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Vom Ob zum Wie: Konferenz zum kulturellen Erbe

WMDE allgemein

19. Oktober 2012

Dach des Glashofs des Jüdischen Museums in Berlin, Autor: Kemmi.1, CC-BY-SA 3.0

Kultureinrichtungen sind derzeit nicht zu beneiden. Neben das Kerngeschäft – die Bestandspflege des kulturellen Erbes – tritt die Herausforderung, schnellstmöglich den Anschluss an veränderte Rezeptionsgewohnheiten und Nutzerbedürfnisse im digitalen Zeitalter zu finden. Zentrale Fragen, die im Wikimedia-Kontext oft schon nicht mehr gestellt werden, treiben sie deshalb verstärkt um: Wie schaffen wir möglichst niedrigschwellige Zugänge? Heißt “freier Zugang” automatisch auch “kostenloser Zugang”? Wie gestalten wir den Austausch zwischen Experten und Ehrenamtlichen, die das Interesse an Vermittlungsarbeit eint? Es geht also, mit anderen Worten, um das Selbstverständnis von Gedächtnisinstitutionen.

Dabei hat das Open-Access-Paradigma auch dort längst Einzug gehalten. Den meisten Beteiligten ist die legitimatorische Kraft des Rufs nach Öffnung durchaus bewusst: Das in den Kultureinrichtungen geschaffene Wissen ist vielfach bereits mit Steuermitteln finanziert worden. Eine Öffnung der Inhalte folgt jedoch nicht dem Gebot einer vermeintlichen “Kostenloskultur”, sondern ist geradezu die Basis für die gemeinschaftliche Aneignung und das Fortleben des kulturellen Erbes. Diese Einsicht mag zwar vielerorts schon Konsens sein, aber die Umsetzung hakt gewaltig, weil oft genug die Ressourcen nicht ausreichen, um Digitalisierungsprojekte zu stemmen oder neue Wege z.B. in der Lizenzierung von Bildmaterial einzuleiten.

Häufig unterscheiden Museen und Archive, ob Bestände für wissenschaftliche bzw. private Zwecke genutzt werden oder ob eine kommerzielle Verwertung angestrebt wird. Doch wo beginnt eine „kommerzielle Nutzung“? Welche Businessmodelle wurden und werden mit der Nutzung des kulturellen Erbes verbunden? Warum genügt eine Lizenz, die nur nicht-kommerzielle Nutzung zulässt, für eine Aufnahme von Inhalten in die Wikipedia nicht? Wie ist das Einstellen von „privaten“ Fotos in soziale Netzwerke zu beurteilen? Wie verträgt sich die Einschränkung auf nicht-kommerzielle Nutzung überhaupt mit dem Grundsatz des offenen Wissens?

Diese und andere Fragen wird am kommenden Montag und Dienstag die internationale Konferenz “Zugang gestalten! – Mehr Verantwortung für das kulturelle Erbe” im Glashof des Jüdischen Museums Berlin behandeln. Zwei Tage lang werden Fachleute aus Kultur, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und Politik aktuelle Fragen des Zugangs zum kulturellen Erbe im Informationszeitalter erörtern. Rund 250 Teilnehmer haben sich bereits zu der Konferenz angemeldet.

Wikimedia Deutschland ist Mitveranstalter, u.a. werden Vorstand Pavel Richter sowie die beiden aktuellen Wikipedians-in-Residence Marcus Cyron (Deutsches Archäologisches Institut) und Lennart Guldbrandsson (Schwedische Nationalbehörde für Kulturelles Erbe) Inputs liefern. Zur bunten Partnerphalanx gesellen sich die Stiftung Preußischer Kulturbesitz, das Internet & Gesellschaft Collaboratory, das iRightsLab sowie die Open Knowledge Foundation.

Das gegenwärtige Dilemma für die Institutionen kann man vielleicht so beschreiben: Einerseits wird von ihnen gefordert, ihre Arbeit auch durch die Verwertung der von ihnen verwahrten Kulturgüter zu finanzieren. Auf der anderen Seite erwartet man, dass sie ihrem Bildungsauftrag nachkommen und einen möglichst unbeschränkten Zugang gewähren. Dazu treten rechtliche Unsicherheiten, wie etwa die Behandlung verwaister Werke. Konferenzleiter Paul Klimpel dazu: “Im Alltag von Museen, Archiven und anderen Gedächtnisinstitutionen wird häufig bereits auf die Nutzung von Werken verzichtet, wenn die Recherche der Rechteinhaber zwar möglich wäre, aber befürchtet wird, dies sei mit größerem Aufwand verbunden.”

Die zweitägige Konferenz versteht sich als Follow-up einer Veranstaltung, bei der Wikimedia Deutschland ebenfalls beteiligt war. Im Rahmen von “Ins Netz gegangen” kamen im November 2011 Vertreter vieler deutschsprachiger Kultureinrichtungen in der Kinemathek zusammen und warfen ein Licht auf die Möglichkeiten, mit Hilfe des Internets kulturelles Erbe sicht- und verfügbar zu machen. Auf Youtube und der Konferenzwebseite sind die Videoaufzeichnungen dieser Konferenz immer noch abrufbar.

Alle Interessierten an der Konferenz “Zugang gestalten!” sind herzlich willkommen und können sich in einem dafür bereitgestellten Formular registrieren. Update: Alternativ dazu ist der Live-Stream auf der Veranstaltungswebsite bzw. hier abrufbar.]

Kommentare

  1. […] Zwei Tage lang tagten ca. 200 Vertreter verschiedenster Kultureinrichtungen aus ganz Deutschland im Glashof des Jüdischen Museums in Berlin zum Thema “Das kulturelle Erbe digitalisiert nutzbar machen”. Den meisten der anwesenden Kulturvertretern ging es offenkundig um das Wie, statt nur um das Ob. […]

  2. […] Archivare und Museumsdirektoren (kurz im englischen Akronym GLAM) ging es offenkundig um das Wie, statt nur um das Ob. Das Cover der neuen Wikimedia Broschüre für […]

  3. Marcus Cyron
    21. Oktober 2012 um 22:14 Uhr

    Also du stellst du Sache völlig anders da als das Bundesarchiv (und die werden das wohl sicher am Besten wissen), was man nachlesen und bei YouTube als Video sehen kann.

    Vielleicht solltest du mit deinen persönlichen Animositäten in Sachen Wikipedia zu aller Nutzen doch besser einen anderen Spielort suchen? :)

  4. nuja
    21. Oktober 2012 um 20:38 Uhr

    War nen Versehen – passiert dir sicher nicht…Bitte genau hinhören – man hatte sich vom Bundesarchiv auch eine “Arbeitserleichterung” erhofft, z. B. dass wikipedia auch etwas an den grottigen Untertiteln (Original NS) durch zusätzliche Recherche zurückgeben kann. Das ist nicht gelungen. Zwar sind die Erträge gestiegen, jedoch auch der Aufwand des Bundesarchivs. Eine Hilfe war diese Kooperation nicht. Tu nicht so, als seien Dritte an dem Scheitern schuld. Und besonders doll war der Vortrag von Richter über einen “Schatz, den man heben kann.” Ich sach dazu, in der Jugend zuviel Jaques Cousteau gesehen…wen interessiert das? Wen interessiert der simpsons-Artikel von vor vier Jahren? Mich jedenfalls nicht. Daher war das Antiwerbung – genau hingesehen hat dies in der anschließenden Diskussion auch niemanden interessiert. Thema verfehlt.

  5. Marcus Cyron
    21. Oktober 2012 um 00:28 Uhr

    Auch wenn man es 2x schreibt wird es nicht wahrer. Die Kooperation mit dem Bundesarchiv etwa wurde nicht wegen Wikip/media beendet, sondern weil ein Großteil der Nachnutzer ausserhalb der Wikimedia-Projekte sich nicht an Regeln halten kann. Also schön immer bei der Wahrheit bleiben – die im übrigen vom Bundesarchiv ganz deutlich erklärt wurde. Und sonst – ist da nur eine große anonyme Klappe, oder kommt da vielleicht am Montag mal was Substantielles?

  6. nuja
    21. Oktober 2012 um 00:18 Uhr

    Tja – wenn es eine Fortsetzung von dem http://ins-netz-gegangen.org/videos/ ist, kann es nur peinlich sein (Vortrag von P. Richter- , die Simpsons, ähm). Andererseits die Beendigung einer Kooperation mit dem Bundesarchiv (Vortrag von O. Sander). War schlichte Antiwerbung…

  7. nuja
    21. Oktober 2012 um 00:11 Uhr

    Tja – wenn es eine Fortsetzung von dem http://ins-netz-gegangen.org/videos/ ist, kann es nur peinlich sein (Vortrag von P. Richter). Andererseits die Beendigung einer Kooperation mit dem Bundesarchiv (Vortrag von O. Sander). War schlichte Antiwerbung…

  8. Marcus Cyron
    19. Oktober 2012 um 23:28 Uhr

    Hallo Alice, ich bin zwar nicht Heinz ;) – aber da kann ich weiterhelfen. Zumindest eine Überblicksseite gibt es, von der man in vielen Fällen zu weitergehenden Informationen geleitet wird: http://outreach.wikimedia.org/wiki/Wikipedian_in_Residence

  9. Alice Wiegand
    19. Oktober 2012 um 22:01 Uhr

    @Heinz, was mir dabei durch den Kopf geht: Gibt es eigentlich irgendwo eine Stelle, an der alle aktuellen Residents, ihre Auftraggeber und ihre Aktivitäten dargestellt werden? Das Modell wird ja mittlerweile in verschiedenen Ländern umgesetzt, mir fehlt aber tatsächlich eine Übersicht.

  10. Jan Engelmann
    19. Oktober 2012 um 20:36 Uhr

    @Heinz Danke dir, auch für den völlig berechtigten Hinweis, was den kurzen Vorlauf angeht. Allerdings haben wir mittlerweile eine so hohe Frequenz der Blogbeiträge, dass viele wertvolle Informationen sich gegenseitig zu “kannibalisieren” drohen. In jedem Fall soll es einen Live-Stream der Konferenzbeiträge geben, den ich als Update noch einpflegen werde. Ein weiterer Follow-up der Konferenz im nächsten Jahr ist angestrebt, sodass wir miteinander über eine Erweiterung um österreichische Fallbeispiele nachdenken sollten.

  11. Heinz Egger
    19. Oktober 2012 um 19:21 Uhr

    Leider kann ich auch nicht dabei sein. Ich wünsche viel Erfolg und eine schöne Veranstaltung! Vielleicht kann man mich in Zukunft schon etwas früher informieren, gerade als Wikipedian in residence auch für das ganze nächste Jahr bin ich sehr an so einem Austausch interessiert und kann sicher auch aus der Warte der Kooperation mit dem Bundesdenkmalamt Österreich einen Beitrag dazu liefern.

  12. Daniel Mietchen
    19. Oktober 2012 um 16:49 Uhr

    Ich kann leider nicht dabei sein, da zeitgleich in Oxford. Gutes Gelingen!

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