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Was für Menschen arbeiten in der dpa-Faktencheck Redaktion – also welche Erfahrungen und Kompetenzen bringen sie mit?

Teresa Dapp: Wir sind bunt gemischt. Viele haben eine journalistische Ausbildung, also Journalismus studiert oder ein Volontariat gemacht. Ein Kollege hat früher im Community Management gearbeitet, eine Kollegin Biologie studiert – solche unterschiedlichen Hintergründe helfen uns sehr. Alle haben gemeinsam, dass sie sich mit Social Media gut auskennen, keine Angst vor Tech haben und Spaß daran, den Dingen auf den Grund zu gehen, auch wenn es  mal kompliziert wird.

Im Netz kursieren ja die unterschiedlichsten Falschinformationen oder Verschwörungserzählungen. Wie entscheidet ihr: Das prüfen wir jetzt! Und wer hat dann Zugang zu euren Ergebnissen – und wo?

Teresa Dapp: Zu unserer Arbeit gehört das tägliche Monitoring vor allem auf den verschiedenen Social Plattformen. Wir suchen, was wir Claims nennen – also überprüfbare Behauptungen, die keine Meinungsäußerung sind, sondern eine Faktenbehauptung. Ob wir etwas prüfen, wird schon mindestens nach dem Vier-Augen-Prinzip entschieden. Wenn etwas besonders  relevant ist, bekommt es Priorität. Das kann passieren, wenn eine Behauptung viral geht, ein  Thema gerade die Nachrichten dominiert, oder aber, wenn wir das Risiko für Menschen, die  darauf reinfallen, für groß halten – es geht ja nicht immer nur um Politik, oft auch um Gesundheit. Unsere Faktenchecks veröffentlichen wir auf dpa-faktenchecking manche finden auch über den dpa-Dienst den Weg in die Medien. Außerdem haben wir  Kanäle auf TikTok und Instagram, über die wir Faktenchecks verbreiten.

Desinformationen werden ja einerseits in Textform verbreitet, aber auch Bilder können Falschbehauptungen transportieren. Wie geht ihr an einen Text heran? Also, mit welchen Methoden prüft ihr dessen Wahrheitsgehalt – und können die auch Menschen anwenden, die nicht Journalist*innen sind?

Teresa Dapp: Der erste Schritt, ist, zu formulieren: Was genau wird hier eigentlich behauptet? Können wir  das prüfen? Gerade wenn es um Texte geht, wenden wir oft klassische journalistische  Methoden an. Welche genau, hängt von der Behauptung ab. Wir nutzen Informationsquellen  wie Statistiken, amtliche Informationen, wissenschaftliche Studien, Aussagen von  Expertinnen und Experten. Wir kontaktieren Stellen, die uns weiterhelfen können – meist  schriftlich, damit wir die Antwort als Beleg aufbewahren können. Für Menschen, deren Beruf  das nicht ist, ist sowas natürlich sehr aufwändig, und oft bekommen Journalistinnen und  Journalisten schneller eine Antwort als Privatleute. Aber sehr viele Informationen findet man  auch einfach über eine Websuche – wichtig ist dann nur, dass es seriöse Quellen sind.

Teresa Dapp – Journalistin und Faktencheckerin

Teresa Dapp leitet seit 2021 die Faktencheck-Redaktion der dpa. Vorher war sie sieben Jahre lang als Reporterin für die dpa im Einsatz: Zwei Jahre als Auslandskorrespondentin in London, wo sie unter anderem den Wahlkampf vor dem Brexit-Referendum begleitete, und fünf Jahre als Korrespondentin für Bundespolitik in Berlin. Ihre thematischen Schwerpunkte waren Klima- und Umweltpolitik sowie Verkehr und Landwirtschaft. Zuvor hatte sie ein dpa-Volontariat in Hannover und Berlin absolviert.

Bei einem Bild oder Video funktioniert das sicherlich etwas anders. Woran erkennt man, ob ein Bild fake ist oder das es gar das zeigt oder die Botschaft transportiert, die jemand damit verbreiten will? Und was für Werkzeuge nutzt ihr, um Bilder oder Videos zu untersuchen?

Teresa Dapp: Manchmal hilft schon, genau hinzuschauen. Das Bild soll aktuell vom August sein, aber alle Leute tragen Winterjacken und die Bäume sind kahl? Dann stimmt da wahrscheinlich etwas  nicht. In der Bildmitte passiert etwas Spektakuläres, aber die Menschen am Rand scheinen  sich dafür gar nicht zu interessieren? Das ist jedenfalls seltsam. Sehr viel nutzen wir die Bilder-Rückwärts-Suche, über die man herausfindet, ob ein Bild schon länger im Netz steht und wer es veröffentlicht. Für Videos kann man einzelne Frames nutzen, also Standbilder.  Manche sind Jahre alt und zeigen etwas ganz anderes, als behauptet wird – dann sind die

Bilder für sich genommen zwar echt, eine Falschbehauptung ist es trotzdem. Für die  Geolocation, also das Bestimmen des Aufnahmeorts, nutzen wir Kartendienste wie zum Beispiel von Google. Es gibt aber auch andere. Es gibt Tools, mit deren Hilfe man über  Schattenlängen und -winkel herausfinden kann, um wieviel Uhr und in welcher Jahreszeit  Aufnahmen gemacht wurden. Da wird es dann ziemlich technisch.

Generative KI kann ja mittlerweile jedes Kind nutzen. Bilder oder Videos damit zu erstellen, auch um Desinformationen zu verbreiten, ist daher eigentlich nur eine Frage der Übung. Ist aus eurer Sicht KI nur Teil des Problems, wenn es um Verlässlichkeit von Informationen geht? Oder sind KI-Anwendungen auch Teil der Lösung? Wenn es zum Beispiel um das Prüfen von Bildern oder Texten geht?

Teresa Dapp: KI kann den Journalismus allgemein und auch die Verifikation an vielen Stellen unterstützen  – wenn es etwa um das Auswerten von großen Datenmengen geht, das Analysieren von  Mustern oder um einfache Routineaufgaben. KI-Tools machen schon Vorschläge für die Geolocation und es gibt einige, die KI-generierte Bilder erkennen sollen. Bisher sind wir mit  keinem so richtig zufrieden, meistens kommen auch falsche Ergebnisse. Und eine Antwort  wie „Wahrscheinlichkeit für KI 84 Prozent“ hilft beim Verifizieren auch nicht richtig weiter.  Was ist mit den anderen 16 Prozent? Und woran macht das Tool das fest? Wenn es um  Ereignisse geht, die für Nachrichten relevant sind, hilft bisher meist noch logisches Denken. Noch immer gibt es Fehler bei der Schrift, den Farben, der Perspektive – es werden aber immer weniger, klar. Zusätzlich stellen wir uns Fragen wie: Wer soll das Video gedreht  haben, warum war er da? Verhalten sich alle Menschen, auch die hinter der angeblichen  Kamera, wie man es erwarten würde? Gibt es Aufnahmen aus anderen Perspektiven? Wenn  nein, warum nicht? Heute haben fast alle ein Smartphone in der Tasche. Wenn etwas in der  Öffentlichkeit passiert, sollten sehr viele Bilder davon existieren.

Zuletzt habe ich eine etwas ketzerische Frage, mit der ihr euch aber sicherlich in der Redaktion befasst habt: Wie geht ihr mit dem Dilemma um, dass jede*r, der oder die Desinformationen prüft, sie auch aufgreift und potenziell verbreitet?

Teresa Dapp: Ich finde die Frage nicht ketzerisch, sondern wichtig. Viele Falschbehauptungen sind nur in bestimmten Netz-Blasen unterwegs und dürfen da gern auch bleiben. Deswegen begrüßen wir es, wenn Netzwerke mit Faktencheck-Organisationen kooperieren, um genau da einzugreifen, wo die Falschbehauptung unterwegs ist. Was wir in den dpa-Dienst nehmen, wägen wir sorgfältig ab, denn damit geben wir einer Behauptung eine große Bühne.

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