Riham Abed-Ali
Dr. Dominik Scholl
11. Mai 2023
Die globale Wikimedia-Bewegung hat sich mit der „Wikimedia 2030“-Strategie ambitionierte Ziele für die Zukunft gesetzt. Dazu gehört auch die Entscheidung, sich noch stärker mit Gerechtigkeitsfragen auseinanderzusetzen. Es geht darum, technische und soziale Hürden abzubauen, damit wirklich alle Menschen das Wissen in den Wikimedia-Projekten mitgestalten können. Wir nennen das Wissensgerechtigkeit.
Historisch gesehen hat sich Wissen in den Händen einiger weniger konzentriert. Die Geschichten und Perspektiven marginalisierter Gruppen wurden durch Machtstrukturen lange Zeit aus offiziellen Erzählungen ausgeschlossen. Marginalisierung beschreibt, dass Individuen und Gruppen an den Rand der Gesellschaft gedrängt und ihre Perspektiven und Interessen als weniger relevant erklärt werden.
Möglichkeit der Beteiligung auch in Wikipedia nicht für alle gleich
Wikipedia hat als die weltweit größte, freie, gemeinschaftlich erstellte Enzyklopädie den Zugang zu Wissen revolutioniert: Alle haben den gleichen Zugang zu Wissen – theoretisch. Doch wir wissen, dass die Möglichkeiten sich zu beteiligen nicht für alle Menschen gleich sind. Und wir wissen auch, dass die Wikimedia-Projekte und das darin versammelte Wissen in gesellschaftliche Strukturen eingebettet sind, die mit einer kolonial geprägten Weltsicht verwoben sind.
„Das Problem ist, dass diejenigen herrschenden Perspektiven als objektiv-neutral gelten, die die Erzählung von Geschichte in Büchern oder in schulischen Kontexten bestimmen. Aufbrechen können wir das nur, indem wir grundsätzlich unsere Vorstellung von Wissen infrage stellen, offen diskutieren, was wir bisher als Wissen konstruiert haben und welche Auswirkungen das hatte – damit wir Alternativen entwickeln und aus anderen Quellen schöpfen können.“ (Emilia Roig: Die Macht des Wissens im Wandel)
Das bedeutet, solange wir ein weiß westliches Verständnis von Wissen nicht hinterfragen und das Konzept von Wissen neu denken, werden gesellschaftliche Ausschlüsse reproduziert. Wie gehen wir als Gesellschaft im Allgemeinen und als Organisation, die sich für Freies Wissen einsetzt, im Speziellen damit um, dass wir ein westlich geprägtes Verständnis von Wissen haben und von einer mehrheitlich weißen Position auf die Welt schauen? Weiß bezeichnet hier nicht die Hautschattierung von Menschen, sondern eine Positionierung und soziale Zuschreibung in einer rassistisch strukturierten Gesellschaft. Die Bezeichnung dient dazu, die in der Regel unmarkierte Norm sowie die damit einhergehende Machtposition und Privilegien sichtbar zu machen.
Wie bewusst sind wir uns darüber, wie Rassismus als Wahrnehmungsfilter wirkt, wie unser Wissen und Handeln auf einer historisch gewachsenen, hierarchischen Unterscheidung von Menschen und Gruppen auf Grundlage biologischer Merkmale oder kultureller Differenzen beruht?
re•shape – Ausgestaltung und Vision
Viele große Fragen, die uns bei der Entwicklung von re•shape – Ein Wikimedia-Programm zur Förderung von Wissensgerechtigkeit beschäftigt haben. Mit diesem Programm möchten wir gezielt Menschen fördern, die von Rassismus negativ betroffen sind. Wir unterstützen Einzelperson, Gruppen oder gemeinnützige Organisation dabei, marginalisiertem Wissen mehr Raum und Sichtbarkeit zu verschaffen und das selbstbestimmt zu tun. Bewerbungen sind ab sofort bis zum 18. Juni möglich.
Das Programm bietet einen Rahmen, in dem die Veröffentlichung von marginalisiertem Wissen unter einer freien Lizenz abgewogen und praktisch erprobt werden kann. Neben einer Beschäftigung mit Wikipedia, Wikimedia Commons oder Wikidata bietet das Programm auch eine grundsätzliche Auseinandersetzung mit der Frage, was es heißt, insbesondere marginalisiertes Wissen unter einer Freien Lizenz zu veröffentlichen: Welche Chancen bietet das Freie Wissen, welche Risiken bestehen aber auch und welche Handlungsmöglichkeiten, wenn etwa Inhalte politisch instrumentalisiert werden? Das Rahmenprogramm läuft von September 2023 bis April 2024 und eröffnet für die Geförderten Raum für Vernetzung und Austausch.
Jetzt mitmachen und Projektideen bis 18. Juni einreichen
Als Projektteam sind wir neugierig auf die Projekte, die realisiert werden und auch auf die Reise, die wir selbst mit diesem Programm unternehmen. Wir wollen unsere Wahrnehmung für strukturelle Diskriminierungen schärfen und gegen Diskriminierungen arbeiten. Darum haben wir uns dazu entschieden, uns als Team in einen begleiteten Lern- und Reflexionsprozess zu den Themen Diskriminierungen, Marginalisierung und Rassismus zu begeben. In diesem Prozess reflektieren wir etablierte Ansätze und erarbeiten neue, die für einen diskriminierungskritischen Umgang mit marginalisiertem Wissen zielführend sind.
Mit re•shape möchten Wikimedia Deutschland und die neuen deutschen organisationen marginalisiertem Wissen mehr Raum und Sichtbarkeit verschaffen. Das Programm wendet sich explizit an Menschen und Communitys, die Rassismus erfahren. Neben einer finanziellen Förderung von bis zu 5.000 € bietet das Programm Begleitung durch Mentor*innen sowie ein Rahmenprogramm mit Raum für Vernetzung und Austausch.
re•shape – Ein Wikimedia-Programm zur Förderung von Wissensgerechtigkeit
Mit re•shape möchten Wikimedia Deutschland und die neuen deutschen organisationen marginalisiertem Wissen mehr Raum und Sichtbarkeit verschaffen. Das Programm wendet sich explizit an Menschen und Communitys, die Rassismus erfahren. Neben einer finanziellen Förderung von bis zu 5.000 € bietet das Programm Begleitung durch Mentor*innen sowie ein Rahmenprogramm mit Raum für Vernetzung und Austausch.
Die Bewerbungsfrist ist bereist abgelaufen.