Tagelange Regenfälle haben seit Mai in Mitteleuropa zu schweren Hochwassern geführt. Während sich Bürger in süddeutschen Ländern schon an die Aufräumarbeiten wagen können, bereiten sich ihre Nachbarn in Niedersachsen auf das Eintreffen der Flutwelle vor. An einigen Orten wurden die höchsten Pegelstände seit Aufzeichnungsbeginn gemessen, nach Behördenangaben verloren bis heute mindestens 21 Menschen ihr Leben, die Zahl der von Evakuierungen betroffenen Menschen ist um ein Vielfaches höher. Zu den Schäden in Milliardenhöhe kommen zusätzliche Kosten für den Bau neuer Deichanlagen, die in Zukunft für Schutz vor dem Wasser bieten sollen.
Zusätzlich zu den vielen Helfern von Feuerwehr, THW, DLRG und Bundeswehr arbeiten Behörden des Bundes und der Länder daran, Hilfe für Betroffene zu organisieren. Ein wichtiger Baustein ist die Beschaffung, Pflege und Verteilung von Informationen zur aktuellen Situation. Für Bürgerinnen stehen Hochwasserportale bereit, die Pegelstände zusammenfassen und auf Länderportale verweisen. Wie die eigentlichen Daten bereitgestellt werden, ist je nach Bundesland höchst unterschiedlich, in den meisten Fällen ist der gedachte Anwendungsfall nur das Ansehen, nicht das Weiternutzen der Daten. Eine für Betroffene besonders interessante Seite ist das Zentrum für Satellitengestützte Kriseninformation, das vom vom Deutschen Fernerkundungsdatenzentrums des DLR betrieben wird. Auf den Seiten des ZKI werden tagesaktuell Karten mit Hochwassersituationen betroffener Regionen bereitgestellt. Ein Download der Daten in geringer und mittlerer Auflösung ist erlaubt, die höchste Auflösung ist derzeit für Bürgerinnen nicht verfügbar.
Da die für die Kartenerstellung verwendeten Geodaten nicht ausschliesslich Geodaten des Bundes sind, findet die noch relativ junge Geodatennutzungsverordnung keine Anwendung, die die kostenlose Freigabe von Geodaten des Bundes an jedermann für beliebige – auch kommerzielle – Zwecke vorsieht. Michel Vorsprach machte uns heute auf einen Emailwechsel zwischen ihm und dem Bundesinnenministerium aufmerksam, in dem er die Freigabe dieses hochauflösenden Kartenmaterials für seine Heimatregion anfragte. Die Antwort des Innenministeriums ist für einen von der Flut betroffenen Bürger nicht erbaulich:
Sofern Sie darüber hinausgehend einen Bedarf an einem ZKI-Produkt in einer höheren Auflösung, wie sie z.B. den Einsatz- und Krisenstäbe oder Hilfsorganisationen vor Ort bereitgestellt werden, begründen können, weise ich vorsorglich darauf hin, dass das BMI nach § 63 Abs. 3 der Bundeshaushaltsordnung (BHO) dazu verpflichtet ist, Vermögensgegenstände nur zu ihrem vollen Wert zu veräußern. Dazu gehören auch die Dateien (Karten). Wir gehen dabei von einem Wert pro Kartenprodukt von ca. 800 Euro aus.
Wikimedia Deutschland hat mit Michel Vorsprach, dem DLR (das wir als sehr offen gegenüber Freien Lizenzen erleben konnten) und dem Referat O 7 des Bundesinnenministeriums Kontakt aufgenommen. Wir setzen uns für die Bereitstellung von verfügbarem Kartenmaterial für jedermann ein. Dazu gehört kurzfristig das Kartenmaterial für jedermann wenigstens zur Ansicht und mittelfristig unter Verwendung Freier Lizenzen, auch in Vektorformaten und als Rohdaten zur Weiternutzung. Die Rechnung des BMI halten wir für wenig plausibel und haben unsere Gründe dargelegt, warum es bereits auf heutiger Rechtsgrundlage möglich ist, Michel Vorsprach die gewünschte Karte zu einem deutlich niedrigeren Betrag als 800 Euro zu übermitteln; auch eine kostenfreie Abgabe halten wir für rechtlich möglich.
Nach unserer Auffassung gibt es keinen Bedarf nach Spezialvorschriften, die situativ den Datenbedarf stillen, wie beispielsweise ein Hochwasserinformationsweiterverarbeitungsgesetz oder eine Open Data-Verordnung spezifisch für den Katastrophenschutz. Die Weiterentwicklung von Informationsfreiheitsgesetzen (auf europäischer Ebene: Die Direktive über Public Sector Information) und eine Reform des Urheberrechts an staatlichen Werken würde helfen, rechtliche Hürden bei der Weitergabe von allen relevanten Behördendaten zu reduzieren. Im Falle der Geodaten ist das DLR zwar formal ein eingetragener Verein, seine Mittel kommen jedoch überwiegend aus dem Bundeshaushalt und die Arbeit des DLR bei der Erforschung des Alls und der Erde wurden bereits von den Steuerzahlern einmal finanziert.
Weiterführende Links:
- Datenjournalist.de: Land unter beim Onlinejournalismus – Verpasste Chancen beim Hochwasser
- ZDF heute.de: Open Data im Hochwassertest (und ZDF Hyperland)
- Piratenpartei: Open Data kann Hochwasserhilfe vereinfachen (auch Anke Domscheit-Berg)
[update 13. Juni 2013: Michel Vorsprach schreibt in einem Blog, dass das Bundesinnenministerium ihm kostenfrei eine hochaufgelöstde Version der ZKI-Karte seiner Region zugeschickt hat]
Hallo, das ist doch unverständlich, dass die Daten nicht zur freien Verfügung standen. Es hätte vieles vereinfacht und die Menschen in naher Umgebung darauf vorbereitet. Viele Grüße
Im Übrigen bin auch ich dafür, dass diese Daten frei zur Verfügung stehen. Nur die etwas zweifelhafte Argumentation und deren Zeitpunkt kommt jedenfalls mir unseriös vor.
Ich nehme an wir reden hier von Daten, die lediglich die laterale, nicht die vertikale Ausdehnung wiedergeben und das zu einem Zeitpunkt der Stunden, wenn nicht Tage in der Vergangenheit liegt. Wie damit ein Blogger besser helfen könnte als ein Sandsack, leuchtet mir nicht ein. Auch lese ich immer wieder “könnte”. Nein, das hilft gar nicht. So wie es ist, ist es viel besser: Stehen die Daten wie jetzt nicht in Höchstauflösung zur Verfügung, kann man sich empören und bekommt für seine Artikel viel mehr Aufmerksamkeit. Wären die Daten da, macht das viel zu viel Arbeit und ragt aus dem Massen nicht mehr heraus. Für mich ist das lediglich Daten-Boulevard-Journalismus, Profilierung um jeden Preis. Die tollen Open-Data-Projekte, die ich kenne, leiden sobald die kurzfristige Aufmerksamkeit nachlässt leider auch am Desinteresse ihrer Erschaffer. Bislang ist glücklicherweise niemand ertrunken, weil er so eine “Hilfe” verlassen hat.
Das können derzeit oftmals 20 Zentimeter.
Einspruch! Im Zweifelsfall interessiert es die Betroffenen schon, wenn sie aufgrund von zu geringen Auflösungen der Kartendaten die Hochwassersituation in ihrer Gegend nicht genau überblicken können. 20 Meter können den Unterschied zwischen Überflutung oder Rettung ausmachen.
… scheuen nicht davor zurück, jede Welle für ihre ganz persönlichen Zwecke zu nutzen. Es interessiert keinen der Betroffenen, ob die zur Verfügung stehenden Karten nun einen und 20 Meter auflösen.
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Für die von Michael Vorsprach angestrebten Zwecke reicht im Prinzip die Abgrenzung der überfluteten Flächen in Form von Vektordaten. Es gibt genügend freie Geodaten (u.a. Openstreetmap) die für den topografischen Hintergrund verwendet werden können.
Die Vektordaten wurden vom ZKI erarbeitet. Wenn es nur diese abgibt werden die Rechte dritter nicht berührt. Vor diesem Hintergrund ist das Verhalten der des ZKI besonders unverständlich!