Dieser Beitrag wurde von Sarah Khayati, Mitarbeiterin im Kooperationsprojekt “Diversität für Wikipedia” verfasst.
Welche Rolle spielt Diversität für die Qualität (der Beiträge) in der Wikipedia? Dieser Frage widmen wir uns in einem Workshop am 26. Mai 2013. Im Rahmen des Offenen Sonntags wollen wir gemeinsam Ideen und Erfahrungen zur Bedeutung von Diversität für die Qualität von Wikipedia austauschen, um Nachweise für die Rolle von Diversität für die Qualität von Wikipedia erarbeiten zu können.
Wir laden alle Interessierte am Thema, Wikipedianerinnen und Wikipedianer und Vereinsmitglieder herzlich dazu ein, gemeinsam nach möglichen Kriterien und Nachweisen zu suchen und sich aktiv an der Generierung und Entwicklung von entsprechenden Leitfäden zur Geschlechterdiversität und deren Anwendung zu beteiligen. Einige Fragen, die wir in diesem Rahmen diskutieren möchten sind:
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Gibt es Nachweise dafür, dass die geringe Anzahl an Editorinnen (nach einigen Schätzungen sind nur ca. 9% der Autorenschaft Frauen) in der Wikipedia zu Qualitätseinbußen führt?
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Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Diversität in der Autorenschaft und der Qualität der Wikipedia-Artikel? Woran können wir diesen festmachen?
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Gibt es weitere Bereiche, z.B. verschiedene Arten der Zusammenarbeit in der Wikipedia, in denen wir einen Zusammenhang zwischen Diversität und Qualität vermuten/feststellen können?
Der Workshop ist Teil des Projektes zur Förderung von Wissens-Diversität in der Wikipedia in Zusammenarbeit mit dem Gender- und Technik-Zentrum der Beuth Hochschule für Technik Berlin. Er wird von der dortigen Gastprofessorin für Digital Media & Diversity, Ilona Buchem, geleitet.
Mehr zu dem Projekt findet Ihr auf der Homepage der Beuth Hochschule und bei Wikimedia Deutschland. Mehr Infos auch zu allen anderen Workshops am Offenen Sonntag findet Ihr hier. Und Rückfragen können gerne an mich gerichtet werden.
Der Offene Sonntag findet statt am 26. Mai 2013 in der Zeit von 9:00 bis 16:00 Uhr in der Geschäftsstelle von Wikimedia Deutschland e.V., Obentrautstr. 72, 10963 Berlin.
Kommt zahlreich und diskutiert mit!
[…] Mitgliederversammlung 2013 bot Ilona Buchem, Professorin an der Beuth-Hochschule Berlin, einen Workshop zumThema “Diversität und Qualität in der Wikipedia” an. Im Rahmen des Workshops wurden erste […]
Zur allgemeinen Verständlichkeit noch kurz eine Klärung zum Begriff “Diversität”. Es stimmt natürlich, dass Diversität mehr bedeutet als Geschlechterdiversität. Und ja, auch andere Gruppen sind derzeit in Wikipedia unterrepräsentiert. Derzeit möchten wir uns auf Geschlechterdiversität konzentrieren. Das wiederum ist nicht gleichzusetzen mit “Frauenförderung”, sondern es geht darum, Strukturen zu identifizieren, die das gleiche Mitmachen für alle Menschen ermöglichen. Der Workshop wird Geschlechtervielfalt im Besonderen, aber auch die allgemeine Bedeutung für Qualität mit den Möglichkeiten einer diversen Zusammensetung in der Autorenschafft thematisieren.
So geht es auch nicht darum zu sagen, Frauen müssen Themen, die als weiblich konnotiert gelten, bearbeiten. Ich weiß daher nicht genau, was das Aufzählen der Stereotype an dieser Stelle von Sicherlich soll. Die gewünschte “wissenschaftliche Ernsthaftigkeit” lassen wir nicht außer Acht, was alleine schon die Expertise unserer Kooperationspartners – das Gender- und Technikzentrum der Beuth-Hochschule – zeigt.
Diversität verbessert auf jeden Fall die Wikipedia! Ich denke es ist offensichtlich.
Rechtsradikale werden die Ausländerthematik, Islamisten das Thema Religion und Frauen, der schwarze Block das Thema Kapitalismus, die Herren Banker das Thema soziale Gerechtigkeit, Frauen Kochen und Haushalt verbessern, denn sie werden eine sinnvolle Literaturauswahl treffen! Und natürlich bedienen wir keine Stereotype!
Ich freue mich auch schon, wenn die Feministen mit dem Islamisten und Islamistinnen zusammentreffen und sich editwaren.
Interessant finde ich, dass Fragen wie “Gibt es einen Zusammenhang zwischen der Diversität …und der Qualität der Wikipedia-Artikel?” in einem Workshop geklärt wird. Die wissenschaftliche Ernsthaftigkeit wird wohl eher einem “gefühlt” und “ich denke” weichen. Eine ernsthafte und ergebnisoffene Analyse sieht anders aus.
Im zweiten Abschnitt hat sich leider ein Fehler eingeschlichen. Statt “Mir ist keine wissenschaftliche Basis dafür bekannt, dass Frauen und Männer auch nur in spezifischen Themenbereichen im Durchschnitt eine ungleiche Fachkompetenz aufweisen würden.” muss es heißen: “Mir ist keine wissenschaftliche Basis dafür bekannt, dass weibliche und männliche Autoren auch nur in spezifischen Themenbereichen im Durchschnitt eine ungleiche Fachkompetenz aufweisen würden.”
Hallo Henriette,
nun, ich bin ja ein Freund der wohldosierten Polemik, aber deine Zusammenfassung hat mit meinem Beitrag leider nicht mehr allzu viel gemein. Ich unternehme einen kurzen Versuch der Rekapitulation: Marcus hatte die These aufgestellt, dass “nur die Vorlage von Bedeutung” sei und das Diversitätsziel insoweit nach dem enzyklopädischen Prinzip obsolet sei. Dagegen habe ich zwei Einwände vorgebracht: Zum einen, dass eine schiefe Verteilung der Geschlechterzugehörigkeit aufgrund unterschiedlicher Interessensgewichtung selbst dann zu einem unausgewogenen enzyklopädischen Ergebnis führen kann, wenn die Vorlagewerke alle Diversitätskriterien erfüllen. Zum anderen, dass es kurzsichtig wäre, die ungleiche Verteilung verschiedener Softskills zwischen Frauen und Männern auszublenden, weil diese durchaus auch auf den Schaffensprozess einwirken und diesen positiv oder negativ beeinflussen können.
Wenn du nun zusammenfasst, “Inhalt können die Männer machen, von den Frauen brauchen wir nur „soft skills” und Flausch?” dann verkennt das zunächst einmal das erstgenannte Argument, welches sich ja durchaus auf die Inhaltsschaffung bezieht. Dass ich nicht auf die (fachliche) Qualität von Beiträgen eingegangen bin und auch nicht eingehen gehen kann, hat einen simplen Grund: Mir ist keine wissenschaftliche Basis dafür bekannt, dass Frauen und Männer auch nur in spezifischen Themenbereichen im Durchschnitt eine ungleiche Fachkompetenz aufweisen würden. Ich kann insofern nicht sagen, dass Wikipedia bezüglich des unmittelbaren Artikelbeitrages dadurch fachlich relativ bereichert wird / Schaden nimmt, wenn ihn eine Frau statt eines Mannes beisteuert. Insofern erscheint es mir auch schwerlich möglich, diesen Aspekt in einer Argumentation pro Geschlechterdiversität anzuführen.
Was ich hingegen behaupte ist eben das Besagte: Dass zum einen der zusätzliche Beitrag einer Frau im Vergleich zum zusätzlichen Beitrag eines Mannes zur Ausgewogenheit der thematischen Auswahl beiträgt (weil ich unterschiedliche Interessen unterstelle) — soweit These eins — und dass das zusätzliche Engagement einer Frau im Vergleich zu dem eines Mannes das sozial-kommunikative Profil verbessert, indem es dazu beiträgt, dass Eigenschaften, die in Männergruppen tendenziell überrepräsentiert sind, eine relative Kompensation erfahren (und vice versa für die unterrepräsentierten) (weil ich unterschiedliche soziale Profile unterstelle) — soweit These zwei. Im Übrigen ließen sich beide Argumente problemlos umkehren, wenn Wikipedia ein 90-prozentiger “Frauenhaushalt” wäre; so wie es Evidenz dafür gibt, dass es nicht optimal ist, nur Männer im Team zu haben, gibt es auch auch Evidenz dafür, dass es nicht optimal ist, nur Frauen im Team zu haben. Ich wäre der erste, der dann zur inhaltlichen und sozialen Differenzierung im Interesse der enzyklopädischen Qualität eine Erhöhung des Männeranteils für wünschenswert hielte.
Patrick, wenn ich mal deinen Beitrag zugegeben ganz böse polemisch zusammenfassen darf: Die Frauen sollen also das von den Männern katastrophal verhunzte Kommunikationsverhalten in WP verbessern? Inhalt können die Männer machen, von den Frauen brauchen wir nur „soft skills” und Flausch?
Und was soll das (aber das allgemein gesprochen und nicht an Patrick gerichtet) Buzzword „Diversität”, wenn als Lösung des Autorenmangel-Problems (das steht ja eigentlich hinter der ganzen Frauennummer) wieder mal nur Frauen als Rettung und Lösung aus dem Hut gezogen werden? Wenns denn schon „divers” werden soll und man irgendwo Autoren shanghaien will: Wie wärs denn z. B. mit Migranten, Millionären oder Kleingärtnern? Die dürften in der WP ebenfalls krass unterrepräsentiert sein und würden ganz sicher auch neue Aspekte einbringen können.
Was übrigens poupous Beobachtung zum Thema „rechtfertigen, daß man „als Frau” bei WP mitmacht” angeht: Die kann ich nur bestätigen! Vor 6 oder 7 Jahren begann(!) eine Journalistin(!) ein Interview mit mir mit: „Du bist ja eine Frau. Warum machst Du bei WP mit?” Ich bin ja gern bereit mich dafür zu rechtfertigen, daß ich unglaublich viel Zeit in WP mit sinnlosen Diskussionen verplempere, aber dafür, daß „ich als Frau” da mitmache? Also bitte!
Marcus, mir erschließt sich diese Argumentation nicht ganz. Denn es mag richtig sein, dass Wikipedia als Enzyklopädieplattform das Wissen der “Vorlage” destilliert; aber die Auswahl der Vorlagen bzw. ihr Gebrauch durch Wikipedia-Autoren ist keine gegebene Größe. Wenn es zu einem Thema X in der Literatur 200 Werke von Autorinnen und Autoren gibt, die sich mit Aspekt X.1 beschäftigen, und 200 Werke von Autorinnen und Autoren, die sich mit Aspekt X.2 beschäftigen, aber diejenigen, die diese Literatur anschließend für die enzyklopädische Arbeit auswerten, zu, sagen wir, 90% aus Interessenten für Aspekt X.1 besteht, dann resultiert dies ungeachtet jeder paritätischen Geschlechterverteilung im Bereich der Vorlagen darin, dass offensichtlich ein Aspekt unterproportional ausgewertet wird. Will man also die Artikelqualität nicht nur an einem bloß binären Bewertungsverfahren im Stile einer Falsch-Richtig-Dichotomie messen (wie das Wikipedias eigene Qualitätsbewertungen, etwa bei den exzellenten Artikel, ja gerade auch nicht tun), dann mag die Qualität sehr wohl auch dann noch leiden, wenn die Vorlagen in signifikantem Maße oder meinetwegen gar gänzlich weiblicher Feder entspringen.
Davon abgesehen ist das enzyklopädische Endprodukt auch wohl unbestritten geprägt von der Umgebung, aus der heraus es geschaffen wird. Sollte also die Gruppe der Frauen nur 10% meiner Interaktionsbasis ausmachen, die also zu 90% aus Bearbeitern männlichen Geschlechts besteht, so ist jedenfall statistisch nicht zu leugnen, dass eine Eigenschaft, die Männer verglichen mit Frauen besonders häufig aufweisen, in der so zusammengesetzten Interaktionsbasis immer noch sehr häufig anzutreffen ist. Stelle ich also die These auf, dass ich beispielsweise diese Eigenschaft sehr schätze, weil sie mich in meiner Mitarbeit besonders motiviert, so gölte unzweifelhaft mein Vorzug einer Erhöhung des Männeranteils. Nun habe ich selbst tatsächlich nie einen systematischen Unterschied der inhaltlichen Kenntnisse von Frauen und Männern in Wikipedia ausmachen können; indes meine ich durchaus, einen Unterschied im Kommunikationsverhalten ausmachen zu können. Dass es hierfür bezogen auf repräsentative Bevölkerungssamples auch wissenschaftliche Evidenz gibt, ist allseits bekannt; vor diesem Hintergrund scheint die Wahrnehmung also auch nicht ganz fernliegend. Aber dies führt doch gerade auf einen Diversitätsaspekt: Bei 90% Männern ist diese oder jene erwünschte Eigenschaft unterrepräsentiert; und bei 90% Frauen wäre diese oder jene erwünschte Eigenschaft vielleicht überrepräsentiert. Da der Löwenanteil nun einmal aktuell Männer sind, erscheint demgemäß auch die Strategie nachvollziehbar, salopp gesagt “Frauen, Frauen, Frauen” zu rufen. Einen Widerspruch zur Grundintention vermag ich darin nicht zu erkennen.
@Marcus: Lieber Marcus, eben das gilt es sich differenziert anzusehen, wo und inwiefern ein Zusammenhang besteht zwischen (Geschlechter-)Diversität und Qualität. Aus diesem Grund wäre es toll, wenn Du nicht in der „anderen Ecke“ während des Workshops verweilen würdest, sondern zu uns stößt und mitdiskutierst.
nein – Marcus sagt, wenn die literatur, auf deren basis wikipedia erstellt wird, von eichhörnchen verfasst würde, würden auch die wikipedia-artikel nach eichhörnchen klingen.
dem muss man nicht zustimmen.
ich teile aber die beobachtung, dass die art und weise wie WMDE und in der folge diverse medien “das frauenproblem” kommuniziert haben, dazu geführt hat, dass man sich als frau inzwischen bei nichtwikipedianischen freunden und bekannten dafür rechtfertigen muss, dass man anscheinend so seltsam drauf ist, dass man da trotzdem mitmacht.
Hallo Marcus,
ist es fair, wenn ich Deinen Beitrag wie folgt zusammenfasse / veerkürze: “So lange die Qualität der Wikipedia stimmt, so lange ist es egal, ob sie von Männern, Frauen oder Eichhörnchen geschrieben wird.”?
Viele grüße,
Pavel
Bitte macht das in irgend einer der äußeren Ecken, damit ich in einer der anderen äußeren Ecken sein kann. Ich kann das nicht mehr ertragen. Zumal am Ende alles was mit als “Diversität” verkauft werden soll doch nur “Frauen, Frauen, Frauen und nochmals Frauen” bedeutet. Zum 37. x Dasselbe vorgekaut zu bekommen ist einfach nicht mehr erträglich. Zumal es entgegen der enzyklopädischen Arbeitsweise steht, für die nur die Vorlage von Bedeutung ist. Würden 100% der Autoren männlich sein, aber die Vorlagen von genügend Autorinnen stammen, würde das ausreichen. Aber offenbar wird das nicht verstanden. Nicht Wikipedia macht das Wissen! Und wer Wissen vermisst das ihn/sie interessiert, muß aufhören das zu beklagen und mitarbeiten. Was natürlich nicht klappt, wenn selbst die stellvertretende Vorsitzende des WMDE-Präsidiums in öffentlichen Veranstaltungen Unwahrheiten wie es würden Artikel gelöscht werden weil sie von Frauen verfasst wurden verbreiten.
Es ging noch nie um Diversität. Es ging immer nur darum, daß irgendwann mal Jemand merkte, daß es vergleichsweise wenig Frauen gibt. Statt das irgendwie sachlich anzugehen, wurde aber eine Art Kulturkampf draus. Der mittlerweile auch durch die vielen abschreckenden – nicht selten falschen – Aussagen zu den Vorgängen in der Wikipedia wirklich potentielle Autorinnen abschreckt. Wenn ich das alles glauben würde, wie wir bösen männlichen Autoren und Admins angeblich mit weiblichen Mitarbeiterinnen umgehen, müßte ich auch wegrennen. Warum merke ich das nur nicht im Projekt? Sicher nicht, weil ich keine Frau bin. Sondern eher, weil der etwa angeblich so omnipräsente Sexismus mit der Lupe gesucht werden muß und genauso Männer wie auch die Frauen trifft. Aber das wird nicht wahr genommen, es ist nicht opportun.
Für die Praxis ist das vor allem von Außen ins Projekt getragene Gegensatz in etwa so von Bedeutung wie die vermeintliche Existenz von Exkludisten und Inkludisten.