laufe der folgenden 6 Monate wurden entsprechende Anreicherungen in einer Qualität und Schnelligkeit durchgeführt, die von allen Seiten als erstklassig beschrieben wurde und die für das Bundesarchiv auf dem kommerziellen Markt nur mit erheblichen finanziellen Anstrengungen eingeholt hätte eingeholt werden können. Anreiz für die Freiwilligen, bei dieser Metadatenpflege mitzuarbeiten war die Aussicht auf die Anreicherung von Wikipedia mit hochwertigen Bildern v.a. aus der deutschen Geschichte.
Wir leiten aus den Erfahrungen mit dem Bundesarchiv, der Arbeit mit den Metadaten aus der Deutschen Nationalbibliothek und den Erfahrungen von Projekten wie OpenStreetMap eine hohe Bereitschaft von engagierten Bürgerinnen und Bürgern ab, ihre Zeit und Expertise in die Pflege von öffentlich zugänglichen Datenbanken einzubringen, wenn man sie nur lässt und ihnen die dafür nötigen Werkzeuge gibt.
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Wie stellen Sie sicher, dass es durch die Veröffentlichung von Open Data nicht zu Verletzungen von Rechten Dritter kommt (z. B. Datenschutz, Betriebsgeheimnisse, Geheimschutz etc.)
Die Verpflichtung, dies sicherzustellen, hat die herausgebende Stelle und sie beginnt bereits bei der Erhebung, nicht erst bei der Freigabe nach Open Data-Prinzipien. Durch eine Freigabe als Open Data entstehen keine Fragen zur Situation Dritter, die nicht auch schon bei einer normalen Nutzung oder Veröffentlichung ohne freie Lizenzierung anfallen, von urheberrechtlichen Fragen abgesehen.
Ein konkretes Beispiel sind die Veröffentlichungen des Kraftfahrtbundesamtes (z.B. die Zulassungsstatistiken einzelner Fahrzeugmarken in Deutschland#), die bisher über den “KBA Shop” erfolgen und für die es in einem gewissen Umfang ein gewerbliches Interesse gibt. Die dort verkauften Daten sind mehr oder weniger maschinenlesbar, erfüllen aber nicht die Kriterien von Open Government Data. Das KBA wird bereits jetzt Datenschutz berücksichtigen müssen, eine Veröffentlichung der gleichen Daten als Open Government Data ändert an den Anforderungen nichts.
Ein Unterschied könnte in der Klärungsbedürftigkeit von Nutzungsrechten liegen, wenn geschützte Werke von Dritten Teil des freizugebenden Pakets sind, auch hier gilt aber, dass so etwas ja schon für die Nutzung und Veröffentlichung ohne freie Lizenzierung
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Die EU KOM hat das EU-weite wirtschaftliche Potential von Open Data mit 140 Mrd. Euro beziffert – wo sehen Sie hier die deutsche Wirtschaft? Was muss von deutscher Seite getan werden, um den Prozess zu forcieren und erfolgreich zu sein?
Die für uns relevanten Größen sind gesellschaftlicher, wissenschaftlicher, kultureller oder sozialer Mehrwert.
Open Government Data bedeutet Teilhabe am öffentlichen Geschehen in vielen Facetten. Eine mögliche und für viele naheliegende Art kann dabei die Entwicklung von Geschäftsmodellen sein, diese Daten in einer bestimmten Form oder kombiniert mit anderen Werken als Dienstleistung oder Produkt anzubieten.
Im Rahmen des Apps4Deutschland-Wettbewerbs nahm auch die Anwendung “LISA#” teil, bei der die Attraktivität von Orten einer Stadt nach vom Nutzer eingegebenen Kriterien (Nähe zu Schulen, Apotheken, Restaurants, Verkehrsdichte, Altersschnitt) auf einer Kartenansicht farblich hinterlegt wird. Die Verfügbarkeit von vielen – von der jeweiligen kommunalen Verwaltung vorgehaltenen Daten ermöglicht hier eine Reihe von Anwendungen, die aber in den wenigsten Fällen eigenständig sein werden. Die wenigsten Nutzer werden aktiv LISA ansteuern, sie werden aber in vielen Situationen die darin vorgehaltenen Funktionen an den Stellen nutzen wollen, wo es um konkrete – auch kommerzielle – Anwendungen geht, angefangen von Immobiliensuchportalen, die ihren Kunden damit neue Facettierungen bei der Suche nach für sie geeignetem Wohnraum mit passender Infrastruktur anbieten können. Die gleichen Daten sind aber auch bei der Verbesserung der Planung für die Entwicklung von Stadtteilen hilfreich; etwas, das natürlich schon jetzt innerhalb der Verwaltung geschieht. Wir hoffen hier auf einen starken, produktiven und innovativen Austausch von Verwaltung, engagierten Bürgern, Nichtregierungsorganisationen und Firmen.
Wer die Entwicklung von Anwendungen sowohl im kommerziellen wie nichtkommerziellen Umfeld fördern will und gleichzeitig zulassen möchte, dass ein Austausch zwischen beiden Modellen möglich wird, sollte von der Vorstellung Abstand nehmen, Gebühren für die Bereitstellung von Verwaltungsdaten zu erheben. Jedes Gebührenmodell verhindert üblicherweise nachhaltig den Eintritt kleinerer Teilnehmer in den Markt oder das simple Experimentieren ohne Gewinnerzielungsabsicht und konkretes Entwicklungsziel.
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Auf welche Schwierigkeiten und Widerstände stoßen Sie bei der Öffnung von Daten aus Verwaltungen und wie könnte diesen begegnet werden?
Wikimedia Deutschland kooperiert seit 2005 mit einzelnen staatlichen Einrichtungen mit dem Ziel, Inhalte öffentlicher Einrichtungen für jedermann verfügbar zu machen. Unser Schwerpunkt sind dabei Daten und Werke von Bibliotheken und Archiven. In dieser Zeit haben wir einige Schwierigkeiten und Widerstände beobachten können sowie Möglichkeiten, diesen Widerständen zu begegnen.
Ausdrücklich keine Schwierigkeit ist dabei die gegenwärtige rechtliche Lage: Eine Öffentliche Einrichtung, die Inhalte freigeben möchte, kann dies derzeit schon tun, wenn der dazugehörige Wille auf der Führungsebene vorhanden ist.
In der Tendenz sieht die Situation 2012 deutlich besser aus als noch vor ein paar Jahren, die Menge an Positivbeispielen für erfolgreiche Freigaben steigt, in der Verwaltung wächst die Bereitschaft, mit gemeinnützigen Vereinen wie Wikimedia und Privatpersonen über Freigaben zu reden, teilweise erfolgen auch Freigaben von Datensätzen aus dem eigenen Antrieb heraus. Eine komplette Verweigerung vor der Öffnung von Daten aus Verwaltungen ist inzwischen eher die Ausnahme, Uneinigkeit und mitunter auch Frust existieren eher auf der praktischen Ebene und unterschiedlichen Vorstellungen zum Tempo und Umfang von Freigaben. Dies ist auch das Resultat des Fehlens eines Masterplans zu Open Government Data, der für alle Bereiche der Verwaltung Grundsatzentscheidungen über die Öffnung abnehmen könnte.
Seit 2005 kooperiert Wikimedia Deutschland mit der Deutschen Nationalbibliothek im Bereich von Normdaten. Diese Kooperation begann mit der gegenseitigen Verlinkung von Wikipedia-Artikeln mit Kataloginformationen der Nationalbibliothek. In den letzten Jahren haben wir uns intensiv bemüht, dass die Nationalbibliothek diese Normdaten und auch die bibliographischen Daten (für deren Erstellung sie durch das Gesetz über die Deutsche Nationalbibliothek vom Bundestag mandatiert wurde) unter einer freien Lizenz veröffentlicht werden. Heute, 2012, sind bereits größere Teile dieser Normdaten unter einem sehr liberalen Lizenzmodell freigegeben, es existiert eine Roadmap zur weiteren Freigabe von bibliographischen Daten ebenfalls unter einer freien Lizenz.
Für lange Zeit waren die Haupteinwände der drohende Wegfall von Einnahmen aus dem Verkauf dieser Daten an Nachnutzer und die Angst vor einer Fragmentierung der Datensätze. Hinsichtlich der Kostenstruktur gibt es verschiedene Schätzungen, sie alle bestätigen aber, dass die Hauptabnehmer der bibliographischen Daten der Nationalbibliothek andere Bibliotheken in Deutschland in öffentlicher Hand sind. Es handelt sich hier also nicht um ein Nullsummenspiel, sondern um ein Verlustgeschäft, wenn sich öffentliche Bibliotheken für Daten, die bereits von Gesetz wegen erzeugt werden mussten, gegenseitig Rechnungen schreiben, den Zugang zu diesen Daten dritten erschweren (d.h. hinter eine Paywall legen). Das Argument der Fragmentierung ist nach unserer Erfahrung eher theoretischer Natur, da die Lizenz der Daten nichts mit der Entscheidung zur Vergabe von Schreibrechten in die Redaktionssysteme der Bibliothekskataloge zu tun hat.
Keine Schwierigkeit, sondern ein Phänomen bei der Freigabeentscheidung, ist das Zögern einzelner Verwaltungen aus Angst “Erster” zu sein. Nachdem im Bereich der Bibliotheken eine Freigabe von Bibliothekskatalogdaten unter dem Lizenzwaivermodell Creative Commons Zero erfolgte (hbz in Nordrhein-Westfalen), kam es in der deutschen Bibliothekslandschaft zu einer Art Dominoeffekt bei der Freigabe weiterer Katalogdaten in Deutschland und ganz Europa. Dieses Phänomen der “Angst, der Erste zu sein” scheint nicht auf den Bibliotheksbereich beschränkt zu sein.
Der Freigabe von Inhalten aus der Verwaltung hinderlich ist mitunter die Fehleinschätzung des rechtlichen Status von Inhalten, beispielsweise Abbildungen von gemeinfreien zweidimensionalen Werken, z.B. aus Archiven, Bibliotheken und Museen. Hier wird fälschlicherweise ein neuerlicher urheberrechtlicher Schutz auf diesen Abbildungen vermutet und ein Freigabehindernis angenommen, wo keines existiert. Die Fachliteratur diskutiert dies unter dem Begriff “copyfraud”.
Es gibt keine Einrichtung, die zertifiziert, ob ein Lizenzmodell “open” ist, die fehlende Sanktionierbarkeit von Etikettenschwindel hat in diesem Bereich dazu geführt, dass mitunter Lizenzmodelle als “open” bezeichnet werden, die die Anforderungen an freie Nachnutzbarkeit durch Dritte nicht erfüllen. Beliebte Stellschrauben in den Lizenzen sind das Verbot kommerzieller Nachnutzungen sowie ein Veränderungsverbot. Beide Verbotsarten schrecken Nachnutzer ab, schaffen rechtliche Unsicherheit und verhindern die Integration oder Vermashung mit anderen Daten. Bei allem Lob für das Projekt “Offene Daten Berlin” ist einer der Schwachpunkte genau die Unschärfe im Hinblick auf “Open”, da viele Datensätze im Katalog von Offene Daten Berlin eben nicht offen sind und eine Nachnutzung durch Dritte nicht erlaubt ist#.
Wir erleben auch, dass bei vielen neuen und innovativen Projekten aus dem Öffentlichen Bereich “Open Government Data” nicht von Anfang an mitgedacht wird, was dann, nachträgliche Anpassungen erfordert und im Zweifel dann auch für Kosten sorgt, die bei frühzeitiger Planung vermeidbar gewesen wären.
Ein Beispiel für die Schwierigkeiten von Open Government Data im Bereich der öffentlich geförderten Kultureinrichtungen ist der deutsche Beitrag zum Europäischen Kulturportal Europeana, die “Deutsche Digitale Bibliothek” (DDB). Trotz zahlreicher angebrachter Bedenken wird es nach unserem gegenwärtigen Kenntnisstand keine umfassende Festlegung auf die freie Lizenzierung der Metadaten der dort eingestellten kulturellen Objekte geben, sondern eine abgestufte Form der Wahlfreiheit für die einzelnen beteiligten Einrichtungen. In der Summe wird daher das Gesamtwerk der Datensätze der Deutschen Digitalen Bibliothek nicht nach den Prinzipien Freier Lizenzen veröffentlichbar sein, ganz zu schweigen von den eigentlichen Digitalisaten. Diese Situation wird zwei Effekte haben: Die Handlungsfähigkeit und Attraktivität der DDB sinkt mit zunehmender Fragmentierung der Nutzungsrechte, gleichzeitig sinkt die Bereitschaft von Dritten, sich in einem Portal einzubringen, das sie selbst nicht uneingeschränkt nachnutzen können.
Wir nehmen wahr, dass es derzeit eine Art von “Open Government Data”-Paradoxon gibt: Jene Daten, die den höchsten Gebrauchwert haben und für den es klar artikulierten Bedarf gibt, sind tendenziell am wenigsten zugänglich, weil sie frühzeitig digitalisiert, maschinenlesbar und dann fest verschlossen hinter Bezahlfunktionen und Datenshops abgelegt wurden. Beispiele für diese Art von Daten sind Luftbilder und andere Geodaten aus Landesvermessungs- sowie viele Daten von Statistikämtern. Auch hier gibt es Lichtblicke, oft auf Initiative von Projekten wie Open Streetmap hin, die aber an der derzeitigen Nichtverfügbarkeit von diesen Inhalten als Open Government Data nichts ändern. Wir empfehlen hier die Freigabe z.B. von hochauflösenden digitalen Orthophotos (DOP-C) unter einer Freien Lizenz.
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Angesichts der Erfahrungen aus den Entwicklungen und dem kürzlich erfolgten Launch von data.gv.at auf der Grundlage von „Cooperation Open Government Data Österreich“ entwickelten technischen Standards und Open Source Anwendungen stellt sich insbesondere folgende Frage:
Wie will die Bundesregierung zeitnah technische Standards als Grundlage für Metadatenkataloge entwickeln und dadurch ein Scheitern allein aufgrund überholender Entwicklungen technischer Standards durch die Wirtschaft, einzelne Länder und Kommunen vermeiden?
Diese Frage können wir nur indirekt beantworten und als Empfehlung an die Bundesregierung richten:
Die Gefahr, dass Standards überholt werden, ist ständig gegeben und sollte natürlich grundsätzlich berücksichtigt werden. Allerdings warnen wir davor, diesem Problem mehr Gewicht als nötig zuzusprechen. Wenn Daten in einem obsoleten, aber maschinenlesbaren Format gespeichert werden und gleichzeitig Dritten die freie Nachnutzbarkeit eingeräumt wird, lassen sich diese Probleme zumindest auf individueller Basis umgehen. Im Zweifel wird ein Nachnutzer eh Konvertierungsarbeit leisten müssen.
Open Data-Befürworter bitten inzwischen darum, fehlende Maschinenlesbarkeit oder ein obsoletes Datenformat nicht mehr als Begründung dafür zu nehmen, Daten nicht zu veröffentlichen.
So technisch problembeladen Microsoft Excel-Tabellen als Austauschformat sind, ist die Freigabe von Daten als Excel-Tabelle der Nichtfreigabe vorzuziehen.
Die Frage erwähnt das Wort “Scheitern”, wir weisen an dieser Stelle daraufhin, dass die Nichtfreigabe unter einer Freien Lizenz ein größeres Scheitern darstellt.
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Der vom Institut für Gesetzesfolgenabschätzung und Evaluation vorgelegte Evaluierungsbericht stellt fest, dass das Informationsfreiheitsgesetz (§ 11 IFG) im Hinblick auf die proaktive Informationspflicht der Behörden im Vergleich hinter anderen Ländern zurückbleibt. Dadurch würden die Möglichkeiten einer proaktiven Informationstätigkeit als Präventionsmechanismus für Konflikte im Einzelfall nicht hinreichend genützt (s. S. 450 des Berichts).
Welche Entwicklungsmöglichkeiten sehen die Sachverständigen / sieht die Bundesregierung im Hinblick auf Open Data durch eine Reform des IFG, insbesondere im Hinblick auf die zum Beispiel von den EU-Organen verpflichtend zu führenden öffentlichen Dokumentenregister und welche rechtlichen Vorgaben (beispielsweise im IFG) zur Ermöglichung von Open Data sehen Sie als notwendig an?
Das Informationsfreiheitsgesetz des Bundes (und die einzelnen Länder-IFGs) regeln den Zugang zu Informationen, nicht das Recht auf Nachnutzung. Selbst wenn ein Datensatz mittels IFG-Anfrage übermittelt wurde, ist damit nicht das Recht auf Nachnutzung für den Anfragenden gesichert.
Das – von vielen Menschen übersehene – Informationsweiterverwendungsgesetz (IWG) hat sich hier als für den Bereich Open Data untaugliches Instrument erwiesen, da es nur die Gleichbehandlung von Anfragenden zur Einräumung von Weiternutzungsrechten sicherstellen soll und nicht den Anspruch auf Einräumung von Nutzungsrechten nach Open Data-Prinzipien begründet.
Wir empfehlen:
- die Ausweitung des Katalogs jener Daten, die durch das IFG von Behörden grundsätzlich offen zugänglich proaktiv bereitgestellt werden müssen
- die Klarstellung zur Nachnutzbarkeit von durch das IFG bereitgestellten Informationen oder alternativ die Ausweitung des §5 Abs. 2 Urheberrechtsgesetz zur Gemeinfreiheit von Werken der öffentlichen Verwaltung
- die Prüfung von Mechanismen, die die Veröffentlichung von einmal abgefragten Informationen über das IFG sicherstellen, analog die Berücksichtigung von privaten Projekten wie fragdenstaat.de im IFG
Glossar:
“Open Data”: Datensätze, bei denen die Inhaber von Urheber-, Nutzungs- und Leistungsschutzrechten durch die Verwendung von geeigneten Lizenzen sichergestellt haben, dass diese Datensätze von jedermann für beliebige Zwecke frei genutzt werden können. Darüber hinaus gibt es Prinzipien über die Art der Verfügbarmachung und die Verwendung geeigneter Dateiformate, die diese Nachnutzbarkeit möglichst einfach gestalten. → Sebastopol Principles
“Open Government Data”: Datensätze aus der Öffentlichen Verwaltung, bei denen die Inhaber von Urheber-, Nutzungs- und/oder Leistungsschutzrechten durch die Verwendung von geeigneten Lizenzen sichergestellt haben, dass diese Datensätze von jedermann für beliebige Zwecke frei genutzt werden können.
Sebastopol Principles: (“Open Government Data Principles”), ein 2007 in Sebastopol entwickelter Konsens über notwendige Voraussetzungen für “Open Government Data”, hoher Überschneidungsgrad zu diversen anderen Kriterienkatalogen über “Open Data”/”Open Government Data” https://public.resource.org/8_principles.html
Creative Commons Zero: (CC0). Der Lizenzbaukasten von Creative Commons bezog sich ursprünglich primär auf die Einräumung von Nutzungsrechten von urheberrechtlich geschützten Werken. Diese Lizenzen lassen sich auch auf Datenbanken anwenden, jedoch ist mit der derzeit noch aktuellen Version 3.0 nur der allgemeine Verzicht auf verwandte Schutzrechte enthalten. Creative Commons Zero emuliert die Gemeinfreiheit von urheberrechtlich geschützten Werken und Datenbanken und regelt den dauerhaften Verzicht auf die Wahrnehmung von Nutzungs- und Leistungsschutzrechten und ist besonders für die Freigabe von Datenbanken geeignet.
Weiterführende Literatur
Dr. Denny Vrandečić / Lydia Pintscher: “Wikidata – a game-changer for Wikipedia and beyond” http://wikipedia-academy.de/2012/w/images/6/67/11_Paper_Denny_Vrandecic_Lydia_Pintscher%28abstract%29.pdf
Dr. Till Kreutzer: Open Data – Freigabe von Daten aus Bibliothekskatalogen http://irights.info/userfiles/open-data-leitfaden.pdf
Mein Kommentar:
“Nachnutzung durch Dritte” Bei den Bildarchiven hat sich gezeigt, dass eine eingeschränkte Nachnutzung erhebliche Kosten verursachen kann, um diese Einschränkungen zu gewährleisten. (Bilder werden bei ebay verkauft, obwohl nicht erlaubt) Anderseits zeigen die ebay-Verkäufe von Wikipedia-Kompilationen zu “Apothekerpreisen”, dass auch eine ganz freie Lizenz nicht problemlos ist.
“Kataloginformationen der Nationalbibliothek” Der Punkt der mir hier wichtig erscheint ist, dass das Öffnen von Daten zur Überprüfung deren Qualität führt und nicht selten (war bei den Bildarchiven auch so) zu Mehrarbeit und damit auch Mehrkosten führt. Denkbar wäre es, dass irgendwann diese kooperative Arbeit an den Daten zu einer Ausgründung führt, um so die Kosten neu zu verteilen.
Ein mir wichtiger weiterer Punkt wäre ein offizieller Ansprechpartner für Nutzer und Anbieter von Daten, der know-how bündeln könnte.
MfG Goldzahn
“Die für uns relevanten Größen sind gesellschaftlicher, wissenschaftlicher, kultureller oder sozialer Mehrwert” – danke, dass das mal so schön auf den Punkt gebracht wird. Das ewige “Argumentieren” mit immer sinnloseren Milliardenbeträgen kann auf Dauer kaum zielführend sein.