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Free as in Closed: Das Getty-Beispiel

Mathias Schindler

24. März 2014

Ein von einer Kamera fehlerhaft abgespeichertes Bild, es bleiben JPEG-Artefakte

Seit Anfang März 2014 bewirbt die Firma Getty Images eine Funktion zur Einbindung von bestimmten Bildern aus dem Getty-Bildrepertoire in eigene Webseiten und Blogs. Die Nutzung dieser Einbindungsfunktion von Getty-Bildern ist kostenlos für nichtkommerzielle Zwecke. Wikimedia Deutschland e.V. wurden von verschiedenen Seiten um eine Stellungnahme oder Einschätzung dieses Dienstes gebeten.

Eingeschränkte Nutzungsrechte

Getty Images erlaubt in seinen Nutzungsbedingungen im Abschnitt “Embedded Viewer” das Einbinden ausgewählter Bilder aus dem Getty-Gesamtbestand. Getty behält es sich jedoch vor, Bilder aus dieser Auswahl wieder herauszunehmen. Das Einbinden darf nur zu einem “redaktionellem Zweck“ erfolgen, nicht jedoch für kommerzielle, diffamierende, pornografische oder sonstige ungesetzliche Zwecke. Umgekehrt lässt sich Getty Images für sich und für beauftragte Dritte das Recht zur Erhebung von Nutzungsdaten einräumen sowie das Recht, Werbung am Einbindungsort zu schalten oder diese Technik auf andere Weise zu monetarisieren. Ein Anspruch auf Umsatzbeteiligung ist ausdrücklich ausgeschlossen.

Hier werden bereits die Unterschiede gegenüber der Einbindung von Inhalten unter Freier Lizenz deutlich: Diese erlaubt das Speichern, Vervielfältigen, Veröffentlichen und Bearbeiten von Inhalten, auch zu kommerziellen Zwecken, ohne dazu eine Gegenleistung wie Nutzerdaten oder Werbeeinblendungen einzufordern.

Verborgene Risiken

Bei der Einbindung von Getty-Bildern sind Chancen und Risiken sehr ungleich auf beide Vertragspartner verteilt. Für die Möglichkeit, niedrig aufgelöste Versionen von handwerklich in der Regel sehr guten Bildern auf der eigenen Seite eingebettet darstellen zu können, verliert ein Seitenbetreiber ein großes Maß an Kontrolle über das, was auf seiner eigenen Seite abläuft, und wofür er im Zweifel auch juristisch geradestehen muss. Bedenklich ist der durch die technische Umsetzung erzeugte große Abfluss an Nutzungsdaten an eine Vielzahl an Firmen. Alleine hier sollten Seitenbetreiber ausführlich auf die Einhaltung anwendbaren Datenschutzrechts achten und auf mögliche Verpflichtungen, Besucher der eigenen Seite über diese Datenerhebung zu informieren oder ihnen gar die Option zum Widerspruch gegen diese Art der Datenerhebung und -verarbeitung einzuräumen.

Die Prüfung, ob ein Seitenbetreiber vom Verbot der Nutzung zu kommerziellen Zwecken betroffen ist, obliegt dem Seitenbetreiber selbst. Unterschiedliche Auffassungen zwischen Seitenbetreiber und Getty darüber, wo diese kommerzielle Nutzung anfängt, könnten indes Quelle künftiger Auseinandersetzungen werden. Dem gegenüber gibt es diese Unsicherheit nicht bei Lizenzen, die von vornherein auch die kommerzielle Nutzung erlauben und zudem nicht noch über moralisch auszulegende Verbote (diffamierend, pornografisch) Unsicherheit schaffen.

Geschichte wiederholt sich

Ebenfalls gravierend ist die mangelnde Nachhaltigkeit des Angebots, das ohne Fristen eingestellt oder verändert werden kann. Gerade bei Getty gibt es hier den Präzedenzfall einer fast baugleichen Anwendung namens „Picapp“, die ab 2008 die Einbindung unter anderem von Getty-Bildern für nichtkommerzielle Zwecke erlaubte. Dieses Angebot wurde nach der Übernahme der Picapp-Mutter “Picscout” eingestellt; alle Webseiten, die Bilder auf diese Weise eingebunden haben, sind mit dem Szenario konfrontiert, dass damals schön anmutende Seiten inzwischen von ungültiger Auszeichnungssprache verunstaltet werden (wie beispielsweise diese Seiten, die Picapp verwendeten und nun quasi trocken gelegt wurden). Es gibt bislang keine Hinweise von Getty, dass man bei dem aktuellen Angebot anders verfahren möchte als beim Picapp-Angebot.

Demgegenüber erlauben Inhalte unter Freier Lizenz das Speichern auf eigener Infrastruktur. Wird der ursprünglich bereitstellende Dienst eingestellt, reißt dies keine Löcher in die Webseiten dritter.

Die Tücke der Technik

Getty-Bilder werden dauerhaft über einen Dienst auf  embed.gettyimages.com eingebunden, neben dem Bild selbst werden je eine javascript-Datei, eine CSS-Datei und Buttons zum Teilen der Bilder über Tumblr und Twitter ausgeliefert. Die Bilddateien selbst kommen in fester Größer über einen Amazon-Dienst namens CloudFront. Technische Konsequenz: Es ist damit neben Getty auch Amazon, Yahoo, Twitter und Goolge grundsätzlich möglich, jeden Besuch eines Nutzers auf einer Seite nachzuvollziehen, die ihrerseits ein Getty-Bild eingebunden hat und möglicherweise auch mit anderen Nutzerinformationen, die bereits vorliegen, zu verknüpfen.

Kontrast zu Open Content

Das Getty-Angebot steht damit in starkem Kontrast zu den unter Freier Lizenz veröffentlichten Bildern von Wikimedia Commons, dem inzwischen beeindruckend großen freien Medienarchiv. Unter einer freien CC-Lizenz bereitgestellte Bilder dürfen lokal gespeichert werden, es findet kein Datenabfluss an Dritte statt, insbesondere bezüglich der Nutzungsdaten von Seitenbesuchern. Bei Verwendung unter Einhaltung der jeweiligen Lizenzbedingungen ist bei Wikimedia Commons eine zeitlich unbeschränkte Nutzung – auch zu kommerziellen Zwecken – erlaubt. Das Risiko nachträglicher, unerwünschter Effekte auf eigenen Webseiten, etwa unzugänglicher Getty-Bilder, entfällt damit. Ebenso wird das Risiko ausgeschlossen, dass Seitenbesucher mit Werbung konfrontiert werden, über die der Seitenbetreiber keine Auswahlmöglichkeit hat und an deren Schaltung er darüber hinaus nicht finanziell beteiligt ist.

Zusammenfassung

Beim Embedding-Werkzeug von Getty handelt es sich um ein Geschäftsmodell, das die verhältnismäßig einfache Nutzung von Bildern für bestimmte Seitenbetreiber verspricht. Gettys Angebot ist dabei “free” im Sinne der Kostenfreiheit, es sind jedoch keine Nutzungsfreiheiten damit verbunden, wie sie für Freie Inhalte gelten.

Wikimedia Deutschland e.V. rät zur Freigabe und Verwendung frei lizenzierter Inhalte. Projekte wie Wikimedia Commons können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Werkschaffende mit Nutzerinnen und Nutzern zusammenzuführen und den Zugang zu qualitativ hochwertigen Medieninhalten erheblich zu vereinfachen. Seit nunmehr 10 Jahren steht Wikimedia Commons für die Verfügbarmachung von Archivbeständen und leistet  einen wichtigen Beitrag für die Verbreitung von Bildungs- und Kulturinhalten. Projekte, die auf Freien Lizenzen basieren, sind auf Nachhaltigkeit ausgelegt und stehen nicht im Widerspruch zu kommerziell arbeitenden Unternehmungen. Es stünde Getty ausdrücklich frei, im Rahmen der freien Creative-Commons-Lizenzen auch die darunter lizenzierten Bilder zu verbreiten und sie gleichzeitig kommerziell zu verwerten.

Wir freuen uns über Rückmeldungen, Ergänzungen oder Hinweise auf unbeantwortete Fragen.

Literaturhinweise

Kommentare

  1. […] 8. Getty Open Content (Sammlung von Kunstwerken): Digitalisierte Kunstwerken aus dem Getty Trust sind gemeinfrei verfügbar. Achtung: nicht zu verwechseln mit dem seit März bestehenden kostenlosen Einbetten von manchen Getty-Fotos. Dieser Service wird u.a. bei Wikimedia diskutiert: https://blog.wikimedia.de/2014/03/24/getty-images-embed-viewer/ […]

  2. Mathias Schindler
    24. März 2014 um 14:51 Uhr

    @AndreasP: Diese Frage habe ich mir auch gestellt, ich habe darauf keine überzeugende Antwort. Es wäre in der Tat ein spannendes Problem, wenn neben Getty-Bildern auf der eigenen Seite noch Inhalte mit cc-by-nc-Lizenz zum Einsatz kämen. Das ist aber ein gutes Beispiel für ein “Problem anderer Leute”.

    @smial: Es war mir wichtig, dass der Aspekt Qualität bei getty nicht untergeht: Im Gesamtbildbestand der Agentur sind technisch und inhaltlich ganz herausragende Bilder. In dem Punkt Sorgfalt sehe ich das ähnlich: Ein kommerzieller Nachnutzer von Wikimedia Commons-Bildern sollte sich gut Verfahren zur manuellen und/oder maschinengestützten Prüfung überlegen, dabei ist die grundsätzlich sehr vorsichtige Herangehensweise der Commons-Admins hilfreich zur Risikoreduktion.

  3. AndreasP
    24. März 2014 um 14:24 Uhr

    @Smial: Ich habe weit über 20.000 selbst fotografierte Bilder in die Wikimedia Commons hochgeladen (und noch mal soviele Gemälde etc. anderer Quelle) und habe mich angesichts der herrschenden Trolle dort niemals an irgendeiner “Auszeichnungs”-Kandidatur beteiligt und daher dürften ca. 0% davon irgendwie extra getaggt sein. Nun sind nicht alle exzellent, aber ein paar gute dürften schon dabei sein…

  4. smial
    24. März 2014 um 14:01 Uhr

    “Projekte wie Wikimedia Commons können einen wichtigen Beitrag dazu leisten, Werkschaffende mit Nutzerinnen und Nutzern zusammenzuführen und den Zugang zu qualitativ hochwertigen Medieninhalten erheblich zu vereinfachen.” – Für welchen Wert von “qualitativ hochwertig” soll das gelten? Wir haben > 20 Millionen Dateien auf commons, davon sind gut 60k als QIC klassifiziert worden, ein paar Tausend sind FP, bei den “wertvollen Bildern” habe ich jetzt nicht nachgesehen.

    Weniger als 5 Promille der angebotenen Dateien erfüllen derzeit also sowas wie Minimalstandards. Wobei einige der prämierten Bilder – nunja, ich will hier keinen der sicherlich stets bemühten Commons-Fotografen in die Pfanne hauen. Ja, es gibt auch die herausragenden Werke, auch solche, die man nirgendwo anders finden kann und es gibt einen Schwung Knipser, die durchgängig gutes bis sehr gutes Material liefern. Kein Thema.

    Aber die muß ein potentieller Nachnutzer auch erst einmal finden, und damit kommen wir zum zweiten Problem: Commons resp. Mediawiki bietet kein sinnvolles System zur Verschlagwortung und zur Suche an. Die Kategorien sind eine ge- oder besser: verwachsene Struktur, in der es völlig chaotisch zugeht. Weder für Uploader noch für Nachnutzer gibt es wirklich brauchbare Hilfsmittel zur Organisation der Medienflut.

    Und noch ein drittes: Niemand kann garantieren, ob jedes Medium, das auf commons unter einer der freien Lizenzen angeboten wird, tatsächlich frei von Rechten anderer ist. Die völlig überlasteten Commons-Admins und mancher gewöhnlicher Benutzer tun sicher ihr bestes, um beispielsweise per flickr-washing “befreite” Medien zu finden und zu löschen, aber ich habe per Zufall oder per Stichprobe schon etliche Bilder gefunden, bei denen die Herkunft bzw. Urheberschaft keineswegs eindeutig geklärt sind. Auch bei dem mit großem Brimborium gefeierten Material aus dem Bundesarchiv sind durchaus Zweifel ob der Rechtslage angebracht.

    Ich kann deshalb insbesondere kommerziellen Nachnutzern derzeit nur raten, keine Medien ohne exakte Prüfung aus commons bzw. der wikipedia zu übernehmen, allenfalls solche, bei denen der Fotograf/Uploader bekannt zuverlässig ist bzw. mit seinem Realnamen zu seinen Werken steht. Um mit den kommerziellen Bildanbietern wirklich vergleichbar zu werden, müßte commons komplett neu aufgestellt werden.

  5. AndreasP
    24. März 2014 um 12:07 Uhr

    Womöglich wird eine Seite ja sogar erst durch die Einbindung eines Getty-Images zur kommerziellen? Mit dem ganzen Klumpatsch an (unkontrollierbarer, jederzeit veränderlicher) Werbung und Tracking, das da plötzlich auf der eigenen, ansonsten recht unkommerziellen Seite steht… ;-)

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