Am 9. und 10. November lud Wikimedia Deutschland gemeinsam mit der Wikimedia Foundation, Wikimedia Nederland und WMUK zur Wikimedia Diversity Conference ein, der ersten Konferenz, die sich explizit mit dem Schwerpunkt “Vielfalt in den Wikimedia-Projekten” beschäftigte. In allen Chaptern der weltweiten Bewegung spielt das Thema in ganz unterschiedlichen Projekten eine große Rolle. Mehr als 80 Teilnehmende aus aller Welt (u.a. aus Südafrika, Usbekistan, Indien, China, Argentinien, den USA und dem näheren europäischen Umland) kamen auf dem GLS-Campus in Berlin zusammen, um gemeinsam zwei Tage lang über das Thema Diversität zu diskutieren, Erfahrungen auszutauschen und gemeinsam konkrete Schritte zu überlegen, um die Vielfalt in den Wikimedia-Projekten weiter zu fördern.
Insgesamt fanden 26 Vorträge und Workshops statt, das Spektrum reichte dabei von Best-Practice-Beispielen über technische Entwicklungen zur Förderung von Diversität in anderen Open-Source-Projekten, Ideen für zukünftige Projekte und der gemeinsamen Entwicklung eines Entwurfes für eine klare Positionierung zum Thema Diversität. Ergänzt wurde diese Arbeit durch viele informelle Gespräche der Teilnehmenden, die die Zeit nutzten, um sich zu vernetzen, bereits bestehende Initiativen weiterzuentwickeln oder neue Initiativen zu planen.
Diversität hat viele Gesichter
Die Aspekte von Diversität, auf die im Rahmen der Konferenz eingegangen wurde, waren überaus vielfältig. Im Fokus stand zum einen der geringe Anteil an Autorinnen in der Wikipedia und den anderen Wikimedia-Projekten. Silvia Stieneker stellte in diesem Zusammenhang beispielsweise das von ihr geleitete Projekt Women Edit vor, das darauf abzielt, mehr Frauen zum aktiven Mitmachen zu motivieren.
Zum anderen war aber auch der Aspekt der geographischen Vielfalt einer der Schwerpunkte der Konferenz. Der Präsident von Wikimedia ZA (Südafrika), Dumisani Ndubane, berichtete über die geplante Konferenz „Wiki Indaba“, die Wikimedianer und Wikimedianerinnen aus verschiedenen afrikanischen Ländern zusammenbringen soll, um gemeinsam Lösungen für Probleme, die aus der großen Sprachvielfalt und eingeschränkten technischen Möglichkeiten resultieren, zu entwickeln und damit die Community auf dem afrikanischen Kontinent zu stärken und zu vernetzen
Wikipedia ist nicht das einzige Open Source Projekt, das Probleme mit mangelnder Vielfalt der Autoren und Autorinnen hat, wie sich beim Vortrag von Alyssa Wright zeigte. Alyssa ist aktiv bei OpenStreetMap US, wo der Anteil an Frauen, die sich an dem Projekt beteiligen, ähnlich gering ist, wie in den Wikimedia-Projekten. Sie betonte daher die Wichtigkeit einer stärkeren Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Open Source Projekten, um gemeinsam Strategien zur Förderung von Diversität zu entwickeln und sich über Erfahrungen auszutauschen.
Barrieren überwinden durch technologische Innovationen
Matthew Flaschen, Jared Zimmerman, Vibha Bamba und Pau Giner erläuterten in ihrem Vortrag, dass bestehende Hürden beseitigt werden müssen, um die Partizipation bislang unterrepräsentierter Gruppen zu fördern. Die vier arbeiten im Bereich User Experience Design bei der Foundation und sind an der Entwicklung verschiedener Tools beteiligt, die dabei helfen sollen, Partizipation zu erleichtern und damit insbesondere diejenigen Menschen nachhaltig als Autoren und Autorinnen zu gewinnen, die an der Mitarbeit in den Wikimedia-Projekten interessiert sind und über wertvolles Wissen verfügen, aber bislang von Sprachbarrieren oder der technischen Komplexität des Systems abgeschreckt werden.
Tim Moritz Hector stellte das Teahouse Project vor, das er derzeit für die deutschsprachige Wikipedia adaptiert und das eine Art Anlaufstelle für Wikipedia-Neulinge sein soll, also ein Ort, an dem sie Fragen stellen und sich mit der Wikipedia-Kultur vertraut machen können. Besonders älteren Menschen oder solche mit weniger ausgeprägtem technischen Verständnis soll so der Einstieg erleichtert werden.
Bestrebungen zur Förderung von Diversität sind immer auch mit Kosten und Problemen verbunden, erläuterte Ting Chen, der seit 2003 aktiver Wikipedianer ist und zwischen 2010 und 2012 auch im Kuratorium der Foundation saß. Diese Kosten können einerseits monetärer Art sein, denn Programme und Projekte zur Förderung von Diversität kosten natürlich immer auch Geld. Andererseits kann damit auch der Verlust von Autoren und Autorinnen gemeint sein, die der Förderung von Diversität in bestimmten Aspekten kritisch gegenüberstehen und sich bei einer zu starken Änderung von Regelungen abwenden würden. „Diversität um jeden Preis“ ist daher nicht der richtige Ansatz und man sollte immer die zu erwartenden Kosten beachten und realistisch bleiben.
Dokumentation
Für diejenigen, die nicht dabei sein konnten, haben wir eine umfassende Dokumentation der Konferenz erstellt. Diese enthält unter anderem die Präsentationen sowie Zusammenfassungen der wichtigsten Aussagen und Ergebnisse aller Sessions. Ausserdem haben wir Teile der Konferenz filmisch dokumentiert und Video-Interviews mit den Referenten und Referentinnen geführt, die sich, neben vielen Fotos, ebenfalls auf der Dokumentationsseite befinden. Wenn ihr die Konferenz besucht und selber Bilder gemacht habt, die ihr mit uns teilen möchtet oder weitere Dokumente oder interessante Links zum Thema Diversität kennt, die lesenswert sind, seid ihr herzlich eingeladen, diese ebenfalls auf der Konferenzseite hochzuladen. Nutzt zur Kenntlichmachung gerne auch das Hashtag zur Konferenz: #divcon.
Dank an Ting, daß er offenbar einen realistischen Blick auf das Problem geworfen hat. Denn machen wir uns nichts vor – viele der Beiträge sind Blicke von Außen. Die sind sicher gut gemeint, sicher auch oft mit berücksichtbaren Aspekten – aber oft ohne Verständnis der realen Vorgänge in der Wikipedia. Die oftmals an den Tag gelegte “Diversität um jeden Preis”- oder “Nach der Diversität die Sintflut”-Haltung hilft nämlich nicht weiter. Diversität mag leicht erreichbar sein, wenn man die vorhandene Community ein ums andere mal vor den Kopf stößt (vermutlich auch durch derartige Konferenzen, die letztlich neben dem Großteil der Community her läuft) und dann vermehrt Autoren das Projekt verlassen. Am Ende kann das aber nicht der Sinn der Sache sein. Die Gründe für fehlende Diversität sind so mannigfaltig, daß der Versuch einfache Antworten zu finden mich oft erstaunt – vor allem wenn die Antwort ist, zu versuchen aus bestimmten Zielgruppen Autoren in größerer Zahl zu gewinnen. Das wird einfach nicht passieren. Wahrscheinlich werden nicht einmal von den Referenten die bislang keine Autoren waren, in größerer Zahl neue Autoren bleiben. Wikipedianer wird man nicht, weil man gesucht wurde. Das ist eine Berufung. Man wird ja auch nicht Fußballer, obwohl man nicht den Drang hat Fußball zu spielen. Man geht nicht in einen Hundezüchterverein, wenn man keine Hunde mag. Wenn überhaupt muß man versuchen zu erkennen, wer dieses “Wiki-Gen” in sich trägt. Aber dafür habe ich noch keinen Radar entwickelt. Interessieren tun sich durchaus einige Leute dafür – aber wirklich mitmachen tun dann eben nur Wenige.