Lilli Iliev
9. November 2020
Die Jubiläumsausgabe der Konferenz „Zugang gestalten!“ war in mehrerer Hinsicht besonders: Erstmals komplett online, erstmals aus der Geschäftsstelle von Wikimedia Deutschland – und mit einem anderem Fokus als geplant: „Innovationsschub“. Ursprünglich wollten wir uns dem Thema „Schwieriges Erbe“ und Wegen der Dekolonisierung von Kulturgut widmen. Doch durch die Krise haben sich für alle Kulturinstitutionen zugleich neue und doch ähnliche Fragen gestellt:
Wie kann ich mit meinem Publikum den Kontakt pflegen, wenn der physische Besuch nicht mehr möglich ist? Welche technischen und rechtlichen Hürden gibt es für virtuelle Ausstellungen? Sollten wir Dienste und Plattformen wie tiktok oder Instagram nutzen, auch wenn diese aus verschiedenen Gründen in der Kritik stehen? Auf der Konferenz wurden dazu vielfältige Antworten gegeben. Die Videos von Konferenztag 1 (Schwerpunkt Innovation & Urheberrecht) und Konferenztag 2 (Schwerpunkt Gemeinfreiheit und Datenschutz) sind nun online.
Digitale Kulturprojekte zeigen Innovationsschub in Museen, Bibliotheken und Archiven
„Die Zukunft liegt darin, dass wir die Menschen beteiligen!“ sagte Dr. Claudia Emmert, Direktorin des Zeppelin-Museums Friedrichshafen. In den Monaten der Krise hat das Museum ein beachtliches Projekt hervorgebracht: Das debatorial lädt als digitale Diskursplattform digitale Besuchende zum Austausch mit Kurator*innen, Künstler*innen und Aktivist*innen ein und legt dabei auch die Recherchen zur Ausstellung offen.
Weitere digitale Kulturprojekte, die sich in der Krise bewährt haben oder gerade erst durch die Zeit der Kontaktbeschränkungen angestoßen wurden, sind auf der Webseite von Zugang gestalten unter Projektpräsentationen zu sehen. Hier ist ein kleines Archiv der Veränderungen in Kulturinstitutionen durch Corona entstanden. In der Videoreihe „Zu Besuch“ sind persönliche Einblicke der Mitarbeitenden verschiedener Kulturinstitutionen zu finden, die von ihren Erfahrungen des Kulturjahres 2020 berichten.
Das Museumsgebäude als ein Interface von vielen
„Offene Daten sind Möglichmacher von Innovation!“ sagte Larissa Borck, Datenmanagement-Koordinatorin bei der Stiftung Preußischer Kulturbesitz. Die Einrichtungen, die schnell auf Schließungen reagieren konnten, seien auch diejenigen, die bereits sehr intensiv mit Open Access arbeiten und viel in digitale Infrastruktur investiert haben. Als Beispiel nannte sie das Cleveland Museum of Art, das sein digitales Backend als Rückgrat der Krise bezeichnete. Borck betonte, dass Kulturinstitutionen vor allem resilient werden müssen im Angesicht verschiedener Herausforderungen.
Ko-Kreative Formate, Freiwilligen-Strukturen, Open Access: Diese Zutaten seien wichtige Stützpfeiler für Nachhaltigkeit, Resilienz und adaptive Strukturen von Kulturinstitutionen. Borck regte an, dass Kulturinstitutionen nun digitale Zielgruppen endlich auf Augenhöhe mit anderen Besuchendengruppen sehen müssten. Interessantes Gedankenexperiment: Wenn das Museumsgebäude als ein Interface von vielen verstanden werde, provoziere das ganz neue Gedanken über Offenheit. Digital und analog dürften grundsätzlich nicht mehr als bipolare Gegensätze verstanden werden, sondern als verschiedene Dimensionen der Ziele von Kulturinstitutionen.
Museen & Social Media: Neue Zielgruppen, neue Verantwortungen
Museen müssen Orte werden, wo sich Menschen wohlfühlen, betonte Prof. Johannes Vogel, Generaldirektor des Museums für Naturkunde in Berlin, und urteilte damit auch den Dünkel und Elfenbeinturm-Charakter ab, den einige große Kulturinstitutionen noch immer pflegten. Darum experimentiert das Naturkundemuseum – wie viele Kulturinstitutionen nun verstärkt – auch intensiv mit Social Media. Etwa über tiktok oder InstaLive können Jugendliche in ganz anderer Dimension erreicht werden. Auch der Museums-Podcast Beats&Bones spreche neue Interessengruppen an.
So machen viele Häuser momentan die Erfahrung, dass die Möglichkeiten digitaler Wege dazu führen, dass neue Besuchendengruppen nochmal neu skaliert werden können. Viele Kulturinstitutionen berichten über eine gravierend höhere Reichweite etwa durch virtuelle Ausstellungsführungen. Dabei müssten u.a. aber auch datenschutzrechtliche oder ethische Fragen rund um diese Dienste stets mitreflektiert werden, so Vogel. Auf Kulturinstitutionen, so wurde deutlich, kommen viele neue Herausforderungen zu: Haltungen zu Diensten und ihren Praktiken entwickeln und diese vertreten, ist sicher eine davon.
Mehr Resilienz für Museen: Chancen von Open Access
In 6 Fokusrunden mit Expertinnen und Experten – etwa zu Open Access und Urheberrecht für Kulturinstitutionen – wurden verschiedene Aspekte des Innovationsschubs in Museen, Bibliotheken und Archiven näher beleuchtet. Hier wurde diskutiert, wie Open Access zu mehr Resilienz im Angesicht von Krisen wie in diesem Jahr führen kann. Dabei wurde deutlich, dass es häufig an den grundlegenden technischen Infrastrukturen fehlt, um vernetzt mit anderen Einrichtungen arbeiten zu können und sich gegenseitig zu unterstützen.
Die Programme dive in oder Neustart Kultur der Bundesregierung beispielsweise fördern die Erstellung virtueller Ausstellungen. Doch ohne eigene entsprechende Online-Präsenz hilft diese Maßnahme eher nur größere Playern. Hier wäre denkbar, dass sich große Häuser solidarisch zeigen und ihre digitalen Infrastrukturen für kleinere Häuser zur Verfügung stellen. Im Rahmen der Pläne für eine nationale Forschungsinfrastruktur wurde gefordert, dass hier Open Access-basierte Tools und interoperable Standards von vornherein mitgedacht werden müssten.
Mehr Zugang gestalten!
Die erste Online-Ausgabe der Konferenz hat gezeigt: Auch wenn der persönliche Austausch, die Pausengespräche und die gemeinsamen physischen Erlebnisse fehlten; auch digital ist ein produktiver Austausch von Fachleuten und Interessierten sehr gut möglich. Gerade in der Krise ist es wichtig, miteinander zu sprechen, voneinander zu lernen und eine Fehlerkultur zu etablieren. Wir freuen uns schon umso mehr auf die nächste Konferenz „Zugang gestalten!“