Marginalisiertes Wissen
Wissen braucht Vielfalt – Das Förderprogramm re·shape startet ins dritte Jahr
Patrick Wildermann
19. November 2025
Das Wissen der Welt ist erst vollständig, wenn es alle Perspektiven abbildet. Das ist die Philosophie hinter dem Förderprogramm re·shape, mit dem Wikimedia Deutschland einen Beitrag zu mehr Wissensgerechtigkeit leistet. In jeder Förderrunde werden zehn Projekte von Menschen aus Communitys unterstützt, die Rassismus erfahren und strukturell benachteiligt sind. Ihre Perspektiven fehlen oft im öffentlichen Diskurs, in der medialen Berichterstattung oder in wissenschaftlicher Literatur – und entsprechend auch als Quelle in der Wikipedia.
Die geförderten Projekte machen marginalisiertes Wissen sichtbar und sorgen dafür, dass es frei zur Verfügung steht. Nicht nur in den Wikimedia-Projekten, sondern auch in der schulischen und außerschulischen Bildung. In der vergangenen Förderrunde entstanden beispielsweise eine Webseite zum Thema Altern in der Migrationsgesellschaft, eine Podcastserie über die Fluchterfahrungen von Menschen aus Subsahara-Afrika oder ein Videopodcast über migrantische Perspektiven auf die Wahlen in Deutschland (mehr dazu in diesem Blogbeitrag sowie im Abschlussbericht der 2. Förderrunde).
Was ist mit marginalisiertem Wissen gemeint?
Marginalisierte Communitys sind gesellschaftliche Gruppen, die von einer oder verschiedenen Formen von Diskriminierung betroffen sind, z. B. aufgrund von sexueller Identität, geschlechtlicher Identität, Behinderung oder Neurodiversität, Klasse, Religion, (sozialer) Herkunft oder Rassismus. Ihr Wissen ist in der Wikipedia bislang unterrepräsentiert. Wikimedia Deutschland hilft dabei, es sichtbarer zu machen.
Neue Projekte mit bereichernden Perspektiven
Jetzt startet re·shape ins dritte Programmjahr. Unter 82 Bewerbungen hat eine interdisziplinäre Jury zehn Projekte zur Förderung ausgewählt. Sie zeigen die Vielfalt der marginalisierten Perspektiven, die es zu erschließen gilt.
Zugehört & … Zugehörig? Kinder erzählen!
Kindern mit Migrationsgeschichte an deutschen Schulen. Viele erleben Rassismus im Alltag, was sich negativ auf ihre Lernleistung auswirkt. Das Projekt gibt diesen Kindern eine Stimme. Mithilfe eines mehrsprachigen, selbstentwickelten KI-Interview-Assistenten werden Gespräche in der bevorzugten Sprache geführt, ergänzt durch Videoaufnahmen und Porträts. Untersucht wird, wie Kinder Diskriminierung erleben, Resilienz entwickeln – und was sie sich von Schule und Gesellschaft wünschen. Entstehen sollen ein mehrsprachiger Bericht, Videointerviews und eine begleitende Plakataktion, veröffentlicht unter freier Lizenz.
Anton Wilhelm Amo Audio Erbschaft Archive
Das Projekt „Anton Wilhelm Amo Audio Erbschaft Archive“ erforscht Leben, Werk und Einfluss von Anton Wilhelm Amo (ca. 1703 – 1753), dem ersten bekannten afrikanischen Philosophen an europäischen Universitäten. Ein digitales Audioarchiv macht Erinnerungen von Wissenschaftler*innen, Kulturschaffenden und Aktivist*innen hörbar. Produziert werden frei zugängliche Features, Übersetzungen und Printmaterialien, die historische Quellen und zeitgenössische Stimmen verbinden – und dabei für Kolonialgeschichte und Rassismus sensibilisieren. Das schafft eine Grundlage für Bildungsarbeit, Forschung sowie die globale Auseinandersetzung mit Amos Wirken.
Rabelades Farm
„Rabelades Farm“ wiederum ist ein Projekt von queeren Schwarzen Menschen in Brandenburg. Dabei kommen indigene afrikanische Techniken wie Fanya Juu oder Fanya Chini zum Einsatz – sie helfen u.a. dabei, Regenwasser zu sammeln und den Boden zu schützen. Ab März 2026 soll ein erosionsgefährdetes Gelände mithilfe dieser leicht umsetzbaren Methoden in monatlichen Aktionen renaturiert werden. Das Projekt dokumentiert die Transformation mit kurzen Social-Media-Videos, ausführlichen Lernmaterialien und Interviews mit afrikanischen Expert*innen. Es entstehen How-to-Anleitungen und Vorher-Nachher-Aufnahmen – mit dem Ziel, indigenen ökologischen Praktiken mehr Sichtbarkeit zu verschaffen.
So geht’s mit re·shape weiter
Das dritte Programmjahr von re·shape startet mit einer Auftaktveranstaltung für die Geförderten am 21. und 22. November 2025 in Berlin. Danach beginnt die Umsetzungsphase der Projekte. Im April 2026 kommen die Beteiligten noch einmal für eine gemeinsame Zwischenveranstaltung zusammen. Der Abschluss ist für Juni 2026 geplant. Wir wünschen allen Projekten gutes Gelingen und freuen uns auf viele bereichernde Erkenntnisse!