Insbesondere die Themenpriorisierung lädt ein zu einer kleinen Visualisierung.
Wir präsentieren daher nun unseren Entwurf für die Wikimedia-Wahlprüfsteine zur Bundestagswahl. Wir wollen die finale Fassung zu Beginn der kommenden Woche an alle zur Wahl zugelassene Parteien schicken und bitten darum um Feedback, Vorschläge zur Verbesserung, allgemeine Kritik und alle sonstigen Hinweise. Es wurden insgesamt 11 Fragen, die jeweils aus einem der höchstgerankten Themen stammen. Bei zwei hochgerankten Themen (Geodaten und Verwaiste Werke) schlagen wir vor, keine Frage zu stellen, da nach den Gesetzgebungsaktivitäten der ablaufenden Legislaturperiode vorerst keine Reform- oder Änderungsdebatten zu erwarten sind und frühestens mit der Evaluation der Richtlinie zu Verwaisten Werken wieder eine solche Debatte auf breiterer Ebene geben wird. Zu diesem Vorschlag bitten wir um Euer Feedback.
Bitte verwendet dazu gerne den Kommentarbereich dieses Blogs oder schickt eine Email an: mathias.schindler@wikimedia.de. Danke.
Wahlprüfsteine Bundestagswahl 2013
Thema 1: Urheberrecht
Amtliche Werke
Artikel 2 Absatz 4 der Revidierten Berner Übereinkunft (RBÜ) erlaubt es den Vertragsstaaten, den Schutz amtlicher Texte zu bestimmen. Die derzeitige Fassung des §5 UrhG bestimmt, dass in Deutschland ein bestimmter Teil amtlicher Werke keinen Schutz genießt.
Frage 1: Befürworten Sie die Ausweitung des §5 UrhG auf alle amtlichen Werke?
Reproduktionen
In der Regel endet der urheberrechtliche Schutz kreativer Güter 70 Jahre nach Tod des Urhebers. Teilweise finden Versuche statt, den urheberrechtlichen Schutz eines Werks über seine vom Gesetzgeber vorgesehene Frist zu strecken, indem z.B. auf originalgetreue Reproduktionen zweidimensionaler gemeinfreier Vorlagen ein urheberrechtlicher Schutz nach §72 UrhG behauptet wird.
Frage 2: Sehen Sie gesetzgeberischen Bedarf zur Klarstellung, dass durch simple Reproduktion eines gemeinfreien Werks keine neuen Rechte entstehen?
Panoramafreiheit
Das deutsche und viele andere nationale Urheberrechtsgesetze kennen die Schranke der Panoramafreiheit, welche es erlaubt Abbildungen von Werken, die sich bleibend an öffentlichen Plätzen befinden, zu vervielfältigen und zu verbreiten.
Frage 3: Wird sich eine Bundesregierung unter Ihrer Beteiligung auf europäischer Ebene dafür einsetzen, die in der Infosoc-Richtlinie (Richtlinie 2001/29/EG) verankerte Panoramafreiheit zum Zwecke der Harmonisierung obligatorisch statt wie bisher fakultativ zu machen?
Verwaiste Werke
In der abgelaufenen Legislaturperiode hat der Deutsche Bundestag die EU-Richtlinie zu Verwaisten Werken (Richtlinie 2012/28/EU) in nationales Recht überführt.
Wir stellen keine Frage, weil nach unserer Einschätzung in der kommenden Legislaturperiode noch nicht zu einer Reformdebatte kommen wird.
Thema 2: Zugang
Informationsfreiheits- und Transparenzgesetze
Seit 2006 existiert in Deutschland ein Informationsfreiheitsgesetz auf Bundesebene, das dem einzelnen Bürger den Zugang zu Informationen im Besitz der Verwaltung ermöglichen soll. 2012 erfolgte die Veröffentlichung der Evaluation des IFG.
Frage 4: Befürworten Sie die Modernisierung des Informationsfreiheitsgesetzes des Bundes bzw. die Einführung eines Transparenzgesetzes des Bundes? Wenn ja, welche konkreten Eigenschaften soll ein solches Gesetz haben?
Open (Government) Data
Open (Government) Data bezeichnet die proaktive Freigabe von Rohdaten der Verwaltung zur beliebigen Nachnutzung durch Dritte. Ausgenommen sind Daten, die aus datenschutzrechtlichen oder Geheimhaltungsgründen geschützt werden müssen. Eine Auflistung allgemein akzeptierter Kriterien für Open Data liefert die Sunlight Foundation in ihren Ten Principles for Opening Up Government Information (http://sunlightfoundation.com/policy/documents/ten-open-data-principles/)
Frage 5: Sprechen Sie sich für den Regelbetrieb des Portals govdata.de aus? Welche Fortführungsperspektive sehen Sie für Open Data-Portale des Bundes?
Geodaten
2011 und 2012 änderte der Bundestag das Geodatenzugangsgesetz (GeoZG), bzw. erließ die Bundesregierung die Geodatennutzungsverordnung (GeoNutzV), die die freie Nachnutzbarkeit von Geodaten des Bundes regelt. Wir stellen daher dieses Mal keine Wahlprüfsteinfrage, weil es derzeit keinen Anlass für Reformdebatten gibt. Als nächstes geht es um die Geodaten der Länder (von denen es deutlich mehr gibt). Siehe dazu die Geodaten-Fragen in unseren Landtagswahlprüfsteinen.
Thema 3: Netzpolitik
Netzneutralität
Netzneutralität umfasst unter anderem die Gleichbehandlung von Daten im Internet ohne Benachteiligung oder Bevorzugung bestimmter Diensteanbieter. Vor einigen Monaten kündigte ein großer Serviceprovider an, verstärkt durch Verträge über managed services einzelne Dienste in der Übertragung zu priorisieren.
Frage 6: Sehen Sie im bestehenden § 41a TKG eine hinreichende Grundlage, um über eine Verordnung Regeln zur Sicherung der Netzneutralität aufzustellen? Wenn ja, wie sollen diese Regeln aussehen? Wenn nein, welche Änderung des TKG schlagen Sie vor?
Netzsperren
Zum Anfang der Legislaturperiode kam es zuerst zur Nichtanwendung, später zur Aufhebung des noch jungen Zugangserschwerungsgesetzes. Gleichzeitig wurde über die Errichtung von Netzsperren im Rahmen der Regulierung von Glücksspiel oder zum Jugendmedienschutz diskutiert. Unterschiedliche Formen der Sperrung von Netzzugängen sind ebenfalls Thema in internationalen Verhandlungen, unter anderem zur Durchsetzung von Immaterialgüterrechten.
Frage 7: Wie beurteilen Sie den Erfolg der nach der Aufhebung des Zugangserschwerungsgesetzes im Dezember 2011 durch die Bundesregierung beschlossenen Strategie “Löschen statt Sperren”? Fallen Ihnen Arten von strafbaren oder unerwünschten Inhalten ein, deren Zugang Ihrer Ansicht nach durch technische Hürden erschwert werden soll?
Datenschutz / Digitale Privatsphäre
Spätestens seit 2007 werden zumindest im Rahmen des NSA-Projekts XKeyscore auch (in internen Präsentationen wird dies hervorgehoben) Lesevorgänge in Wikipediaartikeln überwacht. Die Internetverkehrsdaten dazu stammen aus mehr als 150 Netzknoten, darunter solchen in Europa, inklusive Deutschland. Nach Presseinformationen wurde auch deutschen Behörden der Zugriff auf XKeyscore gewährt.
Frage 8: Wird eine Bundesregierung unter ihrer Beteiligung die gesetzlichen Vorgaben (beispielsweise im BKAG, BVerfSchG, BNDG) dahingehend ändern, dass es deutschen Behörden untersagt wird, Lesezugriffe auf Wikipedia durch Bürger zu überwachen?
Thema 4: Bildung
Open Access
Open Access bei wissenschaftlichen Texten bezieht sich auf ein Lizenzierungs- und Veröffentlichungsmodell, das den kostenfreien Zugang und bestimmte Formen der legalen Weiternutzung und Verbreitung gestattet.
Frage 9: Wie beurteilen Sie den aktuellen Zugang der Allgemeinheit auf Forschungsergebnisse und Publikationen, die direkt oder indirekt mit staatlicher Unterstützung erstellt wurden? Befürworten Sie gesetzliche oder andere Maßnahmen, den legalen, dauerhaften Zugang zu verbessern?
Kulturelles Erbe
Seit November 2012 ist eine Vorschauversion der “Deutschen Digitalen Bibliothek” (DDB) online, die anteilig von Bund und Ländern finanziert wird. Das Portal ist als deutscher Beitrag zum europäischen Vorhaben Europeana gedacht und aggregiert derzeit noch eine verhältnismäßig kleine Zahl an Kataloginhalten und Vorschaubildern aus deutschen Kultureinrichtungen. Im Gegensatz zu Europeana gibt es keine Verpflichtung für teilnehmende Einrichtungen, die Objektmetadaten oder gar die Objekte selbst zur Nachnutzung freizugeben.
Frage 10: Befürworten Sie die Einführung eindeutiger Vorgaben zur freien Lizenzierung aller digitalen Objekte im DDB-Bestand statt wie bisher nur die optionale Freigabe der entsprechenden Objektmetadaten?
Open Educational Resources
Open Educational Resources (OER) sind der allgemeine Begriff für solche Lehrinhalte, die von ihren Rechteinhabern zur Nachnutzung freigegeben worden sind und legal auch von Dritten verbreitet, modifiziert und veröffentlicht werden dürfen. Im Juni 2012 veröffentlichte die UNESCO in ihrer Pariser Erklärung die Aufforderung an Mitgliedsstaaten, OER-Strategien zu entwickeln und umzusetzen.
Frage 11: Welche konkreten – die Prinzipien des Föderalismus berücksichtigenden – Maßnahmen wird eine Bundesregierung unter Ihrer Beteiligung durchführen, um die Erstellung und Verbreitung von Lehr- und Lernmitteln unter Freier Lizenz (OER) im Bildungsbereich zu fördern?
[…] ist im Meta-Wiki für jede/n möglich. Mit Hilfe der Wikimedia-Leserschaft war im Juli eine Prioritätenliste für Themen erstellt worden, daraus wurden dann 11 Fragen, die dann an alle zur Wahl zugelassenen Parteien […]