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Messenger sind aus unserem Alltag nicht mehr wegzudenken. Doch viele der gängigen Dienste sammeln mehr Daten, als uns lieb ist. Kein Wunder also, dass das Interesse an offenen, datenschutzfreundlichen Alternativen wächst. Freie Software bietet hier spannende Ansätze: transparente Entwicklung, offene Standards und die Möglichkeit, selbst zu entscheiden, wo und wie wir kommunizieren.

Wir stellen uns heute also folgende Frage: Welche datenschutzfreundlichen, kostenlosen Messenger-Alternativen gibt es?

Darüber sprechen wir mit Silvan Heintze, Senior Software Engineer bei Wikimedia Deutschland und langjähriger Verfechter unabhängiger Kommunikation.

Begriffe, die Sie für das Interview kennen sollten:

Wikibase

Wikibase ist eine frei verfügbare Open-Source-Software, die die technische Grundlage der offenen Wissensdatenbank Wikidata bildet. Sie ermöglicht es, strukturierte Daten zu speichern, zu verwalten und abzurufen – etwa für eigene Wissensdatenbanken oder Archive. So lassen sich offene, vernetzte Datensammlungen leicht aufbauen und pflegen – sowohl von Organisationen als auch einzelnen Menschen.

Reuse

Data Reuse bezeichnet die Wiederverwendung vorhandener Daten für neue Zwecke, zum Beispiel in der Forschung, wenn bestehende Datensätze für andere Fragestellungen genutzt werden. In Projekten wie Wikibase oder Wikidata bedeutet das, dass Daten frei weiterverwendet und in anderen digitalen Anwendungen integriert werden können.

Linked Open Data

Das sind frei verfügbare, miteinander verknüpfte Datensätze im Internet, die es ermöglichen, Informationen aus verschiedenen Quellen zu verbinden und so Wissen besser auffindbar und nutzbar zu machen.

Messenger-Client

Das ist eine App, mit der in Echtzeit Nachrichten, Bilder oder auch Sprachnachrichten verschickt werden können. Die Anwendung verbindet sich dafür mit einem Server, der die Nachrichten zwischen den Geräten austauscht. Viele Messenger bieten zusätzlich Funktionen wie Datei­versand oder Kontaktverwaltung. Bekannte Beispiele sind WhatsApp, Signal oder der Facebook Messenger – egal ob auf dem Smartphone oder am Computer.

Hi Silvan, was genau machst du bei Wikimedia Deutschland?

Hallo, ich bin Senior Software Engineer bei Wikimedia Deutschland und arbeite im Wikibase Reuse Team. Wir sorgen dafür, dass Menschen, die die verknüpften offenen Daten aus Wikimedia-Projekten nutzen möchten, über eine unserer verschiedenen Zugriffsmethoden das finden, was sie suchen. Genutzt wird das z. B. von vielen Software-Entwickler*innen, die Wikidata-Zugriffe in ihre Anwendungen und Tools einbauen, aber auch von Forschenden und Unternehmen, die das Potential von verknüpften offenen Daten (Linked Open Data) entdeckt haben.

Was genau ist eine Messenger-App und was unterscheidet sie von einer E-Mail?

Das Wesentliche an einem Messenger-Dienst ist, dass eine Nachricht sofort versendet wird. In dem Moment, in dem jemand auf seinem Gerät auf „Senden“ tippt, erscheint auf einem anderen Gerät eine Benachrichtigung – fast in Echtzeit. Deshalb spricht man auch von Instant Messages (Sofortnachrichten). E-Mails werden hingegen von den meisten Menschen nur ein- oder zweimal am Tag abgerufen. E-Mails sind wie ein Briefwechsel – Instant Messages sind Dialoge.

Dieser Unterschied wurde besonders wichtig, als Menschen begannen, ihre mobilen Geräte immer bei sich zu haben – also in der Tasche, jederzeit griffbereit. Bevor es Smartphones gab, nutzten vor allem Menschen, die viel Zeit am Computer verbrachten, sogenannte Instant Messenger wie IRC (ein früher Chatdienst aus den 1990ern, in dem man in Chat-Räumen live miteinander schreiben konnte) oder ICQ (eine der ersten weit verbreiteten Chat-Plattformen mit Sofortnachrichten).

Heute sind Messenger-Apps die Nachfolger der SMS – aber sie können deutlich mehr: Man kann Bilder, Videos, Sprachnachrichten oder Emojis verschicken, Gruppenchats starten und sogar telefonieren, alles kostenlos und übers Internet. Sie sind genauso unmittelbar wie ein Telefonanruf, aber weniger aufdringlich.

Warum Messanger so wichtig sind? Ich denke, weil Menschen soziale Wesen sind. Wir machen gerne Dinge gemeinsam und möchten anderen von unserem Leben erzählen. Und natürlich, weil es einfach praktisch ist: „Kind, denkst du an den Zahnarzttermin heute um 16 Uhr?“ – „Oh, danke Papa, den hatte ich total vergessen.“
Silvan Heintze Senior Software Engineer bei Wikimedia Deutschland

Warum interessierst du dich für sichere Messenger?

Ich hasse es, an Softwareanbieter gebunden zu sein. Und ich möchte selbst kontrollieren können, welche Programme auf meinem Handy laufen – schließlich speichert es unglaublich viele sensible Informationen über mein Leben: Wann ich aufstehe, wann ich schlafen gehe, was ich lese, höre oder anschaue, wo ich mich aufhalte und mit wem ich Zeit verbringe. Deshalb ziehe ich es vor, auf meinem Mobilgerät nur freie Software zu verwenden.

Ich mache mir persönlich keine Sorgen, dass eine staatliche Behörde die privaten Nachrichten lesen könnte, die ich an meine Kinder oder meine Partnerin sende. Aber wenn jemand einen anhand seiner Daten beobachten möchte: Selbst ohne die Inhalte direkt sehen zu können, erzählen die Metadaten – also wer wann mit wem schreibt – schon sehr viel über eine Person und ihr Umfeld.

Was sind die Nachteile der Nutzung von WhatsApp, Messenger oder Telegram?

Der wichtigste Punkt für mich ist, dass diese Dienste nicht quelloffen sind – also Closed Source. Man kann also nicht überprüfen, was die Software tatsächlich mit den eigenen Daten macht. Außerdem habe ich WhatsApp nie verziehen, dass sie mein geliebtes XMPP-Protokoll für sich genutzt und dann mit Anpassungen in ihr System eingesperrt haben, sodass WhatsApp-Nutzer*innen nur mit anderen WhatsApp-Nutzer*innen kommunizieren können. Das ursprüngliche XMPP-Netzwerk besteht zum Glück eigenständig bis heute.

Ein weiteres Problem ist, dass fast alle diese Apps die Telefonnummer als persönliche Kennung verwenden. Versuchen Sie einmal, eine solche App auf einem Gerät ohne SIM-Karte oder auf dem Tablet Ihrer Familie zu starten – das funktioniert in der Regel nicht. Telefonnummern sind gegenüber E-Mailadressen oder Benutzernamen extrem langlebig: Ich habe meine jetzt seit 25 Jahren. Das bedeutet, sie wird zu einer Art dauerhafter ID, über die sich Unterhaltungen eindeutig zuordnen lassen. Und meistens muss man sie preisgeben, um überhaupt mit anderen Menschen in Kontakt treten zu können.

WhatsApp-Chat
Die Daten auf unseren mobilen Geräten sagen viel über unser Verhalten und unser Umfeld aus. Bei einigen Anbietern ist das Sammeln dieser Daten fester Bestandteil ihres Geschäftsmodells.

Warum dominieren Meta und andere große Anbieter den Markt so stark?

Das liegt am Netzwerkeffekt. Jeder möchte dort sein, wo alle anderen sind – also nutzt man am Ende immer die Apps, die im eigenen Umfeld am weitesten verbreitet sind. Die App-Anbieter wissen das natürlich und nutzen diesen Effekt für sich: Sie verlangen Zugriff auf das Telefonbuch und informieren automatisch alle unsere Kontakte, dass wir jetzt auch „xyz“ verwenden. Ich fand diese Funktion schon immer furchtbar – und oft ist die Nachricht schon raus, bevor man überhaupt herausgefunden hat, wie man sie abschalten kann.

Welche kostenlosen Messenger-Alternativen würdest du empfehlen?

Seien wir realistisch: Nicht jede*r wird sich sofort für freie Messenger interessieren oder begeistern lassen – das mal vorweg. Aber wer offen für Alternativen ist, kann heute aus einigen spannenden Optionen wählen.

Ich würde grundsätzlich keine Closed-Source-Apps für Mobilgeräte empfehlen, was schon einige Dienste ausschließt. Auch bei Signal zögere ich: Der Entwickler Moxie Marlinspike hat sich geweigert (und weigert sich meines Wissens nach immer noch), anderen zu erlauben, die App selbst zu bauen oder zu vertreiben. Er mag seine Gründe haben – aber im Sinne freier und quelloffener Software möchte ich keine zentralisierten Systeme unterstützen, die Kontrolle bündeln und andere ausschließen. Es gibt inzwischen alternative Clients, die innerhalb des Signal-Netzwerks funktionieren, aber niemand kann garantieren, dass sie nicht morgen wieder blockiert bzw. ausgeschlossen werden.

Dezentrale oder föderierte Messenger-Systeme sind ein Schritt in die richtige Richtung, aber auch sie haben ihre Tücken. Wenn Sie Ihrem App-Anbieter nicht vertrauen, ist das verständlich – nur bedeutet ein föderiertes System eben, dass Sie stattdessen vielen kleineren Serverbetreibenden vertrauen müssen. Ihre Nachrichten, Fotos und Emoji-Reaktionen werden über verschiedene Server hinweg ausgetauscht, damit Sie auch mit Freundinnen und Freunden kommunizieren können, die bei anderen Anbietern sind. Das macht das System offener, aber auch komplexer.

Soweit ich weiß, gibt es zwei relevante dezentrale Systeme: das gute alte XMPP-Netzwerk, das immer noch als eigenständige Version existiert. Mit Client-Apps wie Conversations ist es mittlerweile auch auf Smartphones sehr gut nutzbar. Und das Matrix-Netzwerk mit dem Element-Client, das in den letzten Jahren viel Aufmerksamkeit und finanzielle Unterstützung erhalten hat. Beide Systeme sind, wie viele Softwareprojekte, noch in aktiver Entwicklung – trotzdem kann man sie schon gut nutzen, wenn man auf freie, offene und föderierte Messenger setzen möchte.

Netzwerk und die Serverstruktur von XMPP
Weltweites Netzwerk und die Serverstruktur von XMPP.

Was sind die größten Vorteile dieser Alternativen?

Nehmen wir einmal den Matrix-Chat. Dabei handelt es sich um ein verteiltes Netzwerk von Messaging-Servern, die untereinander Nachrichten austauschen können. So entgeht man einer Machtkonzentration und man muss sich nicht per Telefonnummer identifizieren! Man kann sich bei einem bestehenden Server wie matrix.org anmelden oder sogar einen Server auswählen, der von einem vertrauenswürdigen, freiwilligen Administrator für eine ihrer Communitys betrieben wird. Wer mutig ist, kann sogar seinen eigenen Server betreiben.

Ein klarer Vorteil ist, dass Sie nicht auf ein Mobiltelefon angewiesen sind – Matrix-Konten lassen sich wie E-Mail-Adressen erstellen und wieder löschen. Außerdem können Sie frei wählen, welche Client-App Sie auf Ihrem Telefon nutzen möchten. Zwar ist die Auswahl nicht riesig, aber es gibt genug Möglichkeiten, um die passende App auszuprobieren – oder den Entwickler*innen Verbesserungsvorschläge zu schicken, falls Ihnen eine Funktion fehlt.

Rein funktional lässt sich nicht begründen, dass freie und quelloffene Alternativen grundsätzlich „besser“ wären als die kommerziellen Dienste auf dem Markt. Professionell verwaltete kommerzielle Dienste sind oft zuverlässiger als der Heimserver eines einzelnen Administrators. Die Verschlüsselung von WhatsApp ist ziemlich solide, und in Sachen Benutzerfreundlichkeit sind die iPhone-Apps wahrscheinlich unschlagbar.

Für mich persönlich zählt aber der gemeinnützige Aspekt freier und quelloffener Software. Es beruhigt mich, dass der Anbieter nicht versuchen wird, Aspekte meines digitalen Lebens auszunutzen, von denen ich nicht einmal wusste, dass sie zu Geld gemacht werden können. Und wenn ich sogar meinen eigenen Matrix-Server betreibe, fühle ich mich wirklich sicher genug, um sogar meine Kinder den Dienst nutzen und Bilder an ihre Großmutter schicken zu lassen.

Wie einfach ist die Anmeldung – und wo findet man sie?

Eigentlich ist es gar nicht so kompliziert. Man kann einfach auf matrix.org gehen, dort gibt es den Button „Try Matrix“, über den man ganz einfach ein Konto anlegen kann. Danach lädt man sich die App auf sein Smartphone und beginnt mit jemandem zu chatten, der das gleiche getan hat.

Allerdings widerspricht es der Idee eines verteilten Netzwerks, einen einzigen zentralen Punkt wie matrix.org zu haben. Aus diesem Grund bietet Matrix auf der Website auch eine Liste mit alternativen Hosting-Diensten an. xmpp.net hat übrigens ähnliche Listen mit Client-Apps und Dienstanbietern.

Hast du noch einen besonderen Tipp für Anfänger, um den Umstieg zu erleichtern?

Ich glaube am einfachsten ist die Nutzung eines neuen Messengers, wenn man von Anfang an eine Gruppe von Menschen hat, die sich das gemeinsam vornehmen. Komplett verzichten auf WhatsApp, Telegram & Co, kann aktuell wohl kaum jemand – dafür sind die sozialen Kontakte dann eben doch wichtiger als die Technik hinter den Messenger-Apps.

Aber wer die Element-App auf Android verwendet, kann jemandem das Emoji „Konfetti“ senden und dann einen sehr hübsch animierten Konfettiregen über seine ganzen Bildschirm  genießen.

Takeaways

  • Es gibt Alternativen: Offene Messenger wie Matrix/Element oder XMPP bieten echte Optionen jenseits der großen Plattformen.
  • Datenschutzvorteil: Starke Verschlüsselung und kein Geschäftsmodell, das auf Datensammlung oder Überwachung basiert.
  • Mehr Kontrolle: Dezentrale oder föderierte Systeme (z. B. Matrix, XMPP) geben Nutzer*innen mehr Unabhängigkeit und Wahlfreiheit.
  • Herausforderung: Noch sind nicht alle dabei – ein Wechsel gelingt leichter, wenn Sie Ihr Umfeld aktiv einbeziehen.
  • Praktischer Tipp: Nutzen Sie den neuen Messenger zunächst parallel, um Erfahrungen zu sammeln und andere Schritt für Schritt mitzunehmen.
  • Extra-Tipp: Zeigen Sie Ihrer Familie und Ihren Freunden, wie einfach der Einstieg ist – gemeinsames Ausprobieren überzeugt am schnellsten.

Next Steps

  • Ziele klären: Überlegen, warum Sie wechseln möchten – zum Beispiel wegen Datenschutz, Offenheit oder Unabhängigkeit von großen Anbietern
  • Alternative wählen: Empfehlenswert sind offene Systeme wie Matrix/Element (modern, weit verbreitet) oder XMPP/Conversations (bewährt, leichtgewichtig).
  • Gemeinsam starten: Freunde, Familie oder Kolleg*innen einladen und den neuen Messenger zunächst in einer kleinen Gruppe ausprobieren.
  • Alltagstauglichkeit testen: Funktionen erkunden, Verschlüsselung aktivieren und prüfen, ob der neue Messenger die wichtigsten Kommunikationsbedürfnisse erfüllt.

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