Seit 2013 beschäftigt sich Wikimedia Deutschland e. V. mit dem Thema „Open Educational Resources“ (OER) – also mit der Idee, frei weiternutzbare Bildungsmaterialien zu entwickeln und ihre Verwendung zu fördern. Genau so lang gibt es jedoch unter den Mitgliedern des Vereins und innerhalb der deutschsprachigen Wikimedia-Communitys eine Debatte darüber, wie dieses Thema zu Wikipedia passt und ob unser Verein es weiter vorantreiben sollte.
Auch ich muss zugeben, kein „OER-Fan“ zu sein. Als Wikipedianer bin ich der Arbeit an der Erstellung einer freien Enzyklopädie verhaftet und kann nicht so leicht eine Verbindung herstellen zwischen der mitunter eher akademischen Arbeit am Lexikon auf der einen und den eher praktischen Unterrichtsmaterialien und ihrer bildungspolitischen Dimension auf der anderen Seite.
Bei näherer Betrachtung entpuppt sich die Debatte zum Verhältnis von Wikimedia und OER als Teil der alten Diskussion über das Selbstverständnis unseres Vereins und der gesamten Wikimedia-Bewegung: Ist Wikimedia einfach nur die Organisation hinter Wikipedia, quasi ihr „Fanclub“, oder wollen wir darüber hinaus eine breit aufgestellte Nichtregierungsorganisation auf dem gesamten Gebiet des Freien Wissens sein?
Diese Diskussion wird uns sicherlich noch lange begleiten und Wikimedia Deutschland hat sich vorgenommen, sie im kommenden Jahr aktiv fortzuführen. Dabei scheint die Sache bei einem Blick in unsere Satzung klar: Zweck des Vereins ist neben der Erstellung und Verbreitung Freier Inhalte auch ganz allgemein die Förderung der Bildung, und zwar insbesondere durch die Klärung sozialer, kultureller und rechtlicher Fragen im Zusammenhang mit freien Inhalten, zum Beispiel durch Studien.
Und das ist genau das, was Wikimedia Deutschland derzeit mit seinem von Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderten Projekt „Mapping OER“ macht: Es handelt sich um ein Projekt, das die wichtigsten Praxisfragen für die Umsetzung von OER-Konzepten in der deutschen Bildungslandschaft sammelt, den aktuellen Stand der Diskussion klärt und Vernetzungsarbeit leistet. Inhaltlich geht es damit um das Weiterführen einer bildungspolitischen Debatte.
Doch was hat das mit Wikipedia zu tun? Die Herkunft des Vereins und auch der Schwerpunkt seiner inhaltlichen Arbeit liegt in den Wikimedia-Projekten – und das spiegelt die Satzung auch klar wider. Das Gleiche gilt für die Motivation unserer Mitglieder und unserer Spender, die fast allesamt über unser Flagschiff-Projekt Wikipedia zu uns gekommen sind und dessen Community das Herz unserer Bewegung darstellt.
Und mit den Wikimedia-Projekten hat die Arbeit des Vereins im Bereich OER aktuell noch wenig zu tun: Es gibt zum Beispiel nach außen keine Berührungspunkte mit Wikiversity oder Wikibooks, also mit Projekten, die ganz klar die Erstellung und Verbreitung freier Bildungsmaterialien zum Zweck haben. Zu denken wäre auch an Wikisource, Wikimedia Commons und nicht zuletzt Wikipedia selbst, die alle einen großen Schatz für Lehrende und Lernende darstellen.
Die Wikimedia-Community hingegen begegnet dem Thema OER auch mit der Erfahrung der eigenen Arbeit mit Wikipedia als Unterrichtsinhalt im Bereich Medienkompetenzen für Schülerinnen und Schüler. Diese inhaltliche Frage mag – wie auch die Inhalte, die auf Wikiversity und Wikibooks erstellt werden – Gegenstand einer OER sein, liegt jedoch nicht im Fokus des Projekts „Mapping OER“.
Der fehlende Bezug der OER-Arbeit bei Wikimedia Deutschland zu den Wikimedia-Projekten liegt nämlich aktuell daran, dass es bei „Mapping OER“ erst noch um die Klärung von Praxisfragen zur Nutzbarkeit von OER innerhalb der deutschen Bildungslandschaft geht, bevor konkrete Inhalte in Angriff genommen werden sollen.
Und dann gibt es da noch jemanden: Die OER-Community, bestehend aus Pädagogen, Politikern, Bildungsforschern und – etwas skeptisch beäugt – den Schulbuchverlagen, die sich zum Beispiel auf der 2014 schon zum zweiten Mal von Wikimedia Deutschland ausgerichteten deutschen OER-Konferenz getroffen hat und bisher ebenfalls mehr über theoretische Fragen debattiert als an konkreten Bildungsmaterialien gearbeitet hat.
Projekte wie Wikiversity und Wikibooks zeigen, dass die freie Bildung auch aus Sicht der Wikimedia-Communitys ein wichtiger Bestandteil des Themas Freies Wissen ist. Doch der im Vergleich zur Popularität von Wikipedia geringe Erfolg dieser Projekte zeigt möglicherweise auch, dass wir noch Grundlagenarbeit leisten müssen – und das ist genau das Ziel von „Mapping OER“.
Auf der Projektwebseite www.mapping-oer.de werden regelmäßig Beiträge zum Thema veröffentlich, die kommentiert werden können. Die Kommentare fließen dann auch in die Ergebnisse des Projekts ein.
Es ist nicht nur ein Log-in nötig, um einen Kommentar zu schreiben muß man sogar der Gruppe beitreten, was eine Freischaltug braucht. Sorry – aber das sehe ich wirklich nicht ein.
Hallo,
ich wollte nur kurz darauf hinweisen, dass in der oben genannten öffentlichen Facebookgruppe dieser Beitrag diskutiert wird: https://www.facebook.com/groups/OERde/687678034700896/?notif_t=group_comment_follow
Leider ist ein Log-In bei Facebook notwendig.
Viele Grüße,
Valentin
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Lieber Lukas Mezger,
danke für deinen differenzierten Debattenbeitrag!
Mit http://www.serlo.org erstellen wir eine “Wikipedia für’s Lernen”, eine freie Lernplattform (cc-by-sa) für Schüler*innen inkls. Wiki-Funktionalität und Autor*innen-Community. Wir sind ebenfalls ein gemeinnütziger Verein und streben eine möglichst enge Zusammenarbeit mit Wikimedia und den Wiki-Projekten an. Die politische und wissenschaftliche Arbeit von Wikimedia erfahren wir als großartige Unterstützung, so trägt Wikimedia durchaus zu ganz konkreten freien Bildungsmaterialien bei, die monatlich hunderttausenden Schülern helfen.
Beste Grüße
Simon Köhl