zurück

Silberwissen – Rückblick und ein erster Blick voraus

WMDE allgemein

4. März 2013

Beitrag von Elvira Schmidt

Mit dem Programm „Silberwissen“ hat Wikimedia Deutschland in den letzten Jahren versucht, gezielt ältere Menschen als Mitmacher für die Wikimedia-Projekte zu gewinnen. In dem Programm können wir nun nach fast 60 Workshops mit rund 340 Teilnehmern (überwiegend Senioren) im Jahr 2012 auf umfangreiche und vielfältige Erfahrungen für weitere Aktivitäten zur Gewinnung neuer Autoren und Autorinnen aufbauen. Da wir Partner im EU-Projekt TAO sind, wurde unsere Arbeit von Beginn an wissenschaftlich begleitet. Im Jahr 2012 untersuchte Annette Kintzi (ZAWiW) im Rahmen ihrer Masterarbeit die Veranstaltungen an insgesamt sechs Standorten.

Autoren-Workshop im Rahmen von Silberwissen während der Frühjahrsakademie 2012 am ZAWiW der Universität Ulm (Foto: Annette Kintzi, cc-by-sa 3.0)

Engagement und Sachkenntnis

Von den Referenten wurde eingeschätzt, dass die Senioren und Seniorinnen sehr interessiert waren. Teilnehmer, die während der Workshops Ideen zu eigenen Beiträgen in der Wikipedia hatten oder bereits mit entsprechenden Vorstellungen in den Kurs gingen, waren besonders motiviert. Schwierigkeiten bereitete einem Teil der sichere Umgang mit dem PC, bzw. dem Internet. Das führte zu Verzögerungen, die mit der eigentlichen Arbeit in der Wikipedia nichts zu tun hatten und erschwerte die Arbeit in der Gruppe für alle Beteiligten. Die Teilnehmer schätzten bei „ihren“ jeweiligen Referenten vor allem ihr Engagement und ihre Sachkenntnis, ihr Umgang mit Fragen und ihre Geduld. Die Heterogentität der Vorkenntnisse war in der Gruppe Älterer sehr hoch. Kritische Hinweise gab es vereinzelt zum Tempo des vermittelten Stoffs. Die Älteren unter den Teilnehmern schätzten eher ein, dass sie dem Fortgang des Workshops nicht immer folgen konnten. Die Selbsteinschätzungen, ob sie künftig in der Wikipedia oder den Wikimedia Commons, dem Bilderarchiv, weiter tätig sein wollen, schwankte je nach Ort und Teilnehmergruppe zwischen einem bis zu zwei Drittel der Beteiligten.

Referenten und Teilnehmer stimmen weitgehend darin überein, dass drei Veranstaltungen für einen erheblichen Anteil der Senioren und Seniorinnen zu wenig sind, um Ältere in die Wikipedia einzuführen und ihnen die ersten Schritte zu erleichtern. Viele Fragen kommen oft erst mit einer höheren Aktivität. Schwierigkeiten liegen nach Einschätzung der Referenten und Teilnehmer auf folgenden Ebenen:

–       Neue und unbekannte Nutzeroberfläche im Bearbeitungsmodus der Wikipedia. Für die Älteren ist diese Umstellung eine Hürde, die nur mit Hilfe zu überwinden ist. Wie hoch diese Hürde subjektiv empfunden wird, ist vom Alter und von der Technikaffinität der Teilnehmer abhängig.

–       Erfahrungen im Umgang mit PC und Internet. Sichere Fertigkeiten im Umgang mit PC und Internet sind eine wichtige Voraussetzung für die vielfältigen Arbeitsschritte, die bei der Bearbeitung/Erstellung von Artikeln oder beim Einfügen von Fotos in Artikel zu bewältigen sind. Hier sind abrufbare Fähigkeiten und Fertigkeiten aus einer erst vor kurzer Zeit beendeten Berufstätigkeit von erkennbarem Vorteil.

–       Inhaltliche und formale Anforderungen an einen Wikipedia-Artikel sind sehr hoch. Auf Grund der technischen Hürden treten die inhaltlichen Anforderungen an einen Artikel nicht selten in den Hintergrund. Sie sind jedoch für eine Mitarbeit von entscheidender Bedeutung.

Gemeinsam mit der Deutschen Seniorenliga (DSL) wurde eine bundesweite Aktion über die Zeitschrift „aktiv“ der DSL durchgeführt, um Senioren für eine Mitarbeit zu interessieren. Die Ergebnisse dieser Aktion waren eine der Grundlagen für die nachfolgenden Schlussfolgerungen zu künftigen Aktivitäten:

  1. Unsere Zielgruppe unter den Senioren erreichen wir weniger durch ein möglichst breit gestreutes Mailing, sondern eher durch eine Ansprache von vorher gezielt ausgewählten bildungsaffinen Gruppen. Im Idealfall können diese Gruppen auf Grund stabiler persönlicher und institutioneller Kontakte leichter eigene Hilfsstrukturen aufbauen und sich gegenseitig unterstützen.
  2. Künftig erfolgt eine Konzentration auf größere Städte, da sich in kleinen Städten oft nicht genügend Teilnehmer finden. Darüber hinaus ist es in größeren Städten grundsätzlich besser möglich, Kontakte zu bestehenden Wikipedianer-Stammtischen zu knüpfen. Besonders vorteilhaft sind Städte mit höheren Bildungseinrichtungen (Universitäten und Hochschulen). Hier sind Träger der Seniorenbildung wichtige potenzielle Partner.
  3. Bildungsaffine Gruppen mit besonderen Interessengebieten sind eine wichtige Zielgruppe. Dazu gehören z.B. Hobbyhistoriker (z.B. lokale/regionale Geschichtsvereine), Hobbygenealogen, Vereine für Technikgeschichte, für Medizingeschichte, … Die Mitglieder verfügen i.d.R. über ein solides Wissen zu ihrem Fachgebiet und haben häufig bereits Übung im Verfassen von Beiträgen für ihre Fachinformationen.
  4. Weniger geeignet für eine Zusammenarbeit sind offensichtlich Volkshochschulen. Die Resonanz auf das Angebot eines Wikipedia-Kurses ist deutlich geringer als bei anderen Partnern. Hier sind die Teilnehmer und auch die Veranstalter oft nur an Vorträgen, jedoch nicht am eigenen Engagement interessiert.
  5. Teil der Aktivitäten mit älteren Menschen muss es sein, aus der Gruppe heraus Wissensträger aufzubauen, die eine langfristige Ansprache für die Teilnehmer ermöglichen.

 

Rechtliche Fragen sind eine Hürde

Aufmerksame Zuhörerschaft beim Autoren-Workshop (Foto: Annette Kintzi, cc-by-sa 3.0)

Eine erhebliche mentale Hürde sind gerade für Senioren, die bereits eigene Beiträge in Fachinformationen oder Zeitschriften veröffentlicht haben, alle Fragen, die mit Rechten verbunden sind: Nutzungsrechte, freie Lizenzen, die Möglichkeit, dass jeder Nutzer einen einmal eingestellten Artikel verändern kann ohne vorher zu fragen. Es kommt durchaus vor, dass an diesen Hürden die Bereitschaft zur Mitarbeit scheitert. Ein gemeinsamer Workshop mit Bildungsträgern der Seniorenbildung beschäftigte sich daher Ende des Jahres 2012 intensiv mit folgenden Fragen:

  1. Teilnehmer mit den passenden Voraussetzungen für Kurse gewinnen
  2. Teilnehmer nach dem Ende der Kurse halten und zur Mitarbeit aktivieren
  3. Gestaltung der Kurse
  4. Gewinnung der sogenannten „jungen Alten“, die gerade aus dem Berufsleben ausgeschieden sind

In den Diskussionen ergaben sich mehrere Ideen zur Initiierung langfristiger Projekte. Sehr gut geeignet sind Seniorenuniversitäten, weil sie auf Grund der Angebotsvielfalt auch andere Themenkurse mit den Wikipedia-Kursen verknüpfen können. Auch regelmäßige informelle Treffen oder die Eingliederung in die lokale Wikipedia-Community sind als Methoden zur Steigerung der Nachhaltigkeit im Gespräch. Besonderen Anklang fand die Idee, sogenannte „Wikipaten“ – Ältere mit Erfahrung in der Wikipedia – als persönliche Kontaktpersonen für neu gewonnene Senioren einzusetzen.

Die bisher gemachten Erfahrungen zeigen, dass mit dem Namen „Silberwissen“ vorwiegend die Älteren innerhalb der Altersgruppe 50+ angesprochen werden. Zugleich konnte festgestellt werden, dass gerade für diese Gruppe die Hürden für eine Mitarbeit in der Wikipedia besonders hoch sind. Die Gruppe der „jungen Alten“ (etwa bis 65) fühlt sich mit diesem Titel weniger angesprochen.

 

Lebenslanges Lernen

Im Vergleich mit anderen Programmen hat sich gezeigt, dass die Erfahrungen neuer Autoren und Autorinnen unabhängig von ihrem Alter Ähnlichkeiten aufweisen. Zudem fühlen sich viele ältere Menschen nicht angesprochen durch ihr Alter, sondern eher über Themen und Erfahrungen. Für die Fortführung von Aktivitäten zur Gewinnung von Älteren ergibt sich daraus die Notwendigkeit, einen Namen zu nutzen, der nicht speziell an eine einzelne Zielgruppe (z.B. Senioren) adressiert ist. Er sollte die Tätigkeit in den Mittelpunkt stellen und das ehrenamtliche Engagement einer Mitarbeit an der Wikipedia in den Vordergrund rücken. Mit dem Begriff „Wissen teilen“ wird diese Anforderung erfüllt und lässt zugleich Raum für unterschiedliche Initiativen unter einem Dach, welche ältere Menschen als Wissensträger und wichtigen Teil der Gesellschaft verstehen.

 

 

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert