Franziska Kelch
20. Januar 2025
Bereits im letzten Jahr haben wir im Aktionsbündnis neue soziale Medien in einer öffentlichen Erklärung die Hochschulrektorenkonferenz (HRK) und die akademischen Oberhäupter dazu aufgefordert: Kehren Sie endlich X den Rücken! Nutzen Sie stattdessen Mastodon für die öffentliche Kommunikation über Forschung und Wissen. Die HRK sollte eine entsprechende Empfehlung an die Hochschulen aussprechen – hat es aber unterlassen. Kürzlich haben nun über 60 Hochschulen ihren Ausstieg aus X erklärt. Immer mehr Universitäten und Forschungseinrichtungen kommen zu Mastodon, dem nicht-kommerziellen und dezentralen Kurznachrichtendienst. Das Robert-Koch-Institut oder die Humboldt Universität zu Berlin sind zwei Beispiele für die Institutionen, die zu Mastodon gewechselt sind – oder es angekündigt haben. Unsere Petition macht zudem deutlich: Viele Menschen unterstützen diesen Schritt – und kommen oft selbst aus dem akademischen Umfeld. Das zeigen die Kommentare, die viele Unterzeichnende mit ihrer Unterschrift übermittelt haben. Bei der Übergabe der Petition am 15. Januar in Berlin, waren einige Mitglieder des Aktionsbündnisses dabei. Ob die Petition Wirkung mittelfristig Wirkung zeigt, wird sich erweisen. Die HRK hat zumindest bei der Übergabe keine Zusage gemacht, seinen Mitgliedsorganisationen Mastodon zu empfehlen.
Warum Mastodon?
Das Mastodon-Netzwerk ist eine dezentrale Struktur. Das heißt, die Moderation von Inhalten dominiert nicht ein Unternehmen. Vielmehr achten viele verschiedene Akteur*innen und Betreibende der einzelnen Instanzen auf eine effektive Moderation. So kann die Verbreitung von Hass und Hetze verhindert werden.
Hinzu kommt: Es gibt kein Tracking und keine Datensammelwut, keine Werbung und auch keine Timeline, in die Algorithmen vor allem solche Inhalte spülen, die Aufregungspotenzial haben und Nutzende lange an die Plattform fesseln. Es gibt außerdem eine große Auswahl an Instanzen, die sich mit bestimmten Themen oder Regionen befassen.
Wikimedia Deutschland hat bereits Ende 2023 X den Rücken gekehrt, weil die Plattform sich nicht mehr mit unseren Werten vereinbaren ließ. Seitdem nutzen wir aktiv Mastodon und können sagen: Das Klima ist dort sachlicher und offener. Die Menschen, die mit uns in den Austausch gehen, tun das, weil sie an Themen und Argumenten interessiert sind. Und wir konnten dort schnell eine große Anzahl Menschen für unsere Themen interessieren.
Auch viele andere Organisationen und Unternehmen haben X aus ähnlichen Gründen bereits verlassen. Dazu gehören das ZDF, die BVG, der Bundesverband Deutscher Stiftungen oder auch die Volkswagenstiftung.
Warum braucht es das Aktionsbündnis?
Eine Wikidata-Abfrage weist 55 Hochschulen aus, die bei Mastodon vertreten sind. Die Friedrich-Schiller-Universität Jena ist seit Januar 2020 dabei, während etwa die Evangelische Hochschule Ludwigsburg im September 2024 beigetreten ist. Auch wenn de facto sicherlich ein paar mehr Hochschulen bei Mastodon aktiv sind – Wikidata zählt nur die Hochschulen, in deren Dateneintrag das auch vermerkt ist – sind es viel zu wenige wenn man sich vor Augen führt: Die HRK hat aktuell 271 Mitgliedshochschulen.
Auch nach Gesprächen mit Mitgliedern des Aktionsbündnisses war die HRK nicht bereit, ihren Mitgliedern zu empfehlen, Mastodon statt X zu nutzen.
Um den Umstieg von X auf Mastodon zu erleichtern, haben wir im Aktionsbündnis ein Tutorial erarbeitet. Von Schritt 1 „Server auswählen – oder selber hosten“ bis hin zur Nutzung von Mastodon und zum Ausstieg aus X erklären wir darin Schritt für Schritt, wie Mastodon funktioniert.
Um den Rektor*innen zu verdeutlichen, dass unsere Forderung Unterstützung findet, hat das Aktionsbündnis außerdem eine Petition gestartet. Je mehr Menschen diese unterstützen, umso deutlicher wird den Unis und Hochschulen, dass sie ihre Kommunikation ihren Werten anpassen müssen.
Das Aktionsbündnis besteht zu einem großen Teil selbst aus akademischem Personal. Zu den Erstunterzeichnenden gehören unter anderem die Informatik-Professorin Claudia Müller-Birn, der Professor für Biotechnologie Mario Birkholz, der Leiter des Open Science Labs am Leibniz Informationszentrum für Technik und Naturwissenschaften Lambert Heller oder der Wirtschaftswissenschaftler Leonhard Dobusch. Sie und viele andere Forschende und Lehrende sind bereits mit gutem Beispiel voran gegangen und nutzen Mastodon. Es wird Zeit, dass die Hochschulen selbst es ihrem Personal gleich tun und zum wirklich sozialen Netzwerk kommen.
Ein Medium, welches Hass und Hetze und Falschmeldungen eine Plattform gibt, sollte generell von Allen und Jedem, dem das zuwider ist, verlassen werden.
Das gilt ganz besonders für die Institutionen, deren Auftrag sachlich fundiertes Wissen und durch Forschung gestützte Aussagen sind.
Der Ansicht sind wir auch. Deswegen haben wir uns auch dem Aktionsbündnis angeschlossen bzw. unterstützen dies – nachdem wir uns selbst ohnehin vor etwas über einem Jahr von X zurückgezogen haben. Es ist aus unserer Sicht nachvollziehbar, dass sich gerade zivilgesellschaftliche Organisationen aber auch andere Akteure, denen es schwerer fällt ihre Themen in die Öffentlichkeit zu tragen, nicht leichtfertig von einem Kanal verabschieden. Uns ging es auch so. Denn unser Einsatz für Freies Wissen lebt auch davon, gehört und gesehen zu werden. Dafür sind auch soziale Medien wichtig. Aber es war abzusehen, dass X sich nicht so schnell wieder erholen wird.
[…] Wikimedia Deutschland schreibt unter dem Titel “Darum sollten Hochschulen von X zu Mastodon wechseln”: […]