Im August 2010 arbeitete ich eine Woche in der Geschäftsstelle des Wikimedia e.V. mit dem Ziel, ein Social Media Konzept zu erarbeiten. In diesem Artikel möchte ich die Ergebnisse meiner Arbeit vorstellen, so wie ich sie damals geschrieben habe. Das Dokument habe ich nach Abschluss der Woche der Geschäftsstelle zur Verfügung gestellt. Danach hatte ich mit dem Geschäftsführer Pavel Richter verabredet, meine Arbeit weiter auszuführen.
Krankheitsbedingt hatte ich einige Wochen zu Nachdenken und kam so darauf, was an meinem Ansatz nicht stimmte: Die Vorstellungen über den Verein von Vorstand, Geschäftsstelle und Mitgliedern passen nicht zusammen. Den Äußerungen von Mitgliedern entnehme ich, dass sie mehr informiert und einbezogen werden wollen. Der Vorstand stürzt sich in die Arbeit, damit es endlich vorangeht. Die Mitarbeiter in der Geschäftsstelle arbeiten daran, den Output der Vorstandstätigkeit mit Leben zu erfüllen, arbeiten an selbstgestellten Projekten und sehen sich als Ansprechpartner und Unterstützer für „Freies Wissen“-Projekte von Mitgliedern und Nichtmitgliedern – reagieren aber leider gelegentlich schwerfällig, wenn tatsächlich Projekte an sie herangetragen werden. Der Verein muss sich entscheiden, ob er eine Organisation für einige wenige, dafür aber produktive Aktivisten sein will, oder aber eine Massenorganisation, die möglichst viele Freiwillige in die Arbeit einbeziehen will. Nur im letzteren Fall ist der Einsatz von Social Media sinnvoll.
Sebastian Wallroth, 3. März 2011
Social Media Konzept für Wikimedia Deutschland
Sebastian Wallroth
27. August 2010
Zustandsanalyse
Was ist Wikimedia Deutschland und was sind seine Ziele?
Der Name ist Programm: „Wikimedia Deutschland – Gesellschaft zur Förderung Freien Wissens e.V.“ ist ein gemeinnütziger Verein, der sich für die Förderung freien Wissens einsetzt. Wikimedia Deutschland wurde im Juni 2009 von aktiven Autoren der Wikipedia gegründet.
- 1. Hauptmotiv: Notwendige Struktur schaffen, um Spendengelder für den Betrieb der Wikipedia verwenden zu können
- 2. Hauptmotiv: Plattform schaffen, um Wikipedianern den Kontakt untereinander zu ermöglichen
- 3. Hauptmotiv: Anlaufstelle für Presse und Kooperationsanfragen bilden
Die Gründungsaktivisten waren aber so weitsichtig, den Fokus nicht nur auf die Wikipedia zu legen. Ziele sind laut Satzung die selbstlose Förderung der „Erstellung, Sammlung und Verbreitung Freier Inhalte“. Zur Förderung von Erstellung und Sammlung gehört auch die „Befreiung“ von Inhalten, d.h. die Überführung von unfrei lizenzierten Inhalten in freie Lizenzen und das Zugänglich-Machen von Sammlungen freier Inhalte. Wichtig zu betonen ist, dass keineswegs Erstellung, Sammlung und Verbreitung Freier Inhalte der Zweck des Vereins ist, sondern die Förderung dieser Aktivitäten. Die langfristigen Ziele wurden vom Vorstand erarbeitet und im Kompass 2020 festgehalten. Aus dem Kompass 2020 wurden vom Vorstand und den Mitarbeitern mittelfristige Ziele abgeleitet, die in fünf Gebiete gegliedert wurden. Diese Ziele sollen bis 2014 erreicht werden.
Wer ist im Verein Wikimedia Deutschland aktiv?
Wikimedia Deutschland wurde im Juni 2004 von aktiven Autoren der Wikipedia gegründet. Im August 2010 gibt mehrere Gruppen von Aktiven.
- Der Vereinsvorstand mit 9 Mitgliedern
- Die Geschäftsstelle mit 11 Mitarbeitern
- Ein Pool von freiwillige Mitarbeitern mit etwa 100 Personen
- Mitgliederversammlung mit ca. 60 Teilnehmern
- Diskutanten in der Mailingliste des Vereins
Wo kommen Ideen her und welche Ideen werden umgesetzt?
Aktivitäten basieren auf
- den lang- und mittelfristigen Zielen aus dem Kompass 2020
- Aktivitäten der Wikimedia Foundation
- spontanen Ideen der Aktiven des Vereins
- Anregungen und Anfragen von Kooperationspartnern und Inhaltspartnern
Es gibt keine Ideenmanagement. Passen Ideen nicht zu den lang- oder mittelfristigen Zielen oder sind sie nicht spontan umsetzbar, laufen sie Gefahr, in Vergessenheit zu geraten.
Wie sieht Wikimedia Deutschland von außen aus?
Altbackenes, uneinheitliches Design
- Design der Website ist veraltet und uncool
- Die Struktur der Website ist verbesserungswürdig
- Es gibt kein festgeschriebenes Corporate Design außer Richtlinien für das Logo und einer Hausschriftart (Gil Sans MT), die von der Wikimedia Foundation übernommen wurden
- Die verschiedenen Publikationen (Website, Blog, Wikimedium, Tätigkeitsbericht, Mailingliste, etc.) sehen unterschiedlich aus
- keine einheitlichen Sprachregelungen
Große Bandbreite an Kommunikationskanälen
- Mailinglisten
- Vereinsblog
- Vereinszeitung „Wikimedium“
- Ticketsysteme im OTRS
- IRC
- Internes WIKI mit verschiedenen Bereichen und verschieden verteilten Zugangsrechten
- Google APPS zur Kalender- und Dokumenten-Verwaltung
- Zur Terminabsprache auch manchmal http://doodle.de
Oft Einsatz von Kommunikations-Technologien, die eine hohe Einarbeitszeit brauchen (z.B. Wikis für Abstimmungen, IRC, Mailinglisten) und darum nur für wenige voll nutzbar sind. Eine gute Darstellung der Personen. Der Vorstand wird mit Name, Foto, Kurzbiografie, Ressortbezeichnungen und E-Mail vorgestellt. Die Mitarbeiter werden mit Name, Foto, Tätigkeitsbezeichnung und E-Mail vorgestellt; bei 4 von 11 verlinkt die Tätigkeitsbezeichnung auf eine Tätigkeitsbeschreibung
Transparenz der Tätigkeiten
Der Vorstand liefert zur Mitgliederversammlung einen jährlichen Rechenschaftsbericht. Einmal pro Quartal stellt sich ein Vorstandsmitglied Fragen im Chat. Die Geschäftsstelle liefert monatliche Tätigkeitsberichte im Blog. 1-2 mal pro Woche wird über Aktivitäten im Blog, in der Mailingliste und über Twitter berichtet. Es gibt Social Media Aktivitäten. Mehr als die Hälfte der Mitarbeiter und Vorstände verfügt über Erfahrung mit Social Media und hat Accounts mindestens bei Xing, Facebook und Twitter.
Interessenkreise (aka Zielgruppen)
„Wikipedianer“
Personen, die regelmäßig viele Inhalte beisteuern sowie „Admins“. im Juni 2010 gibt es in der deutschen Wikipedia ca. 1.060 Benutzer mit mehr als 100 Änderungen pro Monat. Am 30. August 2010 gibt es in der deutschen Wikipedia 293 Administratoren. Die „Wikipedianer“ werden von Henriette Fiebig als Community-Assistent betreut. Sie sind untereinander stark über Wikipedia-Diskussionsseiten, Mailinglisten und IRC vernetzt.
Projektmitarbeiter
Personen, die gelegentlich Inhalte beisteuern und Fleißarbeit leisten (Rechtschreibung, Kategorisierung, Weblinks, etc.). Im Juni 2010 gibt es in der deutschen Wikipedia ca. 8.000 Benutzer mit mehr als 5 Änderungen pro Monat.
Sympathisanten
Personen, die eines oder mehrere der Projekte kennen und verstehen, aber kaum bis gar nicht mitarbeiten: geschätzte 50.000.
Nutzer
Personen, die die Inhalte der Projekte nutzen, ohne die Projekte selber zu kennen oder gar zu verstehen. Im Dezember 2009 hatte die deutsche Wikipedia etwa 25.000.000 unique visitors.
Aufgaben des Vereins Wikimedia Deutschland
- Dienstleistungen für die Wikipedia-Community.
- Öffentlichkeitsarbeit für die Wikipedia, die anderen Projekte, den Verein und seine Aktivitäten
- Propagierung freien Wissens
Tätigkeiten von Wikimedia Deutschland
- bestehende Projekte, Veranstaltungen etc. finden und unterstützen
- Unterstützung durch bezahlte Mitarbeiter, wenn keine Ehrenamtlichen gewonnen werden können
- Spendenaufkommen stetig steigern oder mindestens stabil halten
- “Herbstkampagne”
- Fördermitgliedschaften
- professionelles Fundraising
- Projekte bekannt machen und Mitarbeiter gewinnen
- Nutzer zu Sympathisanten konvertieren
- Sympathisanten zu Mitarbeitern konvertieren
- Verein bekannt machen
- Mitglieder werben
- …
Konzept
Probleme des Vereins, die man mit Social Media lösen kann
„Social Media zu betreiben, ist in erster Linie dazu da, seine eigenen Gedanken und Erfahrungen mit anderen zu teilen und mit dem Feedback umzugehen.“ – Ibrahim Evsan
- der Verein ist zu wenig bekannt
- die Aktivitäten des Vereins sind zu wenig bekannt
- die Idee Freien Wissens ist zu unbekannt
- es gibt keine Wikipedia-Nutzer-Community
- die Vereinsmitarbeiter können nur mühsam Freiwillige und Experten für die Vereinsaktivitäten finden
Ziele für den Einsatz von Social Media
- Wikimedia Deutschland soll bekannter werden
- Vereinsmitgliedern sollen quasi in Echtzeit Einblick in die Vereinsarbeit bekommen
- Der Vorstand und die Geschäftsstelle sollen „Gesichter“ bekommen
- Der Verein soll Sympathie und Kompetenz ausstrahlen
- Es soll leicht sein, mit dem Verein Kontakt aufzunehmen
- Es sollen neue Mitglieder gewonnen werden
- Es soll mehr Input aus den Zielgruppen des Vereines kommen
- Es sollen sich mehr Leute an den Vereinsaktivitäten beteiligen
- Es sollen mehr Leute die Hilfe des Vereins in Anspruch nehmen
Maßnahmenkatalog
Äußere Erscheinung erneuern
- professionelles Corporate Identity-Handbuch, um einen einheitlichen Auftritt zu ermöglichen
- Umgestaltung der Website
- Virtuelles Auftreten des Vorstandes und der Mitarbeiter stärken und vereinheitlichen
- Social Media Training für Mitarbeiter und Vorstände
- Premium-XING-Profil für alle Mitarbeiter
- einheitlicher XING-Auftritt der Vorstände und der Mitarbeiter (“Wikimedia Deutschland e.V.“ als gegenwärtige Firma)
- einheitliche E-Mail-Footer mit wechselnden Messages
- Mitarbeiter / Vorstände fangen an, über Vereinsarbeit zu twittern (auf strikt freiwilliger Basis, ggf. mit extra Wikimedia-Accounts)
Transparenz erhöhen
- mehr aktuelle Themen auf der Website-Startseite (Aktivitäten, Veranstaltungen, etc.)
- Projekt-Begriff erweitern auf Veranstaltungen, Generation 50+, Zedler, etc.
- Zugang zu allen Kommunikationskanälen von der Website aus
- Deutlich anbieten, was der Verein zu bieten hat mit klarer Handlungsaufforderung (z.B. Wir bezahlen Dein Zugticket zu einem Fotoworkshop. Hier klicken!)
Social Media Policy aufstellen
- Social Media verstehen
- Communities verstehen
- Copyright verstehen und respektieren
- verantwortungsbewusst kommunizieren
- authentisch sein
- Mehrwert bieten
- Gute Einleitungen: http://mashable.com/2009/06/02/social-media-policy-musts/ und http://www.inc.com/guides/2010/05/writing-a-social-media-policy.html
- Beispiele: http://klauseck.posterous.com/mehr-als-100-social-media-policy-beispiele
Ideen-Management-Tool einführen
- einfach zu bedienende, die Nutzer zu Mitmachen einladende Technologie
- z.B. Ticket-Systeme mit Voting
- Beispiele: http://getsatisfaction.com und http://uservoice.com und http://tchibo-ideas.de
Soziales Netzwerk einrichten
- Sympathisanten, Projekt-Mitarbeiter, Wikipedianer, Mitarbeiter und Vorstände miteinander zu vernetzen
- Transparenz schaffen
- einfacher Einstieg in die Community
- einfache Kommunikation
- einfache Aufforderung zum Mitmachen
- Experten- und Freiwilligen-Datenbank, die von den Beteiligten selbst gepflegt wird
- Beispiele: http://mixxt.de und http://amazee.com und http://www.mediawiki.org/wiki/Extension:SocialProfile und http://facebook.com
- Liste von Beispielen: http://www.vivalogo.com/vl-resources/open-source-social-networking-software.htm
In Soziale Netzwerke einsteigen um
- die Projekte bekannt zu machen
- Wikimedia bekannt zu machen
- Experten zu finden
- Freiwillige zu finden
- Listen sozialer Netzwerke: http://online-ich.de/20100820/social-networks-top-100-liste-deutschland/ http://fudder.de/artikel/2008/04/09/175-internet-communitys/ http://de.wikipedia.org/wiki/Kategorie:Online-Community
Social Media Manager einstellen
- Stellenprofil ausarbeiten
- Einstellen
Community Manager einstellen
- Stellenprofil ausarbeiten
- Einstellen
Die Kernaufgabe der de:WP ist es Spendenquittungen auszustellen. Alles weitere ist nice to have. PS: Bin kein Vereinsmitglied.
@H-stt, für was genau nützt uns denn WMDE überhaupt? Social media hilft WMDE, das hab ich verstanden, aber wofür braucht die WP und ihre Schwestern WMDE? Was kann WMDE was nicht auch WMF kann?
Und wie hilft uns das, eine Enzyklopädie zu schreiben?
Örm, ja….
DIe Punkte, die als “Konzept” benannt wurden, könnten auch das Ergebnis eines halbstündigen Brainstormings sein. Eine wirklich zündende Idee ist nicht dabei. Nun, ja, aber dennoch mal weiter gedacht: schreib mal auf, was für die Umsetzung der einzelnen Punkte für Ressourcen (Personal & Geld) in welchem Zeitrahmen nötig sind, kurzum: hole die Ideen in die Realität. Dann kann man ernsthaft darüber reden, was lohnenswert ist, umzusetzen.
Ich stehe vor dem Text und frage mich, was er mir denn nun genau sagen soll. So recht schlau werde ich aus all dem nicht.