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Die Suche nach einer “Kultur des Teilens”

WMDE allgemein

11. Februar 2013

In den meisten Klassenzimmern herrscht immer noch Unklarheit darüber, was Wikipedia ist und wie man damit als Lehrer umgehen soll. Auch in Bezug auf die Auseinandersetzung mit dem Thema Freien Wissens wird das fehlende Verständnis für gemeinschaftlich erstellte Inhalte immer wieder deutlich. Am 1. Februar 2013 hat die Medienanstalt Berlin-Brandenburg (Mabb) gemeinsam mit Partnern eine Veranstaltung zum Thema “Freier Wissenszugang im Internet” durchgeführt, eine eintägige Fortbildungsveranstaltung für Lehrende und Multiplikatoren aus dem Bereich der schulischen Bildung. Etwa 80 Teilnehmende kamen zusammen und diskutierten über Fragen rund um das Themenfeld “Freie Inhalte” und “Open Educational Resources”. Unter den Partnern waren, neben Wikimedia Deutschland, auch IRights, die Bundeszentrale für Politische Bildung und das Land Brandenburg. Die Veranstaltung gewann durch einen besonders innovativen Rahmen, der sich deutlich von üblichen Fortbildungsveranstaltungen abhob: Partner aus der Praxis und aus dem theoretischen Umfeld boten Themen-Tische an, zu denen sich die Teilnehmer gruppierten. Das Format ermöglichte eine Auseinandersetzung mit allen Themen und einen regen Austausch.

Wikimedia Deutschland hat sich in diesem Jahr das Ziel gesetzt, Akteure im Themenfeld der Open Educational Ressources (dt: Freie Inhalte im Bildungsbereich) zu vernetzen. In diesem Rahmen nutzten wir diese Chance dazu, uns zu Beginn gleich einmal den Input der Lehrenden direkt zu holen. Ein erster Schritt dazu fand hier statt! Weitere werden folgen. An unserem Tisch zu “Freiem Wissen im Unterricht” wurde an diesem Tag, nach einem kurzen Input, im Wesentlichen über zwei Fragen diskutiert: Zum einen über das (fehlende) Problembewusstsein der Lehrenden und zum anderen über die Frage wo man denn nun diese “Freien Inhalte” eigentlich finden kann.

Die “Kultur des Teilens”

Elly Köpf, CC-BY-SA 3.0

Bei vielen Lehrern herrscht noch immer die Vorstellung alles was im Internet stehe, sei doch “frei” verfügbar und damit “frei”. “Wo sei denn da das Problem?”, fragte einer der Lehrenden. Alle Teilnehmenden zeigten sich jedoch sehr interessiert an den Merkmalen Freien Wissens und den Creative Commons Lizenzen. Fasst man die Beobachtungen zusammen, so wird deutlich, dass die Idee, Inhalte durch einen gemeinschaftlichen Prozess zu verbessern, immer noch nicht im schulischen Kontext angekommen ist. Im Kern bleibt somit die Feststellung, die sich in jedem Kontakt mit Lehrenden wiederholt, der Mehrwert kollaborativ erstellter Freier Inhalte bleibt der derzeitigen Lehrsituation fremd. Zu unserer Frage, wie “Freie Inhalte im Unterricht” genutzt werden können, ergab sich eine Diskussion, die diese Beobachtung unterstrich. Unter dem Schlagwort “Wissen verändern, verändertes Wissen” wurde deutlich, dass eine Auseinandersetzung mit Freien Lizenzen und Freiem Wissen immer auch zu der Frage führt, was Bildung eigentlich bedeutet und welchen Stellenwert der Bildung in der heutigen Zeit eingeräumt werden sollte. Ist es der “rote Faden”? Ist es Inhalt? Die Idee Freien Wissens kann für die Schule in jedem Fall bedeuten, sich für kollaborative Prozesse (ob mit oder ohne Internet) zu öffnen.

Vom Suchen und Finden

Aber auch wenn Lehrer bereit sind, Freies Wissen in den Unterricht einzubinden, so ergeben sich immer noch einige Hürden. Es ist sehr schwer für Lehrende, eine korrekte Angabe sicherzustellen und Freie Inhalte im Internet zu suchen. Gerade die Lehrenden, die sich gerne mehr mit Freien Inhalten beschäftigen möchten, bekommen hier bislang nur wenig Unterstützung. Erweiterte Sucheinstellungen, Wikimedia Commons oder CC-Search, sind kaum bekannt. Die Forderungen der Anwesenden waren eindeutig: Mehr Aufklärung zu Urheberrecht und Mediennutzung in der Lehrerausbildung und eine leichtere Handhabung freier Inhalte. Ein fehlendes Problembewusstsein der Lehrenden wird immer wieder sichtbar und damit auch die Frage danach, wie ein solches Problembewusstsein entstehen kann. So lange sich Lehrende in der rechtlichen Grauzone sicherer fühlen, als in der Nutzung Freier Inhalte, wird die Debatte nicht zu einer aktiven Umsetzung führen.

 

Was nimmt man aus einem so intensiven Tag mit? Im schulischen Bereich mangelt es an einem Verständnis für Quellennutzung, Recherche und Urheberrecht. So lange das nicht bereits in der Lehrerausbildung thematisiert wird und keine Förderung “kollaborativer Arbeitsformen” in der Schule stattfindet, bleibt es für die Einbindung Freier Inhalte in der schulischen Bildung schwer.  Auf politischer Ebene muss sich zum einen die Fortbildung von Lehrenden auf einer breiten Ebene verändern, zum anderen ist der Themenschwerpunkt der “kritischen Medienkompetenz” im schulischen Bereich ein wichtiger erster Schnitt für eine aktive Auseinandersetzung mit Inhalten im Netz. Die Förderung von Freiem Wissen und damit auch Open Educational Ressources darf damit nicht dem Einzelnen überlassen werden, sondern muss von staatlicher Seite unterstützt werden.

 

  • Hallo Partik, auch dir vielen dank für den Beitrag. Bei dem Verlag würde es sicher auf einen Versuch ankommen, der sehr spannend wäre, aber bisher leider noch nicht geschehen ist. In diesem Zuge auch der Ruf nach Förderung am Ende des Beitrags. Mit der “Kultur des Teielens” geht es mir leider tatsächlich um das, was du im zweiten Abschnitt beschreibst. Sehr gerne würde ich auch auf breiter Ebene mehr davon hören, dass kollaborative Arbeitsformen im Unterricht auch den Weg ins digitale Zeitalter führen würden.

    Kommentar von Elly am 20. Februar 2013 um 09:50

  • Danke für den Beitrag. Bemerkenswert finde ich, dass sich durch diese Bildungsinitiativen, sei es von Seiten der Foundation oder von Wikimedia Deutschland, immer wieder eine gewisse Gleichsetzung von “freien Inhalten” und von “irgendwelchen Leuten im Internet kollaborativ erstellten freien Inhalten” finden lässt. Zum Beispiel ist mir überhaupt nicht klar, weshalb, wie oft zu lesen, irgendjemand etwas gegen den Einsatz “freier Inhalte” im Unterricht haben sollte. Nehmen wir an, der Oldenbourg-Verlag eröffnet eine neue Linie für Lernmaterial, das unter einer Creative-Commons-Lizenz kostenlos verfügbar ist. Hätte ernsthaft ein Lehrer Bedenken gegen die Nutzung? Klar, der Preis eines Gutes mag dem unwissenden Kunden als Proxy für die Qualität dienen; aber wenn der Name des Herausgebers/Autors der Lernmaterialien stimmt, sollte es wohl kaum Probleme geben, zumal ein Lehrer die Qualität ja auch selbst prüfen können sollte.

    So verstehe ich denn auch nicht, weshalb in dem Blogbeitrag zu lesen ist, solange “keine Förderung ‘kollaborativer Arbeitsformen’ in der Schule stattfindet, bleibt es für die Einbindung Freier Inhalte in der schulischen Bildung schwer”. Warum denn? Und überhaupt: Findet im Schulalltag wirklich keine “Förderung kollaborativer Arbeitsformen” statt? Ist nicht der doch wohl unbestrittene Boom — gesehen über, sagen wir, die letzten dreißig Jahre — von Gruppen- und Teamarbeiten, der Aufstieg integrativer bzw. kooperativer Lernformen ein Indiz dafür, dass genau das Gegenteil der Fall ist?

    Kommentar von patrik am 20. Februar 2013 um 03:17

  • Naja @nuja “fehlerhafter Haufen von Artikeln” ist sehr pauschal und klingt nach Getroffenheit! Es geht weder um Abschreiben aus Wikipedia oder dem guten alten Brockhaus (das dauerte nur länger), sondern es geht darum, wann Schule und ihre Lehrer endlich in der digitalen Wissensgesellschaft ankommt. Die fachliche Methode, die man an der Uni braucht, ist nicht copy&paste aber lesen, verstehen, zuordnen und abstrahieren – und dann kreativ neu komponieren und Neues dabei entdecken! Jeh mehr Informationen dafür ausgewertet werden, desto besser, jeh schneller das geht ebenso. Die Inder und Chinesen machen dass in einigen Jahren mit der Google-Brille, was wir in Deutschland mit Schulbüchern aus den 70er Jahren machen!
    Wo sind denn die an die Moderne angepassten Schulbücher, die von verschlafenen Bildungspolitikern geordert werden?

    Kommentar von Wilhelm Voigt am 15. Februar 2013 um 21:56

  • Na und? Meint ihr mit diesem fehlerhaften Haufen von Artikeln tatsächlich etwas Gutes für Schüler zu tun? Ist der Artikel gut, ist das Referat gut, ist der Artikel schlecht, gehts in die Hose. Quellen stehen immer noch in Schulbüchern, dafür braucht es eine Lizenz. Was ihr anzubieten habt, ist zusammengewürfeltes (und manchmal sich selbst referenzierendes Zeugs). Wer aus Wikipedia oder sonstigen verfügbaren Hausaufgabenquellen abschreibt, hat das Lernen nicht verstanden. Er bekommt von den fachlichen Methoden (die er evtl. später an der Uni mal braucht) gar nix mit. Ein Armutszeugnis…

    Kommentar von nuja am 14. Februar 2013 um 16:20

  • Ich kann die Feststellungen, die hier getroffen wurden, nur unterstreichen, das gilt insbesondere für das Fazit: ” Im schulischen Bereich mangelt es an einem Verständnis für Quellennutzung, Recherche und Urheberrecht.”

    Ich biete auf meiner Internetseite selber OER-Materialien an, doch die große Mehrheit meiner Kolleginnen und Kollegen können mit diesen Begriff überhaupt nicht anfangen. Ich sehe hier ebenfalls den Staat in der Pflicht, eine Aktion zum Thema “Urheberrecht” und “Kultur des Teilens” in den Schulen zu starten.

    Ein weiteres Problem, auf das ich vor kurzem aufmerksam gemacht wurde, ist, dass es bei den derzeitigen Aufgabenstellungen für Schülerinnen und Schüler immer noch sehr attraktiv ist, einfach aus dem Internet abzuschreiben. Jöran Muuß-Merholz hat diesbezüglich für das nächste Educamp in Hamburg einen interessanten Themenvorschlag zu “Anti-Copy&Paste-Schulaufgaben” gemacht: http://educamp.mixxt.de/networks/forum/thread.258366.

    Ab und an wird das Thema OER auch bereits in der Presse behandelt, z. B. in diesem Artikel der Süddeutschen Zeitung: http://medienistik.wordpress.com/2013/02/08/interview-mit-der-suddeutschen-zeitung-zum-thema-oer/

    Kommentar von Tobias Hübner am 11. Februar 2013 um 18:35

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