Zum Inhalt überspringen
Zum Inhalt überspringen

Alle, die einen Computer oder ein Smartphone benutzen, verwenden auch ein Betriebssystem – kurz OS (Operating System) – meist, ohne groß darüber nachzudenken. Für die meisten Menschen ist das Windows, macOS oder Android. Praktisch, weil es in der Regel auf dem neuen Gerät schon vorinstalliert ist. Doch worüber sich viele nicht bewusst sind: Mit jedem Start und jedem Klick fließen riesige Mengen an Daten zurück an die Anbieter.

Darum stellen wir heute die Frage: Welche guten, transparenten Alternativen gibt es?

Darüber sprechen wir heute mit Arthur Taylor, Softwareentwickler für Wikidata bei Wikimedia Deutschland.

Begriffe, die Sie für diesen Artikel kennen sollten:

  • Wikidata: Eine freie, offene Wissensdatenbank mit fast 120 Millionen Einträgen. Diese Daten werden von einer großen, weltweiten Community beigetragen und gepflegt – vielfältig, engagiert und mit zuverlässigen Quellenangaben. Die Daten von Wikidata können frei für alle möglichen digitalen Anwendungen weiterverwendet werden.
  • Wikibase: Die Software, auf der Wikidata läuft. Wikibase kann genutzt werden, um neue offene Wissensdatenbanken aufzubauen – für wissenschaftliche, kulturelle, historische oder viele andere Arten von Daten. Die Daten aus unterschiedlichen Wikibase-Instanzen können wiederum untereinander und mit Wikidata vernetzt werden.
  • MediaWiki: Das ist die Software, auf der Wikipedia basiert – und die zugleich die Grundlage für Wikibase bildet. Wikibase bildet wiederum die Grundlage für Wikidata und für Wikibase-Instanzen.
  • Erweiterungen (Extensions): Ein Software-Zusatzmodul. Wikibase ist eine Erweiterung, die auf MediaWiki aufbaut.

Hi Arthur, was genau machst du bei Wikimedia Deutschland?

Ich bin Softwareentwickler im Wikidata-Team – wir betreiben und entwickeln die Website Wikidata.org und arbeiten auch an der Wikidata zugrunde liegenden Wikibase-Erweiterung, am MediaWiki-Kern und an anderen damit verbundenen Erweiterungen.

Was genau ist eigentlich ein Betriebssystem, und welche Rolle spielt es?

Betriebssysteme sind Sammlungen von Software, die das Problem lösen, dass Anwendungen auf ganz unterschiedlichen Computern funktionieren müssen – also auf Geräten mit verschiedener Hardware, etwa unterschiedlichen Prozessoren, Speicherausstattungen, Laufwerken oder Bildschirmen. Trotzdem sollen alle Programme darauf möglichst gleich laufen. Die meisten Betriebssysteme bestehen aus drei zentralen Teilen:

  • Dem Kernel – einem kleinen, hochoptimierten Softwarekern, der direkt mit der Hardware kommuniziert und grundlegende Aufgaben steuert.
  • Der Anwendungsplattform – einer Sammlung unterstützender Programme, die es Apps von Drittanbietern ermöglicht, auf einheitliche Weise mit dem Kernel und anderen Systemkomponenten zu interagieren.
  • Und einer Auswahl mitgelieferter Software, die das Gerät sofort nutzbar macht – etwa die bekannte Benutzeroberfläche von Windows oder macOS, den App-Launcher und die System-Apps von Android oder iOS oder den Webbrowser, in den ChromeOS direkt hineinstartet.

Warum interessierst du dich so sehr für freie Betriebssysteme?

Je älter ich wurde, desto frustrierender fand ich, dass Softwareentwicklung unter Windows so teuer war. Als ich dann von der Free-Software-Philosophie erfuhr, hat das sofort mit mir resoniert: Es geht nicht nur ums Geld – es geht um Freiheit. Freie Software erlaubt uns, Programme zu benutzen, zu verändern und zu teilen, ohne an die Regeln eines Unternehmens gebunden zu sein. Dieses Prinzip bestimmt bis heute, welche Software ich benutze.

Arthur Taylor, Softwareentwickler für Wikidata bei Wikimedia Deutschland und Linux-Enthusiast
Arthur Taylor, Softwareentwickler für Wikidata bei Wikimedia Deutschland und Linux-Enthusiast

Was sind typische Nachteile von proprietären Betriebssystemen, wie Windows, macOS oder Android?

Bevor man über Nachteile spricht, sollte man wissen, dass viele dieser Systeme gar nicht vollständig „geschlossen“ sind. Zum Beispiel ist Android technisch gesehen Open Source und basiert auf einem Linux-Kernel. Trotzdem gibt es einen Unterschied zwischen dem offenen Android-Projekt und der Version, die Google an Hersteller ausliefert – also dem „Stock Android“, das auf den meisten Smartphones läuft.

Ähnlich ist es bei macOS, das auf einem offenen XNU-Kernel aufbaut, und selbst Windows verwendet viele quelloffene Komponenten. Fast jedes moderne Gerät enthält heute irgendwo Open-Source-Software. Der Unterschied liegt also nicht im Code selbst, sondern in der Freiheit, die Nutzer*innen tatsächlich haben – also darin, wie viel Kontrolle sie über ihre Geräte und die Software ausüben können.

Der entscheidende Nachteil von Systemen wie Windows, macOS oder „Stock Android“ ist, dass sie als fertige Produkte konzipiert sind – und nicht dafür, verändert zu werden. Sie geben vor, wie die Plattform genutzt werden soll. Wenn Windows also Tracking, Werbung oder unerwünschte Funktionen einführt, macOS verhindert, dass man nicht-zertifizierte Apps installiert, oder Google einschränkt, welche Apps man auf seinem Handy verwenden darf, hat man kaum mehr eine echte Wahl: Entweder man akzeptiert es – oder das Gerät funktioniert nicht mehr wie erwartet.

Am Ende bedeutet das: Unsere Daten – Fotos, Kontakte, E-Mails, Kalender oder Chats – bleiben in diesem Ökosystem gefangen. Und oft machen die Unternehmen es ganz bewusst schwierig, unser digitales Leben in ein anderes System zu übertragen.

Warum dominieren Microsoft, Apple und Google den Markt so stark mit ihren Produkten?

Ein wesentlicher Grund liegt in Jahrzehnten unzureichender Kartellrechtsdurchsetzung. Alle drei Unternehmen wurden schon mehrfach beschuldigt – und teils auch verurteilt –, ihre Marktmacht missbräuchlich einzusetzen. Weil Aufsichtsbehörden nur zögerlich eingreifen, konnten sie ihre Position immer weiter ausbauen: Sie binden Nutzer*innen an ihre Plattformen, kaufen potenzielle Konkurrenten auf oder erschweren anderen den Marktzugang.

So entstehen starke, kaum angreifbare Monopole, die wiederum Investor*innen anziehen und das Kapital für noch mehr Wachstum liefern – ein sich selbst verstärkender Kreislauf. Wenn dann Konkurrenz aus der Welt der Freien Software auftaucht, integrieren diese Konzerne oft einfach die besten offenen Lösungen in ihre eigenen Produkte – meist ohne, dass die ursprünglichen Entwickler*innen dafür entschädigt werden. Das verschafft ihnen zusätzliche Vorteile, weil sie von der Innovationskraft der Open-Source-Community profitieren, ohne wirklich etwas zurückzugeben.

Man muss aber auch fair bleiben: Sie machen auch gute Produkte. Alle drei gehören zu den 20 wertvollsten Unternehmen der Welt – das ermöglicht ihnen enorme Investitionen in Produktentwicklung, die kein externes Entwicklerteam auch nur annähernd leisten könnte.
Man muss ihnen zugestehen, dass sie in den letzten dreißig Jahren viel zur Weiterentwicklung von Technologie und Nutzererlebnis beigetragen haben.

Welche kostenlosen Betriebssystem-Alternativen würdest du empfehlen?

Für die meisten Menschen, die einfach ein freies Betriebssystem auf ihrem Laptop oder Desktop-Computer nutzen möchten, würde ich die Linux-Varianten Ubuntu oder Linux Mint empfehlen. Beide sind benutzerfreundlich, leicht zu installieren und bringen bereits alles mit, was man für den Alltag braucht – etwa Browser, Office-Programme und Medien-Tools. Sie sind deshalb ideal für Einsteiger*innen, die den Komfort kommerzieller Systeme gewohnt sind, aber mehr Kontrolle und Transparenz wünschen.

Bei Smartphones ist die Situation etwas komplexer. Hier ist LineageOS das am weitesten verbreitete und technisch am besten unterstützte freie mobile Betriebssystem. Es basiert auf Android, funktioniert aber ohne Google-Dienste und bietet dadurch mehr Datenschutz und Unabhängigkeit. Allerdings ist die Installation deutlich technischer und erfordert etwas Erfahrung. Außerdem muss man auf bestimmte Komfortfunktionen verzichten, die viele Nutzer*innen von den Standard-Systemen gewohnt sind – etwa automatische App-Updates oder integrierte Cloud-Dienste.

Was sind die größten Vorteile dieser freien Alternativen?

Auf dem Desktop befreit eine Linux-Variante von den Einschränkungen proprietärer Systeme. Abgesehen davon, dass diese Alternativen kostenlos sind, sind sie von Grund auf so konzipiert, dass sie veränderbar und interoperabel sind, also gut mit anderen Systemen und Programmen zusammenarbeiten. Beim Wechsel zu Linux ist das digitale Leben nicht länger in einem Gerät oder einem Ökosystem gefangen, das versucht, Profit zu schlagen. Stattdessen trägt man zu einer lebendigeren und vielfältigeren digitalen Welt bei – und das fühlt sich verdammt gut an.

Was könnte sich beim Umstieg von Windows oder macOS ungewohnt anfühlen? Und ist jedes Betriebssystem für alle Anforderungen geeignet?

Für die meisten Menschen reicht es völlig, wenn ihr Betriebssystem einen Webbrowser öffnet – der Großteil ihres digitalen Lebens spielt sich dort ab. Browser sehen auf allen Plattformen ziemlich gleich aus, da fühlt man sich schnell zu Hause.
Wer jedoch spezielle berufliche oder persönliche Anforderungen hat, sollte vorher prüfen, ob die benötigte Software unter Linux gut läuft. Viele kommerzielle Spiele funktionieren zum Beispiel nicht unter Linux – obwohl es mit Steam eine Gaming-Plattform gibt, die viele Titel unterstützt, und Steam sogar ein eigenes Linux-System entwickelt hat (SteamOS).
Programme für Gestaltung wie die Adobe Suite laufen ebenfalls nicht optimal auf Linux. Für professionelle Designer*innen oder Illustrator*innen gibt es bislang noch keine vollständigen freien Alternativen zu Adobes Software-Paket.

Es gibt viele unterschiedliche freie Betriebssysteme, die auf Linux basieren. Man spricht hier auch von Linux-Distributionen. Ubuntu und Linux Mint gehören zu den meistgenutzten Distributionen.
Es gibt viele unterschiedliche freie Betriebssysteme, die auf Linux basieren. Man spricht hier auch von Linux-Distributionen. Ubuntu und Linux Mint gehören zu den meistgenutzten Distributionen.

Wie einfach ist der Umstieg – und woher bekommt man diese Systeme?

Wenn alle wichtigen Dateien gesichert sind – oder ein separates Gerät zur Verfügung steht, um Linux auszuprobieren – ist der Umstieg oft einfacher, als man denkt. Das Betriebssystem kann auf einen USB-Stick geladen werden, der Computer wird neu gestartet, und schon lässt sich Linux starten. Ubuntu und Linux Mint lassen sich direkt von ihren Webseiten herunterladen, sodass man innerhalb kürzester Zeit loslegen kann. Es gibt sogar Linux-Versionen, die speziell für Apple-Hardware angepasst sind.

Bei Smartphones ist der Wechsel auf ein freies System wie LineageOS etwas komplizierter. Am besten eignet sich ein Zweitgerät oder ein neues Gerät, bevor es vollständig eingerichtet wird. Die LineageOS-Wiki-Seite bietet detaillierte Schritt-für-Schritt-Anleitungen für die Installation.

Man sollte jedoch wissen, dass nicht jedes Gerät vollständig „befreit“ werden kann. Viele Hersteller bauen technische Hürden ein, etwa durch den Bootloader, ein kleines Programm, das beim Start entscheidet, welches Betriebssystem geladen werden kann. Um ein alternatives System zu installieren, muss dieser Bootloader oft entsperrt oder speziell konfiguriert werden. Das heißt, wer interessiert ist, diese Hürde zu knacken, müsste technisch etwas tiefer einsteigen.

Hast du Tipps für Einsteiger*innen, um den Umstieg leichter zu machen?

Das Wichtigste: Vorher Backups aller wichtigen Dateien machen! Das ist ohnehin eine gute Praxis, aber beim Wechsel des Betriebssystems besonders entscheidend – denn in der Regel wird beim Umstieg fast alles auf dem Computer gelöscht. Alles, was in der Cloud gespeichert wurde, bleibt aber natürlich erhalten.

Darüber hinaus bieten die meisten modernen Linux-Systeme die Möglichkeit, das Betriebssystem vor der Installation zu testen – also als sogenannte Live-Version direkt vom USB-Stick zu starten. So kann man prüfen, ob seine Hardware – also Dinge wie Webcam, Lautsprecher, WLAN – korrekt funktioniert, bevor man das bisherige System endgültig ersetzt. Oder man kann sich einen sogenannten Dual-Boot einrichten. Dabei kann beim Start des Computers zwischen Windows und Linux gewählt werden, sodass das ursprüngliche System erhalten bleibt.

Vielen Dank für das Gespräch!

Take aways

  • Es gibt Alternativen: Die Linux-Varianten Ubuntu, Linux Mint, Debian und Fedora bieten stabile, nutzerfreundliche und kostenfreie Optionen für den Alltag.
  • Mehr Privatsphäre: Freie Systeme schützen vor Tracking und Werbung und geben uns Kontrolle über unsere Daten.
  • Der Umstieg ist machbar: Mit etwas Vorbereitung, einem Backup und einem bootfähigen USB-Stick kann man Linux problemlos testen oder installieren.
  • Extratipp für Gamer: SteamOS bietet eine Linux-Variante speziell fürs Spielen – ideal, um Freiheit und Gaming zu verbinden.

Zusammenfassung der First Steps

  1. Daten sichern: Wichtige Dateien wie Fotos, Dokumente oder Kontakte zunächst auf einer externen Festplatte oder in der Cloud sichern.
  2. Betriebssystem herunterladen: Ubuntu, Linux Mint oder andere bevorzugte Linux-Variante von der offiziellen Webseite herunterladen. Wer sich einen Überblick über alle Linux-Distributionen machen möchte, kann das hier tun.
  3. USB-Stick vorbereiten: Das heruntergeladene System auf einen USB-Stick schreiben, sodass dieser bootfähig wird.
  4. Vom USB-Stick starten: Den Computer neu starten und vom USB-Stick booten. So lässt sich das System testen, ohne das bestehende System zu verändern.
  5. Installation oder Dual-Boot: Gefällt das freie Betriebssystem, kann es dauerhaft installiert werden. Alternativ kann ein Dual-Boot eingerichtet werden, sodass beim Start zwischen dem alten und dem neuen System gewählt werden kann.
  6. Smartphones beachten: Bei mobilen Geräten ist der Wechsel komplizierter. Systeme wie LineageOS lassen sich am besten auf einem Zweitgerät oder einem neuen Gerät ausprobieren. Schritt-für-Schritt-Anleitungen stehen auf der LineageOS-Wiki-Seite bereit.
  7. Bootloader beachten: Viele Geräte haben einen Bootloader, ein kleines Programm, das beim Start entscheidet, welches Betriebssystem geladen wird. Um ein alternatives System zu installieren, muss der Bootloader oft entsperrt oder speziell konfiguriert werden.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert