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Brüsseler Spitzenkräfte

WMDE allgemein

8. März 2013

A wheelbarrow full of stroopwafels, Fotomontage: Jacques Renier & User Sannse, CC-BY-SA 3.0

“Der größte Fehler ist es, Debatten national zu halten”, mahnt Giorgos Rossides, Policy Officer der EU-Kommission. Das bunte Häuflein, das sich in einem Sitzungssaal des Europaparlaments um ihn versammelt hat, nickt zustimmend. Die Anwesenden kommen aus den Niederlanden, Großbritannien, Finnland, Polen, Dänemark, Österreich und Deutschland. Sie sind allesamt Netzaktivisten, die keiner mehr davon überzeugen muss, dass gute NGO-Arbeit immer mit dem Blick über den eigenen Tellerand verbunden sein sollte. Wenige Minuten vorher hatte EU-Justizkommissarin Viviane Reding Komplimente an die Runde verteilt. Der Lobbydruck bei der anstehenden Datenschutzreform sei so groß, dass es gerade auf zivilgesellschaftliche Stimmen wie die ihren dringend ankomme.

Wir befinden uns auf einer Geburtstagsfeier. Der Jubilar ist European Digital Rights (EDRi), eine Dachorganisation für gemeinnützige Vereine, die im Juni 2002 in den Berliner Räumen des Chaos Computer Club ausgeheckt und ein halbes Jahr später in Brüssel registriert wurde. Zu den Gründungsmitgliedern gehörten u.a. Bits of Freedom, Digital Rights, Electronic Frontier Finland oder Privacy International. Heute umfasst das Netzwerk 35 Mitgliedsorganisationen. Zu den jüngsten Neuzugängen mit sogenanntem Beobachterstatus gehören u.a. Reporter ohne Grenzen, der AK Zensur sowie Wikimedia Deutschland.

Keine Atempause, Geschichte wird gemacht

Unter Themenarmut hatt EDRi in den zehn Jahren seiner Existenz wahrlich nicht zu leiden. Stichworte wie War on Terror, Deep Packet Inspection oder Three Strikes standen beispielhaft für eine sich stetig verschärfende Gefechtslage und machten es erforderlich, die EU-Gesetzgebungsmaschinerie mit einer eigenen Geschäftsstelle vor Ort professionell zu beobachten und dieses Wissen für andere verfügbar zu machen. Nicht zuletzt zeigte der breit angelegte Protest gegen das internationale Handelsabkommen ACTA, dass internationale Aufklärungskampagnen und vernetzte politische Interventionen durchaus Wirkung entfalten können.

Für das laufende Jahr sind die urheberrechtspolitischen Prioritäten bei der EU absehbar: So versucht die Kommission gegenwärtig, mit ihrer Konsultation zu “Licenses for Europe” inbesondere den Wirtschaftsinteressen nach einem harmonisierten “One Single Market” nachzukommen. Zugleich bastelt sie an einer Neuauflage der “Intellectual Property Rights Enforcement Directive” (IPRED) und will “Notice and Action”-Prozeduren bei rechtswidrigen Inhalten im Sinne der E-Commerce-Richtlinie verbindlich machen. In all diesen Feldern wird es insbesondere für Wikimedia Deutschland immer wieder darauf ankommen, die besonderen Bedingungen von Open-Content-Plattformen herauszustellen. Der verstärkte Fokus auf EU-Dossiers ist schon deshalb nötig, um bereits in der Entstehungsphase bestimmte Regulationen – siehe zuletzt die unerfreulichen Vorgaben zur Nutzung verwaister Werke – auf mögliche Folgewirkungen für die Entstehung und Verbreitung Freien Wissens abzuklopfen.

Mittendrin statt nur dabei

Der Beobachterstatus bei EDRi ist nur der erste Meilenstein bei unserer “Roadmap nach Brüssel”, die ein wichtiges Schlüsselprojekt für den Bereich Politik & Gesellschaft bei Wikimedia Deutschland darstellt. Der zweite wichtige Meilenstein ist der Aufbau einer eigenen Arbeitsgruppe für EU-Angelegenheiten. Einem Aufruf auf der Wikimedia-Mailingliste folgend, wird sich eine gemischte Gruppe aus haupt- und ehrenamtlichen Wikimedianern aus verschiedenen europäischen Ländern am 6./7. April im Brüssel treffen, um Prioritäten zu ordnen und den künftigen modus operandi festzulegen.

Diese Arbeitsgruppe wird EU-Dossiers sichten, Handlungsempfehlungen und Stellungnahmen erarbeiten, aber auch aktiv den Kontakt zu politischen Akteuren suchen. Nachdem ein solches Vorhaben immer wieder lose bei diversen Wikimanias und Chapter-Treffen angedacht war, möchten wir jetzt zur Tat schreiten. So gibt es bereits eine Seite im Meta-Wiki, die gewissermaßen als Informationshub fungiert. Dort wurde auch der grobe Fahrplan für das Treffen veröffentlicht. In den nächsten Monaten wird es hier im Blog von meiner Seite immer wieder Informationen zum Fortgang der Dinge geben.

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