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Bei den Deutschen funktioniert sogar die Wikipedia!

Ziko

29. November 2010

Vor einiger Zeit habe ich eine Karte veröffentlicht, die anzeigt, in welchen Ländern Europas welche Wikipedia-Sprachversionen gelesen werden. Das Kreisdiagramm pro Land informiert also über die Anteile der Sprachversionen nach Seitenaufrufen.

Wikipedia-Karte Europas, nach Ländern und Sprachversionen

Leider hat sich herausgestellt, dass das Wikimedia-Zahlenmaterial für diese Karte noch einen strukturellen Fehler innehatte. Da Aufrufe durch Suchbots (von Suchmaschinen) nicht herausgefiltert waren, und Suchbots meist in den USA beheimatet sind, erschien der Anteil des Englischen bzw. der USA in den Zahlen oftmals zu hoch. Eine bereinigte Karte würde allerdings auch kein wesentlich anderes Bild ergeben.

Und diesem Bild zufolge spielen in den einzelnen Ländern meist nur zwei Sprachen eine Rolle: die eigene Nationalsprache (farbig oder schwarz) und Englisch (dunkelrot). Die Europäer suchen also Informationen am liebsten in der eigenen Sprache auf, und wenn sie dort nicht fündig werden, dann gehen sie zur englischsprachigen Wikipedia. In einigen Ländern wie Griechenland und Island weist das Englische einen weit höheren Anteil auf als die eigene Sprache. Beispielsweise in Schweden und den Niederlanden kann sich die Nationalsprache nur mit Mühe gegen das Englische behaupten.

Die deutschsprachige Wikipedia hat ihre Leser, wie zu erwarten, vor allem in den DACH-Ländern: Deutschland, Österreich und die Schweiz, hinzu kommt Liechtenstein. Dort, vom schweizerischen Sonderfall abgesehen, ist Deutsch die eindeutig dominierende Sprache. Obwohl Deutsch in vielen Ländern Europas als Fremdsprache unterrichtet wird, sind die dortigen Seitenaufrufe jedoch marginal. Nirgendwo außerhalb der deutschsprachigen Länder kommt die deutschsprachige Wikipedia über einen Anteil von drei Prozent, meist ist es deutlich weniger.

“Die Deutschen können halt kein Englisch”, schrieb jemand in einer Diskussion in der niederländischsprachigen Wikipedia zu dieser Karte. Allerdings hätten sie die englischsprachige Wikipedia nicht nötig, weil ihre eigene “viel besser” sei. Ein anderer meinte, der Erfolg liege nicht nur daran, dass es viel mehr Deutsch- als Niederländischsprachige mit Internetanschluss gibt:

Dass die Deutschen genug an ihrer eigenen Sprachversion haben, verwundert übrigens diejenigen nicht, die sich die  Deutsche Sprachausgabe anschauen: diese Wikipedia hat eben total Hand und Fuß. Der einzige Nachteil ist, dass sie sehr allergisch auf Infoboxen reagieren und die in vielen Artikeln vermeiden wollen. Ansonsten haben sie über viele Gegenstände viel mehr Informationen als beispielsweise die englischsprachige, nur ist die Anzahl verschiedener Artikel in der englischsprachigen größer. Und alle Nebensächlichkeiten sind so durchdacht (Rechtschreibung, Format, Handhabung von Links und Weiterleitungen, Stil und Satzbau…). Die deutsche Gründlichkeit ist kein Märchen, das beweisen diese Zahlen auch.

Kommentare

  1. ulli purwin
    3. Dezember 2010 um 05:35 Uhr

    …interessant finde ich auch die situation im deutschprachigen teil Südtirols (als drittsprache neben Italienisch fast schon ausgestorben: Rätoromanisch! – und das trotz einiger staatlicher verfassungsgarantien)

    was den gebrauch der sprachversionen betrifft, wird der mit sicherheit vowiegend durch die qualität und den umfang derselben bestimmt – und natürlich auch durch äussere faktoren wie der politischen lage, des umgangs der ethnien miteinander usw.

    zwischen Meran und Bozen gibt es heute viele junge als ‘absolut zweisprachig’ zu bezeichnende italienische staatsbürger, die sich weder der einen noch der anderen seite stur verschrieben haben. wenn die dann auf der suche nach umfänglichen, gut aufbereiteten wissensinhalten sind, werden sie sich im zweifelsfall nicht an mehr- oder minderheiten orientieren…

    1. Ziko
      10. Dezember 2010 um 16:53 Uhr

      Es wäre interessant, in Zukunft auch Datenmaterial unterhalb der Nationenebene zu haben. Meines Wissens ist es momentan eine Geldfrage.

  2. dirk franke
    30. November 2010 um 09:32 Uhr

    Kann man die Daten irgendwie mit den Grand-Prix-Eurovision-Abstimmungsergebnissen korrelieren?

  3. Ziko
    29. November 2010 um 16:38 Uhr

    Hallo Cornelius,
    die Dritten sind wohl großteils Minderheitensprachen wie Polnisch in Litauen. Dann kommt noch eine besondere sprachliche Verwandtschaft hinzu, wie Slowakisch und Tschechisch. Ähnlich wie in Ex-Jugoslawien dienen die jeweils anderen Sprachversionen zur Informationen über das jeweilige Nachbarland. Ukrainisch – da kommen mehrere dieser Faktoren zusammen.
    Beispielsweise die deutschen und niederländischen Dialekt-Wikipedias kommen so gut wie nirgends in der Statistik vor, auch nicht Friesisch in NL.

  4. Cornelius
    29. November 2010 um 15:41 Uhr

    Sehr spannend, danke, Ziko, dafür!
    Interessant finde ich vor allem die Präsenz von Drittsprachen (also neben der eigenen und der englischen Sprache): In Litauen wird die polnische Wikipedia auch gelesen, in Lettland (welch Wunder) die russische, in der Slowakei die tschechische, in der Ukraine vor allem die Russische (dort spielt die ukrainische fast gar keine Rolle, so scheint es). Die Maltesische Wikipedia gibt es wohl gar nicht.

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