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Neues Selbstvertrauen

WMDE allgemein

16. Juli 2012

Es berichtet der Wikipedia-Autor Superbass. Er ist einer von 20 Ehrenamtlichen, die Wikimedia Deutschland mit einem Reisestipendium für die Wikimania unterstützt.

 

 

“If it’s good enough for the US archivist it’s probably good enough for us” – in der zum Abschluss der Wikimania gehaltenen Schlussrede von David Ferriero, Archivar der Vereinigten Staaten, lag für mich eine wesentliche Erkenntnis aus der Wikimanania 2012 in Washington.

Ferriero, dessen Archiv durch eine Kooperation mit der Wikipedia eine Vertausendfachung der Reichweite einzelner Veröffentlichungen erzielte drückte nach meinem Empfinden so etwas wie ein Ende der Bescheidenheit aus, der auch ich in Bezug auf die Wikipedia in Teilen noch anhänge. Eher vorsichtig als selbstbewusst gehen wir zuweilen auf Institutionen und potenzielle Partner zu, wir sind ja keine professionellen Autoren, Fotografen und Publizisten sondern lediglich Freiwillige und Amateure.

Zumindest in den USA, die in diesem Jahr die Wikimania thematisch stark dominierten, ist die Außenwahrnehmung inzwischen eine andere, worauf nicht zuletzt die Kooperation der Tagung mit gewichtigen Partnern wie dem US Außenministerium oder der Kongressbibliothek hinweist.

Daheim in Deutschland gibt es entsprechende Pflänzlein und vereinzelt sogar ausgewachsene Pflanzen, vor allem aus dem in Washington vielberedeten GLAM-Bereich, wenn Institutionen die Wikipedia ernstnehmen und sich auf Kooperationen einlassen. Den Durchbruch, wo  Bildarchive, Bibliotheken und Museen in nennenswerter Zahl ihre herkömmlichen Zugangs- und Verwertungsmodelle für eine freiere Verbreitung öffnen, haben wir bei uns eher noch vor uns. Der Ausspruch des Archivars der Vereinigten Staaten sollte uns dabei Selbsbewusstsein geben.

Was sind weitere Erkenntnisse aus der Wikimania 2012?

– Meine europäisch geprägten Abstufungen des Begriffs “Schwüle” mussten angesichts der Temperaturen und der Luftfeuchtigkeit neu justiert werden

– Ich fand die Organisation hervorragend. Es war kaum möglich, irgendwo herumzustehen ohne Hilfe angeboten zu bekommen. Alles war exzellent beschildert und beschrieben. Wikiedia DC richtete in der Jugendherberge eigens WLan auf allen Etagen ein, damit die Nerdgemeinschaft noch aus dem Etagenbett heraus twittern konnte.

– Es gibt Kritik, und zwar so witzig wie von Tom Morris vorgetragen, am verklausulierten Bullshit-Sprech in der schriftlichen Foundationkommunikation. An die Wikimediafoundation richtet er die Forderung nach einfacher, klarer und verbindlicher Sprache. In diesem Sinne: “Iterate your cross-pollinatated strategic synergy, just not on my wikipedia”.

– Es gibt eine “Friendly Space Policy”. Die wurde einem breiteren Publikum beim samstaglichen Eröffnungsplenum eindringlich vorgestellt. Offenbar hatte am Vortag ein Referent bei seinem Vortrag zu Jimbos sich wandelnder Rolle zwei künstlerische, aber erotische Bilder gezeigt. Die hatte der frühere “benovelent dictator” dereinst beim Hausputz gelöscht. Zwischenzeitlich sind sie zwar längst wieder im Gebrauch. Ihre Darstellung beim Vortrag war jedoch zuviel der Nacktheit für einige Anwesende, die sich  beim Organisationskomitee beschwerten. Das entschied, laut Organisationskomitee im Einvernehmen mit dem Referenten, die Aufzeichnung des  Vortrags nicht zu veröffentlichen. Der deutliche Hinweis auf die Policy, verbunden mit dem Angebot an alle Referenten, ihre kommenden Beiträge vom Veranstalter auf etwaige Verletzungen durchsehen zu lassen, verhalf dem einen oder anderen immerhin zu einem interkulturellen Lernerfolg im Verständnis des Begriffs “friendly space”.

– Es gibt auch in den USA Menschen, die Wikipedia gar nicht kennen! Vor dem Veranstaltungsort sprach mich ein junger Mann an, was wir denn da drinnen machten. Ich sollte ihm unbedingt diese Website mal aufschreiben, eine Online-Enzyklopädie, das klinge ja sehr interessant!

Säße ich nicht im doch etwas wackelnden Bus nach New York, was das Tippen auf dem Tablett-PC beschwerlich macht, ließe sich noch viel schreiben. Etwa über die usbekische Wikiedia, de leider weitgehend unbemerkt von der dortigen Regierung blockiert wird. Von wirklich nützlichen Tipps, vorgetragen in mutigem Englisch, zur Akkreditierung als Wikipediafotograf bei Veranstaltungen oder zum auf der Wikimania viel zu wenig beachteten Thema Bildfilter. Das muss dann auf ein anderes Mal warten.