Ein Beitrag von Dimitar Dimitrov, Koordinator für EU-Politik und der “Free Knowledge Advocacy Group EU”.
Die Europäische Kommission hat eine Konsultation über die mögliche Reform der so genannten PSI-Richtlinie (nach dem englischen Titel „Re-use of Public Sector Information“) eingeleitet. Diese Richtlinie soll die Weiterverwendung von Informationen des öffentlichen Sektors regeln. Ziel ist es, öffentliche und öffentlich finanzierte Daten möglichst unbürokratisch zugänglich zu machen.
Wikimedia hat einen Leitfaden für die Beteiligung an der Konsultation (EN) geschrieben. Wir möchten alle dazu aufrufen, sich auf diesem Weg an der Konsultation zu beteiligen, die mehr Zugang zu öffentlichen Informationen haben möchten oder glauben, dass öffentliche Informationen frei zugänglich sein sollten. Die Beteiligung ist bis zum 12. Dezember 2017 möglich.
Vorspiel
Wie in der Überprüfung der Strategie für einen digitalen Binnenmarkt im Mai 2017 vorgesehen, bereitet die Europäische Kommission im Hinblick auf die Verwirklichung der Ziele im Bereich der Datenwirtschaft eine Initiative zur Zugänglichkeit und Wiederverwendung öffentlicher und öffentlich finanzierter Daten vor. Gleichzeitig untersucht sie die Frage, ob und wann Daten privat bleiben müssen, die von öffentlichem Interesse sind.
Auch sollen Wettbewerbsnachteile, die europäische Unternehmen gegenüber ihren amerikanischen Konkurrenten haben, die sich auf ein hoch entwickeltes, gut funktionierendes System öffentlicher Informationen stützen können, ausgeglichen werden.
Ein mittelklassiges Spiel
Allerdings hat selbst die revidierte Richtlinie nicht wirklich den ganz großen Wurf erzielt. Gut ist, dass die neuere Version von 2013 z. B. Museen, Büchereien und Archiven in ihren Geltungsbereich einschließt. So dürfen nun sämtliche bereitgestellten öffentlichen Daten zu jedem Zwecke weiterverwendet werden, vorausgesetzt, die Urheberrechte Dritter werden dadurch nicht verletzt. Im Gegensatz zur alten Version der Richtlinie gilt dies auch explizit für Museen, Bibliotheken und Archive. Auch die Nachnutzungsklausel wurde umgekehrt. Während diese vorher in einigen aufgezählten Fällen erlaubt war, gilt sie nun als Vorgabe.
Trotzdem bleiben sehr viele ungeklärte Fragen, die in Alltagshürden münden. Auch die neue Richtlinienversion nennt keine Lizenz, die zu benutzen wäre oder empfiehlt gar eine offene Lizenz. Das führt oft dazu, dass Regierungen und Behörden sich einige Lizenzen mit eigenen Bedingungen zusammenstellen, die nicht immer kompatibel sind und manchmal sogar die Nachnutzung deutlich erschweren.
Während Mitgliedstaaten dazu aufgefordert werden, eher keine Gebühren für die Bereitstellung und Nachnutzung zu verlangen, gibt es eine Reihe von weitgehenden Ausnahmen, die diese Aufforderung praktisch aushebelt.
Zwei-Zettel-Spiel
Ein zusätzliches Problem ist, dass bestimmte andere Richtlinien der Europäischen Kommission mit der PSI-Richtlinie im Konflikt stehen. Ganz besonders deutlich wird das anhand der Datenbank-Richtlinie, die ein eigenes Nachbarrecht auf Datenbanken schafft. (Siehe auch Datenbankherstellerrecht) Dieses Nachbarrecht wurde in den vergangenen Jahren von Behörden als Vorwand benutzt, um Informationen nicht öffentlich und nachnutzbar zu machen. Der wohl bekannteste Fall stammt aus Frankreich. Ein anderer Fall ist der öffentliche Verkehr der Stadt Sofia, der die Freigabe der Fahrpläne in das nationale Open-Data-Portal mit dem Hinweis auf das Datenbankrecht seit Jahren blockiert.
Selbst die Kommission hat mittlerweile den Widerspruch erkannt. In einem durch eine IFG -Anfrage herausgegebenen Briefings der neuen Digitalkommissarin Mariya Gabriel lässt sich das klar herauslesen. Auch ist die Tatsache, dass die Novellierungen dieser zwei Richtlinien im Paket vorgeschlagen werden soll ist ein klares Zeichen für die legislativen Absichten des EU-Gesetzgebers.
Zwischenspiel
Die Verfehlungen der novellierten PSI-Richtlinie haben nicht nur zivilgesellschaftliche Organisationen aufgebracht. Viele öffentliche Einrichtungen in Europa haben die Kommission gebeten, Leitlinien für die institutionelle Umsetzung zu verfassen. Nach ausgiebigen Konsultationen, an denen u.a. Wikimedia Deutschland sehr aktiv mitgewirkt hat, ist ein solches Dokument erschienen. Es empfiehlt offene Lizenzen und insbesondere CC-0 und legt den Null-Tarif für die Bereitstellung der Informationen nahe. In einer perfekten Welt wären diese Leitlinien Teil der eigentlichen Richtlinie.
Zusammenspiel
Genau das können und sollen wir jetzt verlangen. Die Kommission bittet zur Konsultation und hat einen Fragebogen online gestellt, der bis zum 12. Dezember von jedem ausgefüllt werden kann. Wikimedia hat einen Leitfaden für dessen Beantwortung (englisch) geschrieben und empfiehlt dessen Nutzung.
Nachspiel
In der ersten Hälfte 2018 soll die Reform der PSI-Richtlinie dem Europäischen Parlament und dem Rat vorgeschlagen werden. Darauf folgt eine langwierige Entscheidungsfindung, bis das neue EU-Rahmengesetz steht. Danach muss es natürlich nochmals in nationales Recht umgesetzt werden. Trotzdem lohnt sich der Aufwand und das Durchhalten, denn eine flächen- und standardmäßige Freistellung aller öffentlichen Informationen wartet am Ende als mögliches Schmankerl.
Eine gute, vergleichende Übersicht gibt es hier: https://blog.okfn.org/2013/04/19/the-new-psi-directive-as-good-as-it-seems/