Monsters of Law Nr. 5: Wiki-Immunity – Bleibt die Wikipedia in Deutschland rechtlich geschützt?
Dies ist ein Gastbeitrag von Lukas Mezger ( Benutzer:Gnom ), Präsidiumsmitglied von Wikimedia Deutschland e. V. Wikipedia beschreibt nicht nur archäologische Stätten, U-Bahnhöfe …
Dies ist ein Gastbeitrag von Lukas Mezger (Benutzer:Gnom), Präsidiumsmitglied von Wikimedia Deutschland e. V.
Foto von Christopher Schwarzkopf, CC-BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
Wikipedia beschreibt nicht nur archäologische Stätten, U-Bahnhöfe und Leuchttürme – die deutschsprachige Version enthält mittlerweile weit über eine halbe Million Biografien. Aber was kann ich eigentlich tun, wenn eine unzutreffende Behauptung in “meinem” Wikipedia-Eintrag steht? Was, wenn dieser vermeintlich durch Quellen belegte Fakt mein Ehrgefühl verletzt oder negative Konsequenzen für mein Berufs- oder Privatleben bedeutet? Und wie kann geprüft werden, was im öffentlichen Interesse in der Wikipedia stehen sollte und ab wann die Grenze zur Übertretung der Privatsphäre erreicht ist?
Wer kann für Falschbehauptungen in Wikipedia belangt werden?
Am 5. März sprach Jan Mönikes, Rechtsanwalt und Experte für Urheber-, Medien- und IT-Recht, über die heutige rechtliche Situation und mögliche Veränderungen der Haftung für die deutschsprachige Wikipedia. Mönikes befasst sich bereits seit Jahren mit Durchsetzbarkeit von äußerungsrechtlichen Urteilen “gegen Wikipedia”. Er erklärte, dass sich bei der Beantwortung der Frage, wer zur Rechenschaft gezogen werden kann, wenn in einem Eintrag getroffene Aussagen zum Gegenstand einer juristischer Prüfung werden, das Phänomen der “Wiki-Immunity” ergibt (hier die Vortragsfolien).
Die Ausgangssituation ist schnell beschrieben: Ein anonymer, freiwilliger Wikipedia-Nutzer begeht – entgegen den Regeln der Autorengemeinschaft – eine Persönlichkeitsrechtsverletzung in einem Artikel. Das kann durch Falschbehauptungen oder aber auch durch wahre, aber dennoch rechtsverletzende, weil private Informationen geschehen. Gegen diesen Autor kann der Betroffene nicht vorgehen, wenn ihm seine Identität nicht bekannt ist. Auch der Verein Wikimedia Deutschland e.V. ist kein geeigneter Anspruchsgegner, weil er auf Wikipedia selbst keinen Einfluss hat und damit nicht als so genannter Störer in Frage kommt.
Jan Mönikes sprach über die heutige rechtliche Situation und mögliche Veränderungen der Haftung für die deutschsprachige Wikipedia, Foto von Christopher Schwarzkopf, CC-BY-SA 4.0 via Wikimedia Commons
Der gute Wille unter der Sonne Kaliforniens
Der Betroffene muss rechtlich gegen die Betreiberin der Wikipedia, die Wikimedia Foundation mit Sitz in den USA vorgehen – dabei stellt sich als erste Frage, ob er dies in Deutschland oder in Kalifornien tun sollte. An beiden Orten gibt es zuständige Gerichte und auf den Fall anwendbares staatliches Recht.
Geht man von der näher liegenden Variante einer Klage in Deutschland aus, so müsste ein entsprechendes Urteil eines hiesigen Gerichts dann in den USA vollstreckt werden. Dazu müsste das deutsche Urteil von einem kalifornischen Gericht anerkannt werden. Dies scheitert aber daran, dass das amerikanische Recht ein umfassendes Providerprivileg kennt, nach dem der individuelle Nutzer und eben nicht der Website-Provider als Störer in Anspruch genommen werden muss. Im Ergebnis hängt die Erfüllung des vor dem deutschen Gericht rechtskräftig festgestellten Anspruchs also vom “guten Willen” der Wikimedia Foundation ab.
Von Vollstreckungsabkommen und Klarnamenspflicht
Die Alternative, eine Klage nach amerikanischem Recht vor einem Gericht in Kalifornien müsste daher im ersten Schritt auf Herausgabe der Nutzerdaten durch die Wikimedia Foundation lauten, aufgrund dieser man dann den Nutzer in Deutschland über seinen Internetanbieter ermitteln und verklagen könnte. Auch hier müsste ein deutsches Gericht das ausländische Urteil anerkennen. Das wird es jedoch nicht tun, denn das deutsche Presserecht gestattet in diesem Fall – anders als im Urheberrecht – die Herausgabe von Nutzerdaten nicht. Dem Betroffenen verbleibt wieder nur, auf den “guten Willen” der Autorengemeinschaft bei der Korrektur des Artikels zu hoffen.
In der Folge gewinnt der Betroffene also sowohl bei einer Klage in den USA als auch bei einer Klage in Deutschland, kann sie aber in beiden Fällen nicht vollstrecken – diese Situation nennt Jan Mönikes “Wiki-Immunity”. Ein solches Scheitern der Durchsetzung des Rechts ist freilich rechtsstaatlich nicht hinnehmbar. Der Vortrag diskutierte daher verschiedenste Möglichkeiten zur Lösung des Problems: von Vollstreckungsabkommen über Netzsperren und eine Klarnamenspflicht im Internet bis hin zur Ausweitung der Störerhaftung nach dem Vorbild der Google-Spain-Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs.
Fazit und Ausblick
Abschließend betonte Jan Mönikes die Verantwortung der Wikipedia-Autorengemeinschaft zur Selbstregulierung und damit zum Schutz der Rechte der Betroffenen. So könne Wikipedia als Online-Enzyklopädie als vertrauenswürdige und rechtssichere Institution erhalten bleiben. Im Anschluss ergab sich insbesondere zur Frage der Vollstreckung in Deutschland eine interessante Diskussion.
Die Veranstaltung in voller Länge kann hier angeschaut werden:
Die nächste Veranstaltung von Monsters of Law findet am Donnerstag, den 28. Mai statt.
Referent wird Dr. Ansgar Koreng sein.
Wir verwenden Cookies auf unserer Website, um Ihnen die beste Erfahrung zu bieten, indem wir Ihre Präferenzen speichern auch bei wiederholten Besuchen. Durch Klicken auf "Akzeptieren" stimmen Sie der Verwendung aller Cookies zu. Sie können jedoch die Cookie-Einstellungen aufrufen, um eine kontrollierte Einwilligung zu erteilen. Mehr Informationen finden Sie auch in unserer Datenschutzerklärung
We use cookies on our website to give you the most relevant experience by remembering your preferences and repeat visits. By clicking “Accept”, you consent to the use of ALL the cookies. However you may visit Cookie Settings to provide a controlled consent.
This website uses cookies to improve your experience while you navigate through the website. Out of these cookies, the cookies that are categorized as necessary are stored on your browser as they are essential for the working of basic functionalities of the website. We also use third-party cookies that help us analyze and understand how you use this website. These cookies will be stored in your browser only with your consent. You also have the option to opt-out of these cookies. But opting out of some of these cookies may have an effect on your browsing experience.
This cookie is set by GDPR Cookie Consent plugin. The purpose of this cookie is to check whether or not the user has given the consent to the usage of cookies under the category ‚Scripts'.
Um besser zu verstehen, was die Besucher/innen auf unseren Websites interessiert und ob diese sich dort zurechtfinden, setzen wir das Open-Source Analyse-Tool Matomo (vormals Piwik) ein. Dieses Tool setzt einen Cookie, um einzelne Nutzer/innen voneinander zu unterscheiden.
_pk_ses.2.b225
0
30 minutes
Um besser zu verstehen, was die Besucher/innen auf unseren Websites interessiert und ob diese sich dort zurechtfinden, setzen wir das Open-Source Analyse-Tool Matomo (vormals Piwik) ein. Dieses Tool setzt einen Cookie, um einzelne Nutzer/innen voneinander zu unterscheiden.
Dieses Cookie wird von Youtube gesetzt und registriert eine eindeutige ID zum Verfolgen von Benutzern basierend auf ihrem geografischen Standort
IDE
1
2 years
Wird von Google DoubleClick verwendet und speichert Informationen darüber, wie der Nutzer die Website und andere Werbung verwendet, bevor er die Website besucht. Dies wird verwendet, um Nutzern Anzeigen zu präsentieren, die für sie entsprechend dem Nutzerprofil relevant sind.
VISITOR_INFO1_LIVE
1
5 months
Dieser Cookie wird von Youtube gesetzt. Wird verwendet, um die Informationen der eingebetteten YouTube-Videos auf einer Website zu verfolgen.
vuid
0
2 years
Diese Cookies werden vom Vimeo-Videoplayer auf Websites verwendet.
YSC
1
Diese Cookies werden von Youtube gesetzt und dienen zum Verfolgen der Ansichten eingebetteter Videos.
Dieser Cookie-Name ist mit Funktionen zum Konvertieren einer Benutzer-IP-Adresse in einen geografischen Standortdatensatz verknüpft. Es wird am häufigsten verwendet, um einem Benutzer Inhalte basierend auf seinem Standort bereitzustellen.