Im Alten Rathaus von Hannover trafen sich vergangenes Wochenende 10 aktive Wikipedianer und Mitarbeiterinnen von Wikimedia Deutschland. Hauptthema des Treffens war die Kulturarbeit der deutschsprachigen Wikimedia-Bewegung.
Das erste Halbjahr, berichtet Barbara Fischer, Kuratorin für Kulturpartnerschaften, stand ganz im Zeichen der Zusammenarbeit mit dem Deutschen Archäologischen Institut. Nach dem Einsatz des Wikipedian in Residence im vergangenen Jahr konnten wir jetzt weitere Ergebnisse der Zusammenarbeit zusammentragen:
Wikidata trifft Archäologie
Als erstes konkretes Ergebnis der Zusammenarbeit richtete WMDE mit dem Deutschen Archäologischen Institut das Symposium “Wikidata trifft Archäologie” in der Bibliothek des Auswärtigen Amtes in Berlin aus. (Hier der Trailer) 50 Wissenschaftler und Laien der Archäologie diskutierten die Herausforderungen der Geisteswissenschaften durch die Digitalisierung. Sie kamen zu dem Schluss, dass die Digitalisierung eine große Chance für Wissenschaft und Bürger gleichermaßen sei. Wissenschaftliche Daten werden in ihrer digitalisierten Form breiteren Zielgruppen zugänglich und können ganz neu befragt und interpretiert werden. Die Engländer verwenden den illustrativen Begriff Citizen Science.
Interaktive Limeskarte
Das zweite konkrete Ergebnis der Zusammenarbeit ist die interaktive Limeskarte. Hier haben Wikipedianer aus dem Limesprojekt, ein Programmierer des WMDE-Render-Projekts, Wikidata und das Deutsche Archäologische Institut unter der Koordination von WMDE zusammengearbeitet und eine völlig neuartige Darstellung des Grenzverlaufes des römischen Reiches im Lauf der Jahrhunderte erstellt. Alle Befestigungsanlagen sind einzeln aufgeführt; falls es einen Wikipedia-Artikel zu ihnen gibt, dann ist dieser verlinkt. Diese Zusammenarbeit ist exemplarisch für die Geduldsübung, die in der Zusammenarbeit mit Kultureinrichtungen, auch GLAMs genannt (nach dem englischen Akronym GLAM= Galleries, Libraries, Archives and Museums), erforderlich ist. Alle Anwesenden konnten dies nur seufzend bestätigen.
Als Wikipedian in Residence im ZDF
Anschließend berichtete Tim Moritz Hector von seiner Erfahrung als Wikipedian in Residence in der Zusammenarbeit mit dem ZDF. Jetzt zum Bergfest kann man schon ein erstes positives Resümee ziehen. Ein Drittel der Beiträge kommt von sich regelmäßig am Faktencheck beteiligenden Wikipedianern und sorgt, so die Einschätzung des ZDF-Redaktionsteams, für eine deutliche Qualitätssteigerung des Beteiligungsniveaus. Etliche der im Rahmen der Checks eigens erstellten Infografiken konnten bereits konkreten Wikipedia-Artikeln als Material angeboten werden. Die Faktenchecks werden regelmäßig in die politischen Sendungen des Senders eingebaut und ein 15-minütiger Beitrag in der Sendung Drehscheibe portraitierte den Wikipedianer User:Udo.Brechtel und sein Engagement für die Wikipedia ausführlich. Die Arbeit im ZDF macht deutlich, wie vielfältig das Arbeitsprofil eines Wikipedian in Residence sein kann. Ihnen allen gemeinsam ist jedoch die befristete Botschafterfunktion, mit der sie sich vermittelnd zwischen der Wikimedia-Bewegung und der Kultureinrichtung um neue, freie Inhalte bemühen.
Ausflug nach Kärnten
Nach dem Mittagessen ging es gleich weiter mit User:Hubertls spannender Idee, Regionalwikis (Bsp.: Ennstalwiki) gewissermaßen als Lernplattform für die Wikipedia zu nutzen. Hier können sich Menschen engagieren, ohne übermäßige Rücksicht auf komplizierte Relevanzdiskussionen, Editiervorschriften oder hohe Qualitätsanforderungen zu nehmen. Artikel, die hier entstehen, können dann aber gegebenenfalls in die Wikipedia transferiert werden. Die Idee stieß auf wohlwollendes Interesse und soll gern weiterverfolgt werden. Zu prüfen wäre, ob sie sich auch auf Regionalwikis in Deutschland übertragen ließe, zumal es hier schon etablierte Communitys gibt.
GLAM on Tour-Erfahrungen in Braunschweig
Rundum positiv wurde die Zusammenarbeit zwischen Wikipedianern, Wikimedia Deutschland und dem Braunschweigischen Landesmuseum bewertet. Diese wurde initiert und maßgeblich vorangetrieben von User:Brunswyk. Er unterstrich, wie wichtig es in der Zusammenarbeit mit Kultureinrichtungen sei, Vertrauen aufzubauen. Nur in einem Klima des über längere Zeit aufgebauten Vertrauens sei es möglich, Freies Wissen als Prinzip zu verankern.
Jahresplanung 2014
Im letzten Drittel des Treffens ging es um den derzeitigen Stand der Jahresplanung von Wikimedia Deutschland im Kulturbereich. Im Zentrum stehen die Aktivitäten der Wikipedianer. Welche weißen Flecken in der Wikipedia sollen durch Zusammenarbeit mit Kultureinrichtungen gefüllt werden? Die positiven Erfahrungen aus der Braunschweiger GLAM on Tour Veranstaltung sollen auf weitere Orte ausgedehnt werden. Barbara berichtete auch von dem Ansatz, ein Förderprogramm für Kulturinstitutionen aufzulegen, das die Befreiung von digitalisiertem Kulturerbe zum Ziel hätte. Zudem fand besonders die Idee einer modulare Wanderausstellung über das Wikimedia-Universum großen Anklang unter den Teilnehmern.
Kultur für die Kulturaktiven
User:Marcus Cyron organisierte im Vorfeld des Treffens eine Kuratorenführung durch das Musem August Kestner. Hier bekamen die Teilnehmer durch Dr. Christian Loeben, Leiter der Ägyptologischen Sammlung, eine fachkundige Führung durch das gesamte Museum und das Magazin sowie einen guten Einblick in das Leben des Namensgebers und Sammlers August Kestner. Wir erfuhren vieles über die Geschichte, das kuratorische Konzept und Zukunftspläne des Hauses. User:Hubertl hatte sofort konkrete Ideen, was man mit dem Museum in der Wikipedia gemeinsam auf die Beine stellen könnte. Fazit des GLAM-Treffens war wieder einmal, dass das persönliche Treffen zum Erfahrungsaustausch unerlässlich ist.