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Keine Wundertüte: Urheberrechtspaket auf dem Weg

WMDE allgemein

18. Juni 2013

100 Tage vor der Bundestagswahl bzw. 11 Tage vor dem Beginn der Parlamentsferien schließt sich das Fenster, um noch Gesetzgebungsvorhaben über die Bühne zu bringen. Ein solches Vorhaben ist das Gesetz zur Nutzung verwaister und vergriffener Werke und einer weiteren Änderung des Urheberrechtsgesetzes, das von der Bundesregierung eingebracht wurde. Hierin enthalten sind zwei Themen des Urheberrechtes, die uns die ganze Legislaturperiode über begleitet haben:

  1. Die Umsetzung der Richtlinie 2012/28/EU zur Nutzung verwaister Werke
  2. Die Einführung eines unabdingbaren Zweitveröffentlichungsrechts

Wikimedia Deutschland hat zu beiden Themen in der Vergangenheit öffentlich und insbesondere auch in Stellungnahmen gegenüber dem Bundesministerium der Justiz seine Haltung deutlich gemacht. Für alle Neudazugekommenen gibt es dazu folgende stark verknappte Zusammenfassung:

  1. Verwaiste Werke sind urheberrechtlich geschützte Werke, deren Rechteinhaber nicht auffindbar sind und die daher bislang nicht genutzt (z.B. digitalisiert bzw. im Netz veröffentlicht) werden dürfen. Die EU-Richtlinie bestimmt, unter welchen eng gezogenen Bedingungen eine solche Nutzung dennoch möglich sein soll. Die EU-Mitgliedsstaaten erhalten Zeit bis Oktober 2014, diese Richtlinie in nationales Recht umzusetzen. Nach der Richtlinie wird es nicht möglich sein, verwaiste Werke in Wikimedia-Projekten zu nutzen, weil die erlaubten Nutzungshandlungen zu restriktiv sein werden.
  2. Ein unabdingbares Zweitveröffentlichungsrecht ist das Recht eines Autors, auch dann sein eigenes Werk z.B. auf seiner eigenen Homepage zu veröffentlichen, wenn er im Rahmen eines “Total Buyout”-Vertrages alle Nutzungsrechte an einen Verlag übertragen hat. Je nach Lesart soll dieses Zweitveröffentlichungsrecht es ermöglichen, die Zahl der Open-Access-verfügbaren Forschungspublikationen zu erhöhen.

Am 10. Juni fand im Rechtsausschuss des Bundestages eine Anhörung von Sachverständigen zu dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung und den Entwürfen der Oppositionsfraktionen statt. Die Stellungnahmen der Sachverständigen sind – mit einer Ausnahme – ebenfalls online verfügbar.

Während es bei den Verwaisten Werken vorwiegend um die Umsetzung einer EU-Richtlinie in nationales Recht geht und daher die Gestaltungsmöglichkeiten stark begrenzt sind, entzündete sich bei dem zweiten Thema ein teilweise quer zu Regierungskonstellationen verlaufender Streit über das Ob und die Frage, wer hier nun davon profitieren werde. Unstrittig unter allen Sachverständigen war, dass der vorgeschlagene §38 Abs. 4 UrhG nur einen sehr kleinen Kreis an Urhebern betreffen wird, ohne dass handfeste Gründe für eine solche enge Definition vorliegen.

Von Oppositionsseite ist kein Widerstand mit Händen und Füßen gegen dieses Gesetz zu erwarten, insbesondere für den Bereich Verwaiste Werke ist sogar von einigen redaktionellen Formulierungen und Präzisierungen abgesehen Konsens zur Regelung. Beim Zweitveröffentlichungsrecht ist die Situation bizarrer, da es ja insbesondere ein Wunsch der Oppositionsfraktionen war, Urheber gegenüber Verlagen in ihrer Position zu stärken und etwas zur Förderung von Open-Access-Publikationen zu unternehmen. Dass die Regierung die Forderungen der Opposition in einer Schmalspurvariante übernimmt, die nahezu keine praktische Relevanz entfalten wird, ist mehr als ein Kuriosum. Es offenbart vielmehr die völlig entgegengesetzten Vorstellungen über den Freiheitsbegriff und die Waffengleichheit zwischen Urhebern und Verlegern.

 

Kommentare

  1. […] Gesetzgebungsverfahren, das uns seit nunmehr vier Jahren begleitet hat und zu dem wir regelmäßig Stellungnahmen abgegeben haben. Sowohl Verwaiste Werke als auch zweitveröffentlichte Werke werden nicht für […]

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