Dies ist ein Gastbeitrag von John H. Weitzmann. John H. Weitzmann ist Rechtsanwalt in Berlin und seit 2006 ehrenamtlicher Projektleiter Recht bei Creative Commons Deutschland. Seine beruflichen Schwerpunkte liegen allgemein im Urheber- und Medienrecht, speziell in den Bereichen Private Order Licensing und Forschungsdaten. Kürzlich ist er zudem einer von zwei Europakoordinatoren für Creative Commons geworden.
Vom 14.-15. September 2013 wird Wikimedia Deutschland in Berlin die erste Konferenz für Freie Bildungsmaterialien veranstalten – Creative Commons ist Partner der Konferenz. In loser Folge werden daher bis zur Konferenz die Highlights im Programm der Konferenz (#OERde13) durch die Mitglieder des Review-Teams vorgestellt. Als Dritter in der Reihe stelle ich meinen Favoriten vor. In diesem Fall einen Workshop innerhalb der Konferenz, dessen Ergebnisse am ersten Tag im BarCamp-Teil der Konferenz vorgestellt werden.
Der Creative Commons OER Policy Workshop – ein vorsichtiger Schritt in die politische Arena
CC-Lizenzen als rechtliche Werkzeuge zur Freigabe von Inhalten sind aus den freien Bildungsressourcen genauso wenig wegzudenken wie die GNU Public License und ihre Verwandten aus dem Betriebssystem Linux.
Zugleich hat sich Creative Commons als Organisation und Netzwerk von Aktivisten stets vor allem in der Rolle eines Hintergrunddienstleisters verstanden, der zwar möglichst gute Werkzeuge bereitstellt, ansonsten aber möglichst weitgehende Neutralität wahrt. CC-Lizenzen sollten ein “Hack” für diejenigen sein, die sich eine andere (Copyright-)Politik wünschen, es aber leid sind, auf deren Kommen zu warten. So gesehen steckt im ganzen Ansatz, per Lizenzen andere, bessere Regeln zu schaffen, eine fast ausdrückliche Verneinung der Sinnhaftigkeit des ganzen Politikbetriebs, soweit der sich mit dem Urheberrecht befasst. Das ändert sich gerade. Die Werkzeuge sind nach wie vor zentral und es wird ein enormer Aufwand betrieben, um die Version 4.0 der CC-Lizenzen zum Besten zu machen, was CC je entwickelt hat. Doch schon der diesjährige CC Global Summit in Buenos Aires hat
gezeigt, dass CC politischer werden will und werden wird. Ein Grund hierfür ist, dass europäische Lobbyisten darauf verfallen sind, die Existenz von Privat-Order-Lizenzmodellen wie CC als Begründung dafür zu nutzen, dass es doch gar keiner Urheberrechtsreformen bedürfe. Alle, die wollten, so das Argument, könnten ja mittels freier Lizenzen alles so regeln wie gewünscht. Grundsätzliche Reformen hin zu mehr Nutzerrechten, Fair-Use oder einer allgemeinen Urheberrechtsschranke zugunsten privater transformativer Nutzung seien daher gar nicht mehr notwendig. Angesichts dieser Instrumentalisierung hat sich CC als Organisation und Netzwerk im 11. Jahr seines Bestehens entschlossen, stärker nach außen klarzumachen: Unsere Werkzeuge helfen, sind aber nicht die Lösung.
Auch im Bereich der Open Educational Resources will sich das CC-Netzwerk politisch deutlicher positionieren. Der Schauplatz dafür wird Europa sein und den Auftakt bildet am ersten Tag von #OERde13 der Creative Commons OER Policy Workshop unter Leitung des polnischen CC-Leads Alek Tarkowski, der das gesamte auf acht Monate angelegte “Collaborative OER Policy Project” leiten wird. Teilnehmer dieses Projekts sind CC Project Leads aus allen Ecken Europas, die seit einigen Jahren über den Regionalverbund “CC Europe” lose organisiert sind. Auf welche Deliverables sich das Projekt genau konzentrieren wird, wird erst im Rahmen des ersten Workshops entschieden werden, an dem Interessierte je nach Raumressourcen teilnehmen können (dazu bitte vorab beim Team von #OERde13 anfragen). Kern werden jedoch eine Analyse der in Europa etablierten OER-Strategien für Grund- und weiterführende Schulen sowie ein darauf aufbauendes Policy Position Paper sein, das im kommenden Jahr bei der OpenCourseWare Conference in Slowenien präsentiert werden soll. Zudem soll der Workshop der Vernetzung zwischen den verschiedenen CC-Projekten Europas dienen und die Diskussion um die “richtige” OER-Politik voranbringen.
Um eine Beteiligung für die Teilnehmer der OER-Konferenz zu ermöglichen, werden die ersten Ergebnisse bereits während der #OERde13 im Rahmen des BarCamps am Samstag nachmittag vorgestellt und diskutiert. Dann besteht auch Gelegenheit, sich außerhalb der Workshop-Arbeit mit den anwesenden CC-Aktivisten aus u.a. Portugal, Polen, Spanien, Estland und den Niederlanden zu unterhalten. Je nach Verlauf des Workshops am Samstag vormittag wird er auch noch am Sonntag fortgesetzt werden. Anregungen und sonstiger Input sind jederzeit willkommen und sollten am besten während des BarCamps zur Sprache kommen.
Literaturtipp:
Ich möchte mich ganz herzlich für dieses Blogposting bedanken, weil hier im Grunde genommen der Punkt markiert wird, an dem sich das Wikimedia-Movement m.E. gerade befindet. Man kann ja durchaus den Standpunkt einnehmen, auf der Basis Freier Lizenzen ließe sich alles Mögliche realisieren. Tatsächlich sind mit WikiData und WikiVoyage zwei spannende Plattformen dazu gekommen. Indes: Im Hinblick auf die politische Durchsetzung wichtiger Aspekte Freien Wissens, etwa die bessere Nachnutzungsmöglichkeit von im staatlichen Auftrag produzierter Werke oder nachvollziehbare, harmonisierte Schrankenregelungen im Urheberrecht (etwa im Bildungsbereich oder bei der Panoramafreiheit) kann der Gebrauch und die “neutrale” Vermittlung von CC-Lizenzen allenfalls eine Art Brückentechnologie darstellen. Die echte Musik spielt woanders, in Washington DC und Brüssel. Dass Creative Commons sich in dieser Hinsicht inhaltlich und personell aufstellen will, finde ich sehr beflügelnd. Zusammen mit anderen Organisationen kann so eine spannende Regenbogen-Koalition entstehen.