Ein Gastbeitrag von Wikipedia-Autor Conrad Nutschan
Die Meinungen in der Community, ob es eine gedruckte Ausgabe der deutschen Sprachversion der Wikipedia geben sollte, tendieren eher dazu, dass der Aufwand der Praktikabilität und dem Sinn gegenübergestellt nicht gerechtfertigt sei. Um so mehr freuten sich einige teilnehmende Wikipedianerinnen und Wikipedianer in Berlin am 31. Mai 2016 beim „Wikipedian focused walkthrough and discussion“ in der Ausstellung des Künstlers Michael Mandiberg, ein Gefühl für einen möglichen Ausdruck des Enzyklopädieprojektes zu bekommen. Wikimedia Deutschland hat Interessenten vom WikiProjekt Druck die Anreise unterstützt und vor Ort für die Gäste etwas zu Naschen organisiert.
In den Räumlichkeiten der gemeinnützigen, kuratorischen Initiative Import Projects in Berlin ist es möglich, die potentielle Dimension der 3406 Bände zu genießen und in einer Auswahl der Bücher zu schmökern. Am Ende der Ausstellung soll jeder Band der deutschsprachigen Wikipedia bei einem Buch-auf-Bestellung-Anbieter bestellbar sein. Import Projects selbst ist bestrebt, Schnittstellen zwischen Technologie, der persönliche Identität und der Gemeinschaft zu erkunden.
Alle Wände des Veranstaltungsraumes waren mit der Oberfläche der Buchrücken bedruckt. Dabei wurde im Betrachter etwas Imposantes erzeugt, inmitten all dieser Bücher umgeben von der Wikipedia zu sein. Doch die scharfen Augen der Wikipedianer gingen gleich ins Detail, und nutzten die Gelegenheit, um die Druckumsetzung der Beispielbücher zu bewerten. Wir waren ja nicht zum Spaß dabei – wir wollen lernen :).
Die dreispaltig ohne Bilder angelegten Bücher von je etwa 700 Seiten haben eine fortlaufende Seitennummerierung und jeweils eine eigene ISBN. Die Umsetzung der Tabellen ist als mangelhaft bis schlecht zu beurteilen – es wurde eine Weise von gleichen Spaltenbreiten unabhängig vom Inhalt gewählt, was bei den vor Ort betrachteten Werken zu teilweise komplett mit Tabellen gefüllten Doppelseiten führte. Das war nicht besonders gut lesbar, Worte wurden teilweise untereinander gebrochen. Dies führt unter anderem dazu, dass ein gesamtes und ein weiteres halbes Teilregal von etwa 1 Meter Breite bis unter die Decke mit Büchern von Listenartikeln der Wikipedia gefüllt wäre. Bemängelt wurde von einem der anwesenden Wikipedianer zudem, dass Querverweise im Werk auf andere enthaltene Artikel nicht gekennzeichnet sind. Die Bindung und die Qualität der Bücher sowie die Lesbarkeit sind sehr gut. Es macht Spaß, durch die Zeilen zu fliegen und benachbarte Themen zu entdecken. In fünf separaten Bänden, die von Wikimedia Deutschland gestiftet wurden, gibt es eine Liste der etwa 800.000 Aktiven, welche an der Bearbeitung der Artikel beteiligt waren.
Mandiberg, dem schon Anfragen für den Druck von weiteren Sprachen vorliegen, hat sich sehr lange und intensiv mit dem Druck von Büchern beschäftigt. Er war auf der Suche nach einem richtig großen Werk, welches noch nicht gedruckt wurde. Die englischsprachige Wikipedia hat durch das dortige Kunstprojekt eine Bibliothek aufgetan, welche den gesamten Druck der englischsprachigen Ausgabe finanzieren wird. Mit einigen Verbesserungen in der Umsetzung wäre dies aus meiner Sicht auch der hiesigen Ausgabe zu wünschen.
Der Druck aller Artikel, ein Traum einiger weniger, ist durch die Ausstellung ein kleines Stück greifbarer geworden. Sprechen wir von Handhabbarkeit, Aktualität oder Nutzungsweisen, ist es nicht zu verübeln, dass bei den Leserinnen und Lesern mit den Augen gerollt wird. Die Würdigkeit der materiellen Verfügbarkeit des größten Textwerkes der Menschheit ist aus meiner Sicht unabsprechbar. Das Ziel vom WikiProjekt soll es weiterhin bleiben, zu forschen und bei Bedarf gern Abläufe zu organisieren, um einen Stand der Wikipedia eines Tages in Buchform und Sicherheit an unseren zwei Nationalibliotheksstandorten zu wähnen. Vielen Dank an Wikimedia Deutschland für die gute Unterstützung!