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Interaktion im Netz – Ein oft harter Hürdenlauf für Museen und Archive

WMDE allgemein

24. März 2016

110 Meter Hürdenlauffinale der Olympiade 1912 in Stockholm Bild von IOC (Official Olympic Report) [Public domain], via Wikimedia Commons

 

Gefragt von Studenten des Masterstudiengangs “Museum und Ausstellung” der Carl von Ossietzky Universität in Oldenburg, warum Museen scheitern, möchte ich zurückfragen: Ist das nicht eine Frage der Perspektive? Ausstellungen in Museen sind oft enorm wirksame Publikumsmagnete, Museen verzeichnen steigende Besucherzahlen, neue anspruchsvolle Museumbauten werden eröffnet und der Job einer Museumsdirektorin ist so angesehen wie je. Wenn man dennoch vom Scheitern redet, dann muss etwas anderes gemeint sein. Der bekannte Kurator Daniel Tyradellis provozierte 2014 die Fachwelt mit dem Buchessay “Müde Museen”. Er fordert ein Umdenken zu mehr Nachhaltigkeit und Verschränkung mit dem Alltag von den Museen. Denn ja, hier können Museen noch besser werden. Denn dieser Alltag findet zunehmend im Netz statt.

Aus der Perspektive von Wikimedia Deutschland, der Wikipedia & Co fördernde Verein, erleben wir, dass Museen, Kunstsammlungen, Archive und selbst Bibliotheken oft noch viel zu zögerlich auf der Schwelle zur aktiven Nutzung des Internets als erweiterten Aktionraum stehen bleiben. Genau auf diesen Interaktionsraum bezieht sich die internationale Fachwelt mit dem Akronym GLAM. Dabei steht GLAM für galleries, libraries, archives and museums. Gewiss, kaum eine GLAM-Einrichtung verzichtet heute auf eine eigene Internetseite. Die Dokumentation der Sammlungen passiert meist schon so selbstverständlich digital, wie die Kommunikation. Aber noch dominiert das Grundkonzept des Zurschaustellens, das schon die Wunderkammern barocker Fürsten motivierte. Das faszinierende Wesen des Internets an sich ist aber nicht das Guckfenster, nicht die Vernetzung, nicht die schiere Menge der Inhalte und nicht die Grenzenlosigkeit. Die Faszination, der Sog ergibt sich aus der Realität der Interaktion. Das Internet befriedigt ein zutiefst menschliches Bedürfnis: Das gesellige Wirken.

Geselliges Wirken

Das passiert auch in der Wikipedia. Der Erfolg von Wikipedia basiert auf dem gemeinschaftlichen Engagement von Freiwilligen, die mit ihrem Wissen, ihrer Arbeit und ihrer Zeit sich antreiben lassen, das größte Wissensprojekt der Menschheit zu schaffen. Es ist Dank seiner Digitalität global frei zugänglich. Dank seiner durchgängigen Verwendung Freier Lizenzen in Gänze frei nachnutzbar. Mit jedem Bild, jedem Film, allen Texten der in der Wikipedia, kann man Neues schaffen, man braucht nur – etwas verkürzt – die Quelle anzugeben. Sie können sogar selbst mitmachen und ein digital volunteer of knowledge werden.

Making of GLAM on Tour im Schloss Caputh von Oursana (Eigenes Werk) [CC0], via Wikimedia Commons

Museen und Archive hingegen tun sich hingegen noch schwer, sich dem geselligen Wirken im Netz anzuschließen. Vier Hürden stehen ihnen im Weg und lassen sie beim Überschreiten der Schwelle zur aktiven Nutzung des Internets scheitern. Sie wissen oft noch gar nicht, dass sie selbst und wie sie mit Freiwilligen im Netz zusammenarbeiten können. Das Urheberrecht überwuchert selbst gemeinfreie Werke in den Depots wie eine undurchdringliche Dornenhecke, wo Freie Lizenzen Licht und Raum für Kreativität schaffen würden. Initiativen wie die Hamburger Note fordern von der Politik die Vereinfachung des Urheberrechts für die Nachnutzbarkeit unseres gemeinsamen Kulturerbes. Und schließlich fehlt es aller Orten an technischen Kenntnissen, um funktionierende Schnittstellen zwischen der analogen Wirklichkeit der Depots und der Realität der Datenströme zu schaffen. Die Ausbildung und die Stellenprofilvielfalt im GLAM-Bereich muss diesen Bedarfen stärker Rechnung tragen. Wikimedia Deutschland sieht sich als Trainer im Hürdenlauf. Wir informieren. Wir bieten Kooperationsformate mit Netz-Freiwilligen, wie Coding da Vinci oder GLAM on Tour. Wir schulen in Freien Lizenzen und unterstützen bei technischen Fragen. Es kommt auf die Perspektive an, aber scheitern müssen Museen bestimmt nicht.

 

Lesetipp: Müde Museen, 2014 von Daniel Tyradelli. ISBN 9783896841537

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