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Immer mehr Menschen nutzen bei der Suche nach Antworten generative KI-Programme wie ChatGPT. Dadurch haben sich auch für die Wikipedia neue Herausforderungen ergeben: Einerseits greifen tendenziell weniger Menschen direkt auf die Seite zu. Das gilt insbesondere für die jüngere Generation. Andererseits rufen die großen KI-Sprachmodelle in immer größerem Umfang das Wissen in der Online-Enzyklopädie ab. Denn ohne freie Daten können diese Programme nicht trainiert werden.

Das zeigt: Die Wikipedia ist und bleibt relevant für alle, die auf der Suche nach Wissen sind. Aber der Zugang dazu hat sich verändert. Wie Wikipedia die Leser*innen von morgen (zurück)gewinnen kann und wie die ehrenamtliche Community KI-generierte Wikipedia-Artikel erkennt, darum ging es Anfang Oktober in Potsdam auf der WikiCon, dem größten Treffen der ehrenamtlichen Community mit knapp 400 Teilnehmenden.

Wie erreichen wir die Wikipedia-Leser*innen von morgen?

Aktuelle Untersuchungen zeigen: Gerade junge Menschen lesen heutzutage immer seltener direkt in der Wikipedia. Allein zwischen 2019 und heute sind die Aufrufe junger Menschen zwischen 18 und 24 Jahren von 30 Prozent auf acht Prozent gesunken. Die Jugendlichen konsumieren das Wissen heute vielmehr über Programme wie ChatGPT oder über KI-generierte Zusammenfassungen. Mit dieser Entwicklung beschäftigte sich die Community auf einer extra WikiCon-Session.

Dabei standen einige Fragen im Raum: Liegt es an der demographischen Entwicklung in Deutschland? Passt die Darstellung des Wissens nicht mehr zu den Bedürfnissen junger Menschen, weil diese eine zu geringe Aufmerksamkeitsspanne für längere Texte haben? Die Teilnehmenden der Session diskutierten in viele Richtungen. Dabei wurde deutlich, dass es  am Ende wohl von allem ein bisschen ist.

Über eines waren sich alle im Raum einig: Die Wikipedia ist eine der wichtigsten Quellen für frei verfügbares und geprüftes Wissen der Welt. Und sie ist einzigartig, dank ihres Aufbaus und ihrer starken Community. Aber es braucht auch neue Ansätze, um vor allem junge Menschen als Leser*innen von morgen zu gewinnen. Diese zu entwickeln, ist jetzt eine der Aufgaben für die Zukunft – die Wikimedia Deutschland gemeinsam mit engagierten Ehrenamtlichen angehen wird.

Bedroht KI die Wikipedia?

Über diese Fragen hat der Bayerische Rundfunk kürzlich mit Nina Leseberg, Leiterin des Bereiches Communitys & Engagement bei Wikimedia Deutschland gesprochen.

Wie geht die Community mit KI-Texten in der Wikipedia um?

Während viele KI-Programme auf das Wissen der Wikipedia zugreifen, gelangen zunehmend auch KI-generierte Texte in die Enzyklopädie – und sorgen für zusätzliche Arbeit bei den Ehrenamtlichen. Warum, erklärte Wikipedianer Harald Krichel in der Session „KI-Texte erkennen“ auf der WikiCon.

KI-generierte Wikipedia-Artikel enthalten häufig erfundene Inhalte oder Verweise auf Quellen, die nicht existieren. Sie entsprechen meist nicht den Regeln für enzyklopädisches Schreiben – wenn es zum Beispiel um sachliche und neutrale Sprache und die ausgewogene Darstellung von Inhalten geht. KI-Texte zu erkennen ist keine exakte Wissenschaft – das machte auch Krichel deutlich. Dennoch lassen sich mithilfe sogenannter harter und weicher Faktoren verdächtige Texte identifizieren. Wird ein solcher Beitrag entdeckt, kann er gelöscht oder überarbeitet werden – je nachdem, ob er sich an die Wikipedia-Regeln anpassen lässt.

Diese Zeichen deuten auf KI-Artikel hin:

  • Nicht existierende Publikationen oder ISBN-Nummern
  • Restformulierungen aus dem Chat, wie Anmerkungen oder Tipps der KI
  • Infoboxen, die in der deutschsprachigen Wikipedia nicht existieren
  • Textfelder, die es in Infoboxen nicht gibt
  • Abschnitte oder Zwischenüberschriften, die es in Wikipedia-Artikel nicht geben soll
  • Nicht mehr existierende Weblinks in einem neuen Artikel
  • Markup Reste wie Sternchen für Fettdruck – Wikipedia nutzt Wikitext
  • Sinnlose Struktur, wie massenhaft Listen, Fettungen am Satzbeginn oder gar Emojis
  • Ein Neuling, der plötzlich viele Artikel produziert
  • Blumige, werbliche Sprache – KI ist geschwätzig

Verlässliche Informationen im Zeitalter der Desinformation

Verlässliche Informationen bereitzustellen – das ist und bleibt der Kern der Arbeit in Wikipedia. Dafür braucht es seriöse, überprüfbare Quellen. Doch genau diese sind heute zunehmend bedroht – durch Desinformation, Deepfakes und den Missbrauch von KI-Technologien.

Über diese Herausforderung wurde beim Eröffnungspanel der WikiCon diskutiert. Auf dem Podium: Juliane Leopold (Chefredakteurin Digital, ARD-aktuell), Manka Heise (Investigativ-Reporterin), Tommy Krappweis (Grimme-Preisträger und „Bernd das Brot“-Erfinder) sowie Raimond Spekking aus dem Präsidium von Wikimedia Deutschland.

„Die Algorithmisierung von Informationen hat massiv zugenommen“, lautete ein zentrales Fazit der Runde. Immer häufiger gelangen unseriöse Inhalte mit hoher Reichweite in unsere Newsfeeds und For-you-Pages. KI-generierte Klone von Nachrichtenseiten wie tagesschau.de, gefälschte Stimmen und manipulierte Bilder werden in Umlauf gebracht – oft mit gezielter politischer Absicht. Ein Angriff auf die Grundlagen der Demokratie, die auf überprüfbaren Fakten beruht.

Was heißt das für den Journalismus – und für Wikipedia? Quellen müssen heute mehrfach geprüft, Informationen kritisch hinterfragt werden. Und: Ausgewogenheit in der Berichterstattung bedeutet nicht, jeder Meinung Raum zu geben. „Wir bilden in der Wikipedia auch nicht jeden Pseudowissenschaftler und jede Verschwörungstheorie ab“, so Raimond Spekking. „In der Wikipedia geht es eben nicht um Meinungen“, betont Juliane Leopold. Die freie Enzyklopädie bildet so ein notwendiges Gegengewicht zu den algorithmisch gesteuerten Online-Realitäten. Nicht zuletzt, weil sie nach dem Prinzip der Checks & Balances funktioniere – der wechselseitigen Kontrolle: „Das könnt ihr machen, weil ihr viele seid!“, lobt Leopold die Community.

Ein Hoch auf das Ehrenamt: Die WikiEulen wurden verliehen

Auf der diesjährigen WikiCon wurde nicht nur viel über aktuelle Themen diskutiert, sondern natürlich auch gefeiert. Ein Highlight war wie jedes Jahr die Verleihung der WikiEulen. Der Preis ist die höchste Auszeichnung innerhalb der Community. In diesem Jahr wurden sieben KategorieEulen und sieben EhrenEulen an verdiente Wikipedianer*innen und Projekte vergeben.

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