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Das Ende des Schulbuchs?

WMDE allgemein

10. September 2014

Im letzten Teil der Beitragsreihe zum Programm der OER-Konferenz 2014 setzt Tim Schmalfeldt den Fokus auf den dreiteiligen Workshop über die Zukunft des Schulbuchs von Matthias Bock, Dr. David Klett und Dr. Ilias Körner-Wellershaus. Hierbei sollen die Teilnehmerin und Teilnehmer die Chance bekommen über ihre Vorstellungen von Schulbüchern und Bildungsmaterialien zu diskutieren. Im Weiteren greift Sarah Behrens die Herausforderung gesellschaftlicher Beteiligung am bildungspolitischen Diskurs über ein gemeinsames Verständnis von offener Bildung auf, welche in dem Vortrag von Dr. Anja Wagner und Dr. Markus Deimann auf der OERde14 diskutiert wird.

Offene Bildungsressourcen in der Schule

Tim Schmalfeldt über den Workshop von Matthias Bock, Dr. David Klett und Dr. Ilias Körner-Wellershaus  „ Zukunft des Schulbuchs ­- Verlage, freie Lizenzen und die Realität im Unterricht? Workshop: Lehrer stellen Verlage und Politik auf die Probe“.

Kontroversität und Konsensfindung sind Grundprinzipien der politischen Bildung. Und ein Konsens ist nur dann tragfähig, wenn möglichst viele Gruppen an der Meinungsbildung beteiligt werden. In diesem Workshop kommen nicht nur OER-Anhänger zu Wort. Verlage, Lehrerinnen und Lehrer und Politik finden sich zusammen, um über nicht weniger als die Zukunft des Schulbuchs zu diskutieren.

“Going open (education)”, Bild von Jtneill, CC-BY-SA 3.0 via Wikimedia Commons

Dabei geht es zunächst darum, sich mit wichtigen Fragen auseinanderzusetzen: Können die hohen Qualitätsstandards, die Schulbuchredakteure gewährleisten, auch bei offenen Materialien gesichert werden? Birgt die staatliche Unterstützung von OER die Gefahr „staatlich verordneter“ Materialien? Ist es gerechtfertigt, dass Schulbuchverlage alle Rechte für ihre Materialien beanspruchen, auch wenn diese wesentlich aus den Landeshaushalten finanziert werden? In einem weiteren Schritt soll dann nach Lösungen für die vielfältigen Herausforderungen gesucht werden, die mit einer Verankerung von offenen Bildungsressourcen im Feld Schule einhergehen.

Diese Herausforderungen gibt es auf allen Seiten: Die Verlage verdienen seit Jahrzehnten mit Unterrichtsmaterialien Geld und sehen dieses Geschäftsmodell nun durch OER in Teilen bedroht. Die Lehrenden müssen ihrerseits eine Kultur des Teilens oft erst erlernen. Und während manche von ihnen offensiv einfordern, Materialien ohne Rechtebeschränkungen bearbeiten und an ihre SchülerInnen verteilen zu können, deuten andere OER als zusätzliche Belastung und sehen schlicht nicht die Notwendigkeit für offene Bildungsressourcen – gibt es doch schon eine Fülle guter Materialien und die „Umwege über die Kopierer“. Die Politik muss die verschiedenen Interessen ausgleichen, Richtlinien und Rahmenbedingungen für den sinnvollen Einsatz von OER finden und schaffen. Dabei kommt ihr die Idee von OER einerseits entgegen – etwa dort, wo es um konkrete Beteiligungsprozesse geht. Anderseits sieht sie ihre Bildungshoheit in Gefahr und fürchtet mit Blick auf die Schulbuchverlage auch um den Verlust von Arbeitsplätzen.

Auf dem Markt für Bildungsmaterialien tummeln sich jedoch längst nicht mehr nur die Verlage. Die Stände großer IT-­Konzerne wie Apple und Microsoft sind auf den Bildungsmessen heute fast so groß wie die der etablierten Bildungsanbieter. Diese Entwicklung kann im schlechtesten Fall dazu führen, dass OER im Sinne kostenfreier “Contents” als Verfügungsmasse betrachtet werden, über die sich Tablets, Notebooks und andere technische Lösungen an Schulen verkaufen oder Nutzerdaten von SchülerInnen wie LehrerInnen generieren lassen.

Vielleicht ist diese gemeinsame Herausforderung ja eine mögliche Basis für die Suche nach kreativen Lösungen. Und vielleicht gilt es, zukünftige Workshops um eben diese Akteure zu erweitern.

Tim Schmalfeldt ist Referent im Fachbereich Multimedia bei der Bundeszentrale für politische Bildung.

Open Education: Was ist das eigentlich?

Sarah Behrens über den Vortrag von Dr. Anja Wagner und Dr. Markus Deimann “Open Education als diskursives Feld – Regeln und Mechanismen”

Der Begriff Open Education ist im Bildungsbereich in aller Munde, wenn es darum geht dem Anspruch gerecht zu werden, Bildung frei zugänglich zu machen. Freie Bildungsmaterialien und frei zugängliche Lernplattformen tragen dazu bei, den Begriff Open Education mit Leben zu füllen. Dennoch bleibt Open Education ein weit gefasstes Feld variierender Sichtweisen, die nur schwer zu vereinheitlichen sind, so dass sich daraus ein gemeinsames Verständnis von offener Bildung ableiten lässt. Mit ihrem Vortrag zur OER-Konferenz 2014 möchten Dr. Anja Wagner (ununi.tv) und Dr. Markus Deimann (FernUniversität in Hagen) darlegen, welche Charakteristika für Open Education relevant sind und welche Rückschlüsse sich daraus auf gesellschaftliche Interessengruppen und das (gemeinsame) Verständnis von Open Education ziehen lassen. Grundlage für die Erkenntnisse ist die offen zugängliche Interview-Reihe “OpenEd” auf der Plattform ununi.tv, die seit Anfang 2014 verschiedene Akteure und Initiativen zur Diskussion über ihre bildungspolitischen Ideen und Ansätze bewegt. Für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer der OERde14 bedeutet dies im Folgenden: Wie werden diese Erkenntnisse übermittelt?

Zunächst gilt es für den Vortrag von Dr. Anja Wagner und Dr. Markus Deimann folgende theoretische Annahme zu berücksichtigen: Betrachtet man Bildung als diskursives Feld, eröffnen sich Möglichkeiten zu erfahren, wie über Bildung gesprochen und welches Verständnis dabei von Bildung erzeugt wird. Wie kann das funktionieren? Ausgehend vom gesellschaftstheoretischen Begriff “diskursives Feld” im Foucaultschen Sinne wird Realität im Diskurs kontinuierlich erzeugt und strukturiert. Übertragen auf die Bildung bedeutet das, vereinfacht gesagt, dass im sprachlichen Austausch über bildungspolitische Ideen und Ansätze ein bestimmtes Verständnis von Bildung geschaffen wird. Gleichzeitig bedingen  Machtstrukturen und individuelle Interessen welche Vorstellungen von Bildung forciert werden. Das Verständnis von Bildung ist folglich abhängig von den jeweiligen Positionen der Akteure, die in der diskursiven Formation über Bildung diskutieren.

Welches Verständnis wird von Bildung auf der Plattform ununi.TV erzeugt? Auf der Plattform ununi.TV ist so ein diskursives Feld um das Thema Open Education entstanden. Allen Interessierten ist es über Live-Video-Formate und interaktive Workshop-Modelle auf dieser Plattform möglich, sich über Erfahrungen zum Thema Open Education auszutauschen, sich zu vernetzen und gemeinsam an Lösungsmodellen zu arbeiten. Wohin es im Einzelnen thematisch geht, bestimmen die daran Beteiligten selbst. Damit werden Freiräume, speziell Erfahrungsräume, geschaffen, in denen eigene Mechanismen regeln, wie im Diskurs über Bildung gesprochen wird.

Mit der offenen Interview-Reihe “OpenEd”, die auf der Plattform ununi.TV Anfang 2014 ins Leben gerufen wurde, soll dieses diskursive Feld um das Thema Open Education “entzaubert” werden. Verschiedene Akteure und Initiativen aus Politik, Wirtschaft und Bildung haben über “OpenEd” in Form von Live-Videos die Chance sich zu Themen rundum Open Education zu äußern, Problemfelder aufzuzeigen und Lösungsansätze vorzustellen. Auf der OER-Konferenz 2014 sollen im ersten Schritt sich daraus abzeichnende Regelmäßigkeiten, Prozeduren und Mechanismen analysiert und relevante Diskursstränge für Open Education identifiziert werden. Im zweiten Schritt werden charakteristische Muster abgeleitet und zusammengefasst präsentiert.

Insgesamt bietet der Vortrag auf der OERde14 von Dr. Anja Wagner und Dr. Markus Deimann nicht nur ein theoretisches Grundkonzept, Bildung im Rahmen von Open Education greifbarer zu machen, sondern auch konkrete Möglichkeiten, wie der damit verbundene bildungspolitische Diskurs aktiv mitbestimmt werden kann.

Sarah Behrens ist Werkstudentin bei Wikimedia Deutschland im Bereich Bildung & Wissen.

 

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