zur Artikelübersicht

Der entscheidende Punkt und andere Nebensächlichkeiten

WMDE allgemein

26. März 2009

Gestern stolperte ich über ein Interview mit Andreas Langenscheidt, gegenwärtiger Vorsitzender des Aufsichtsrates von BIFAB (Duden, Meyers, und derzeit noch Brockhaus). Dort geht es eigentlich um den Verkauf an Cornelsen, eine Frage spricht aber auch direkt die Wirrungen um “Brockhaus Online” an:

Kamen die Bemühungen mit Brockkaus online zu spät?

Brockhaus online war nicht der erste Versuch. Wir haben mit hohen Investitionen vor vielen Jahren mit dem Projekt Xipolis schon einmal einen Anlauf in Mannheim genommen, der aber leider gescheitert ist. Vor einigen Wochen konnten wir gerade in den Medien verfolgen, dass sowohl Wikipedia als auch z.B. Knol mit den Schwierigkeiten der Refinanzierung eines kostenfreien Portals konfrontiert sind. Im Bereich Wissen gab es in letzter Zeit mit Meyers Online Versuche, ebenso mit Brockhaus. Der entscheidende Punkt ist schließlich das Erlösmodell. Ich kenne im Moment kein Verlagsunternehmen, das mit kostenlosen Inhalten, ernsthaft Geld verdient.

Ich bin nicht sicher, auf welchen Medienbericht sich Langenscheidt bezieht, wenn es um die Refinanzierungsschwierigkeiten von Wikipedia geht,  grundsätzlich liegt er aber richtig: Nicht nur in Bankenkrisenzeiten ist es nicht einfach, Spenden zu sammeln. Die Wikimedia Foundation und Wikimedia Deutschland erleben dies jeden Tag wieder. Erfreulich daran ist, dass es bisher immer gelungen ist, den Betrieb und den Ausbau der Infrastruktur zur Unterstützung von Wikipedia und ihrer Schwesterprojekte sicherzustellen.

Heftig widersprechen möchte ich Andreas Langenscheidt, wenn es um den “entscheidenden Punkt” geht, hier verwechselt er Ursache und Wirkung. Der Grund für die Existenz von Wikipedia ist ein Bedürfnis nach Wissen, nach Informationen und Daten, so aktuell, verlässlich und zuverlässig wie möglich. Von Anfang an geht es darum, jedem Menschen auf dem Planeten diesen Zugang zu verschaffen, auf welchem Trägermedium auch immer. Dass man hier irgendwann auf Geld angewiesen ist, war von Anfang an klar und führte 2003 zur Gründung der Wikimedia Foundation. Ihr “Erlösmodell” ist derzeit spendenbasiert und es gibt sehr viele gute Gründe, daran festzuhalten, solange es geht. Die Zeichen stehen gut, dass dies noch lange der Fall sein wird.

Wie viele wissen – und Andreas Langenscheidt gehört hoffentlich dazu, ist Wikipedia nicht einfach nur kostenfrei. Frei wie in Freibier ist ein gerne gesehener Nebeneffekt dessen, was wir Freie Lizenzierung nennen: Das Recht, die Inhalte zu jeder Zeit an jedem Ort für jeden Zweck nutzen zu können, übrigens auch kommerziell, wenn sich dafür ein Geschäftsmodell finde. Die beruhigende Konsequenz freier Lizenzen ist, dass die Zukunft der Wikipedia nicht existenziell davon abhängt, ob die Wikimedia Foundation auch morgen noch existiert.

Ich habe keine Ahnung, ob es einen Verlag gab, gibt oder geben wird, der jemals mit kostenlosen Inhalten ernsthaft Geld verdienen wird, vor allem deshalb, weil ich nicht weiß, ab wie vielen Stellen für Andreas Langenscheidt der Ernst anfängt. Wer jedoch einen Blick in die Tätigkeitsberichte von Wikimedia Deutschland wirft, kann erkennen, dass es neben Erlösmodellen auch andere Gründe geben kann, die Weiterentwicklung einer Onlineenzyklopädie nach allen Kräften zu fördern.

Wie viel ist Ihnen unsere Arbeit wert?

Kommentare

  1. Wikimedia Blog : Von Kindern und Revolutionen
    30. März 2009 um 23:46 Uhr

    […] Rest ist pure Wiederholung und findet sich bereits in meinem Blogeintrag über das Ende des Meyers Lexikon Online. Eine Email an Microsoft ging heute heraus, vielleicht lässt sich ja hier eine Lösung für die […]

  2. Mathias Schindler
    28. März 2009 um 10:36 Uhr

    @Longbow:

    Ich erinnere mich an diese Geschichte. Anthere sprach – so war es ihre Wahrnehmung – explizit über die finanziellen Polster der Foundation und was wäre, wenn über Nacht alle Spendeneinnahmen der Foundation gegen 0 gingen. Ihre eigentliche Botschaft war, dass die Foundation noch nie so viele Reserven hatte wie zu diesem Zeitpunkt, die öffentliche Wahrnehmung war eine komplett gegensätzliche.

  3. Longbow4u
    26. März 2009 um 18:39 Uhr

    Es gab im Jahr 2007 eine zeitlang Presseberichte, wonach die WMF in Geldnöten sei und nur noch 3-4 Monate den Betrieb der Server aufrechterhalten könne. Diese Berichte bezogen sich auf eine Rede von Florence Devouard (Anthere). Anthere dementierte später.

    Siehe z.B:
    http://www.bigmouthmedia.com/live/articles/the-financial-future-of-wikipedia-a-big-question-.asp/3523/

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert