„Open“ ist heute in vielen Bereichen ein wichtiges Thema. Inhalte, die anderen Menschen frei zur Verfügung gestellt werden, damit sie kreativ für verschiedene Zwecke genutzt werden können, sind nicht nur Gegenstand theoretischer Debatten, sondern werden schon in unterschiedlichen Zusammenhängen praktisch genutzt. Ziel des Wikimedia-Salons „Das ABC des Freien Wissens“ am 6. April 2017 war es zu zeigen, dass „Open Everything“ schon heute viel mehr ist, als nur eine abstrakte Idee.
Bereits 2008 hatte die Diskursgestalterin Christine Kolbe gemeinsam mit der Kulturproduzentin Andrea Goetzke und anderen aus dem Umfeld des Newthinking Store eine Reihe von Veranstaltungen in Berlin initiiert, die Teil einer globalen Diskursinitiative mit dem Titel „Open Everything“ waren. [1] Im Zentrum stand die Frage, was hinter dem Schlagwort „open“ steckt, mit dem sich viele Initiativen bezeichnen.
Angelangt beim Buchstaben O nutzten wir mit der 15. Ausgabe des Wikimedia-Salons die Gelegenheit, nach fast zehn Jahren zurückzublicken und zu resümieren, was sich in der Zwischenzeit getan hat. Eingeladen waren dazu Aktivistinnen und Aktivisten verschiedener Open-Initiativen – von Open Source Software über Open Data bis zu Open Science. In kurzen Vorträgen, die auf der Webseite des Wikimedia-Salons als Video zur Verfügung stehen, gaben die Gäste Einblicke in die Entwicklung einzelner Initiativen und Projekte, in Erfolge und Misserfolge der vergangenen Zeit. Zu den Gästen gehörte auch Christine Kolbe, die zunächst einmal feststellen musste: „Klar ist das auch ein bisschen Klassentreffen hier, aber es sind auch immer viele neue Leute da. Und die Initiativen wachsen und professionalisieren sich in vielen, vielen Bereichen.“
O wie Open
Was „open“ bedeutet, an dieser Definition hat die Open Knowledge Foundation (OKF) gearbeitet: „Wissen ist offen, wenn jedeR darauf frei zugreifen, es nutzen, verändern und teilen kann – eingeschränkt höchstens durch Maßnahmen, die Ursprung und Offenheit des Wissens bewahren.“ Stefan Wehrmeyer, Vorstand der OKF, präsentierte gemeinsam mit dem Entwickler Thomas Tursics einige Projekte des OK Lab Berlin. Dort arbeiten etwa 30 an Open Data Interessierte an nützlichen Anwendungen basierend auf offenen Daten rund um Themen wie Altglascontainer, Badestellen und Wochenmärkte oder Feinstaub, Stadtgrün und Trinkwasser. Inzwischen gibt es in Deutschland ein Netzwerk von 25 dieser lokalen Gruppen mit 300 Freiwilligen, die sich dafür engagieren, neue Möglichkeiten und Chancen in Bereichen wie Bürgerservice, Partizipation und staatlicher Transparenz aufzuzeigen und die Öffnung staatlicher Daten weiter voranzutreiben.
Offene Wissenschaft
Das Ziel von Open Sciene ist für Claudia Müller-Birn, wissenschaftliche Ergebnisse einer größeren Zahl an Menschen einfacher zugänglich zu machen. Das umfasst nicht nur Ergebnisse und Publikationen, sondern es geht darum, alle Bestandteile des wissenschaftlichen Prozesses wie Forschungsdaten und Methoden über das Internet offen zugänglich und nachnutzbar zu machen. Zur Veranschaulichung nutzte die Professorin für Informatik an der Freien Universität Berlin in ihrem Vortrag den Open Science Monitor der EU-Kommission. Aus ihrer Sicht geht es bei Open Science darüber hinaus darum, der Gesellschaft verständlich zu machen, womit sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler an Hochschulen eigentlich beschäftigen.
Was sie beim Thema Open Science beobachtet, ist, dass sich zwar viele Einzelne sehr stark für das Thema engagieren, die Unterstützung aus den Institutionen jedoch bislang fehlt. Dass sie trotzdem zuversichtlich auf die weitere Entwicklung hin zu mehr Offenheit im Wissenschaftssystem schaut, hat unter anderem mit ihrer Erfahrung als Mentorin des Fellow-Programms Freies Wissen im letzten halben Jahr zu tun.
„Das war ganz großartig für mich zu sehen, was da für Nachwuchs kommt. Da kommen ganz großartige junge Wissenschaftler, ganz engagiert für das Thema Open Science, die – wie ich finde – auch mit sehr guten Ergebnissen zeigen konnten, was möglich ist.“
Hacker + Hardware = Maker
Was möglich ist, wenn man einfach selbst den Schraubenzieher in die Hand nimmt, erzählte Philip Steffan, Community Manager der Maker Faire Berlin. Bei diesem Festival kommen viele Menschen zusammen, die ein Interesse am Frickeln und Basteln teilen. Als Maker werden alle verstanden, die mit den eigenen Händen und Werkzeugen jeglicher Art kreativ oder produktiv tätig sind – von Handarbeit über Kunst und Handwerk bis zu Experiment und Technik. Der Open-Hardware-Kenner Philip Steffan ist insbesondere davon fasziniert, „mit Code nicht nur etwas am Computer zu machen, sondern auch etwas, was ich dann in der Hand halten kann.“ So interessierte er sich schon früh für die Entwicklung von 3D-Druckern, mit denen sich verschiedene Objekte oder auch Ersatzteile für Geräte herstellen lassen. Mit diesen Druckern verbinden Teile der Maker-Bewegung große Hoffnungen einer Demokratisierung von Produktionsmitteln, die Wirtschaft und Gesellschaft grundlegend verändern könnte. Die Zahl der Maker-Veranstaltungen wächst in der jüngeren Vergangenheit immer stärker, neue Makerspaces, Hackerspaces oder FabLabs entstehen.
Open Education
Sebastian Seitz ist in den Open-Source-Communitys zuhause. Sein Lieblingsthema ist der Einsatz solcher Software mit offengelegtem Quelltext in der Schule. Dabei war für den Projektmanager der Technologiestiftung anfangs die Beobachtung zentral, dass das Selbstverständnis der Open-Source-Communitys im Grunde dem gleicht, „das wir heute von einer guten und modernen Schule und von gutem Unterricht haben: Wir teilen Wissen, es geht um Demokratie, es geht um Partizipation, es geht um Mitbestimmung.“ Doch bei seinen Versuchen, Menschen aus beiden Feldern zusammenzubringen, musste er feststellen, dass sich zwar die Open-Source-Community ziemlich stark für das Thema Schule interessiert, umgekehrt die Schul-Community jedoch noch nicht für das Thema Open Source.
Martin Riemer arbeitet als Medienpädagoge an Schulen und versucht dort, das Thema Open im Bereich der Lehr- und Lernmaterialien zu befördern. „Viele Lehrer und Erzieher in Berlin und Brandenburg stellen seit Jahren selbst erstelltes Lehrmaterial her, sie geben es aber nicht her, höchstens mal im Kollegium, mal so unter sich. Es gibt also eine Open-Parallelwelt zu diesem Thema, die sich aber selber niemals so nennen würde.“ In Abwandlung des Begriffs OER (Open Educational Resources = freie Bildungsmaterialien) spricht Martin Riemer darum in seinem Live-Hörspiel von Orphan Educational Resources.
Glücklicherweise teilen nicht alle Lehr- und Lernmaterialien das Schicksal, ihr Dasein quasi verwaist in dunklen Schubladen und auf Festplatten fristen zu müssen. In den letzten Jahren sind viele OER-Initiativen und Projekte entstanden, die Materialien im Sinne der UNESCO-Definition nutzen, erstellen und teilen. Diese versteht OER als „Lehr-, Lern- und Forschungsressourcen in Form jeden Mediums, digital oder anderweitig, die gemeinfrei sind oder unter einer offenen Lizenz veröffentlicht wurden, welche den kostenlosen Zugang, sowie die kostenlose Nutzung, Bearbeitung und Weiterverbreitung durch Andere ohne oder mit geringfügigen Einschränkungen erlaubt.“
Lizenzierung
Alle Open-Themen berühren früher oder später lizenzrechtliche Fragen. Einer, der damit im Besonderen zu tun hat, ist der Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht Ansgar Koreng. Er beschäftigt sich sowohl beruflich als auch als leidenschaftlicher Fotograf für die Wikimedia Commons mit dem Missbrauch offen lizenzierter Bilder. Gegenwärtig beobachtet er immer wieder Fälle, in denen Fotografen ihre Bilder auf Flickr oder Wikimedia Commons einstellen und dann all jene abmahnen, die bei der Nutzung im Lizenzhinweis vielleicht auch nur einen Buchstaben falsch geschrieben haben.
Für Ansgar Koreng ist es in manchen Fällen schwierig zu beurteilen, wann es sich um „gutes licence enforcement“ und wann um „böse Geldmacherei“ handelt. „Was ich mir wünschen würde, ist, dass man in der Community ein bisschen ethische Standards herausarbeitet, unter welchen Bedingungen man auch mal vor Gericht geht wegen einer Lizenzverletzung, unter welchen Bedingungen man es aber vielleicht auch eher lässt, weil es natürlich auch dem Gedanken der freien Lizenzen schaden kann, wenn Leute davor zurückschrecken sie zu nutzen, weil sie sehen, da wird man ständig für verklagt, wenn man das macht. Das kann natürlich auch nicht sein.“
Nicht nur an diesem Beispiel wird deutlich, dass die Open-Bewegungen davon leben, dass sich viele an ihnen beteiligen. Der gut besuchte Wikimedia-Salon zum Thema „Open Everything“ hat Mut gemacht, dass das weiterhin der Fall ist.
[1] Homepage, Ankündigung, Veranstaltungsbericht (Teil 1/Teil 2) von „Open Everything“ im Jahr 2008