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Vergaberecht

Referentenentwurf zum Vergaberecht – Freie und offene Software als Standard fehlt!

Die Bundesregierung hat sich vorgenommen, die Vergabe durch ein Gesetz zur Transformation des Vergaberechts zu modernisieren. Nun liegt ein Referentenentwurf des Bundesministeriums für Wirtschaft und Klimaschutz vor. Daraus wird deutlich: Wieder verschenkt die Bundesregierung die Gelegenheit, ihr Bekenntnis zu freier und offener Software aus dem Koalitionsvertrag einzulösen. Hier muss unbedingt nachgearbeitet werden.

Lilli Iliev

1. November 2024

Wikimedia Deutschland hat sich zum nun erschienenen Referentenentwurf mit einer Stellungnahme positioniert – für Freie und Offene Software als Standard in der Verwaltung.

Durch die Reform sollen zentrale Herausforderungen in der öffentlichen Beschaffung adressiert werden, darunter die Komplexität des Vergaberechts, die Stärkung der Digitalisierung sowie die Förderung einer nachhaltigen und sozial-ökologischen Wirtschaft.

Wenn die öffentliche Hand Software entwickelt oder kauft, sollte diese unter freien und offenen Lizenzen stehen. Die geplante Reform des Vergaberechts der Bundesregierung bietet nun eine günstige Gelegenheit, dies gesetzlich zu verankern. Bisher findet sich im Entwurf jedoch kein klares Bekenntnis zu freier Open Source Software. Das Wirtschaftsministerium muss an dieser Stelle dringen nacharbeiten.

Das ist unser Vorschlag

Bei der Beschaffung von IT- und von IT-gestützten Produkten sollte dort, wo es technisch möglich und wirtschaftlich ist, der Einsatz von Freier/Open-Source-Software vorrangig erfolgen. Darüber hinaus sollen auch die Aspekte Bedienbarkeit, Zukunftssicherheit, Interoperabilität und IT-Sicherheit berücksichtigt werden.

Unter Freien/Open-Source-Produkten sind solche Produkte zu verstehen, deren Quellcode öffentlich zugänglich ist und deren Lizenz die Verwendung, Weitergabe und Veränderung nicht einschränkt. Das Prinzip Freier Software bedeutet darüber hinaus, dass Weiterentwicklungen solcher Software ebenfalls unter einer kompatiblen Lizenz veröffentlicht werden müssen

Die Vorteile freier und offener Software in der Verwaltung

Bund, Länder und Kommunen sind häufig auf einzelne proprietäre Softwareanbieter angewiesen. Diese Abhängigkeit führt dazu, dass Verwaltungen Bedingungen wie Preissteigerungen oder Produktänderungen übernehmen müssen, ohne verhandeln zu können. Allein 2021 überstiegen die Kosten für Microsoft-Lizenzen nur in der Bundesverwaltung erstmals 200 Millionen Euro.Im April 2023 stiegen die Preise für Cloud-Angebote erneut.

Proprietäre Softwarelizenzen schränken die Nutzung, Weiterentwicklung und den Austausch des Quellcodes stark ein. Diese Abhängigkeit begrenzt die Kontrolle der Verwaltungen über ihre eigene IT-Infrastruktur und die Möglichkeit, bei Bedarf den Anbieter zu wechseln. Freie und Open-Source-Software (FOSS) bietet hier eine Alternative: FOSS-Lizenzen erlauben es grundsätzlich jedem, den Quellcode zu betrachten, zu verändern und weiterzugeben. Dadurch ist eine größere Transparenz und Flexibilität möglich, was das IT-Sicherheits- und Datenschutzniveau steigern kann.

Hürden für den Einsatz von FOSS in der Verwaltung

Im Koalitionsvertrag bekennt sich die Bundesregierung klar zur Förderung von FOSS in der Verwaltung: „Entwicklungsaufträge werden in der Regel als Open Source beauftragt, die entsprechende Software wird grundsätzlich öffentlich gemacht.“ Diese Verpflichtung entspricht dem Prinzip „Public Money, Public Code“: Software, die aus öffentlichen Mitteln finanziert wird, soll der Allgemeinheit zugänglich sein.

Doch in der Praxis ist FOSS in öffentlichen Verwaltungen nach wie vor selten. Oft fehlt den Behörden Wissen darüber, wie sie FOSS rechtssicher beauftragen können. Das geltende Vergaberecht legt fest, wie Produkte und Dienstleistungen eingekauft werden müssen und erschwert durch seine Komplexität oft den Einsatz von FOSS. Die Vorteile, die FOSS bietet – wie die allgemeine Verfügbarkeit und die Möglichkeit zur Anpassung – werden derzeit meist nicht ausreichend berücksichtigt, da die Bewertung nur auf den Preis und den direkten Nutzen für die auftraggebende Stelle abzielt.

Ein Hoffnungsschimmer: Die Vergaberechtsreform

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz plant, das Vergaberecht zu reformieren, um die Verfahren zu vereinfachen, zu digitalisieren und sozial sowie ökologisch nachhaltiger zu gestalten. Über 400 Organisationen und Personen haben dazu Stellung genommen, darunter Wikimedia Deutschland und die Open Source Business Alliance. Diese Reform könnte eine wertvolle Gelegenheit sein, um den rechtssicheren Vorzug von FOSS festzuschreiben.

Ein Gutachten der Open Source Business Alliance schlägt vor, FOSS immer dann den Vorzug zu geben, wenn mehrere Lösungen gleich gut geeignet sind. Prof. Andreas Wiebe empfiehlt, diesen Vorrang für FOSS entweder im E-Government-Gesetz des Bundes oder in der Vergabeverordnung festzuhalten. Thüringen und Schleswig-Holstein sind bereits mit gutem Beispiel vorangegangen.

Kompetenzaufbau in der Verwaltung

Die Bevorzugung von FOSS allein reicht jedoch nicht. Die Mitarbeitenden in den Behörden müssen lernen, geeignete Software auszuwählen und anzuwenden. Der Kompetenzaufbau ist entscheidend, um die Potenziale von FOSS voll auszuschöpfen. In Sachsen umfasst ein Strategiepapier zur Einführung von Open Source in der Verwaltung unter anderem die Förderung der Umgewöhnung und Akzeptanz der Mitarbeitenden. Es ist notwendig, dass Behördenmitarbeitende die Möglichkeiten und Anforderungen neuer Technologien verstehen, um informierte Entscheidungen treffen zu können und FOSS sinnvoll in bestehende Strukturen zu integrieren.

Hierzu gehört auch eine Reform der Einstellungsbedingungen in den Verwaltungen. Attraktive Gehälter und moderne Arbeitsbedingungen können qualifizierte IT-Fachkräfte anziehen, die die digitale Transformation der Verwaltung aktiv mitgestalten. Die Bundesregierung hat in ihrem Koalitionsvertrag und ihrer Digitalstrategie die Bedeutung von FOSS betont – jetzt ist es an der Zeit, diese Ziele auch umzusetzen. Leider bleibt der aktuelle Gesetzentwurf hinter den Plänen des Koalitionsvertrags zurück.